Jaqueline Merlin

Elisa


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      Voraussetzung für eine Übereinstimmung.“ Es schien ohne ihrer Selbstkontrolle abzulaufen. Wenn

      es flirten war, dann so wenig wie bei Blumen oder Hummeln. Ich muss erwähnen, dass es derzeitig

      für mich unklar war, wer die junge Frau war. Ich wusste noch nicht, dass es sich um Elisa handelte.

      An dem Morgen brachte ich mein Erlebnis keineswegs mit mir, meinen Plänen, meinen Absichten,-

      meiner Realität in Beziehung. Es war, als wenn ich auf einem Spaziergang einer Blume oder einem

      Vogel begegnet wäre. Dieser Tag, an dem ich zum ersten Mal einen Pfau ein Rad aufschlagen sah.

      Einzige Erlebnisse genügen sich selbst und löschen im Gedächtnis beiläufige Nebensächlichkeiten,

      die einen von der Wahrnehmung des wirklichen Ereignisses ablenken würden. So treten sie zurück.

      Es stimmt immer noch nicht im Ganzen. Jede Art der erfundenen Analogien treffen nicht den Kern.

      Das Erlebnis, das einem Edelstein glich, war nicht anorganisch. Ich selbst begriff dies dabei zuletzt.

      Ich diktierte jene Briefe leicht abwesend. Wenn sich Gedanken in Phantasien auch nicht woanders

      als in dem Arbeitsraum bewegten, so stellte ich doch Außerirdisches bei Frau Fröhlich fest oder im

      Sinn jener Person, die vor mir saß. Mir war dabei nicht klar, ob sie sich selbst dessen bewusst war.

      In Stenographie hatte sie jedes Detail notiert, die für meine Geschäftsbriefe von Wichtigkeit waren.

      Als ich ihr zum Abschluss die Tür aufhielt, sagte ich: “Besten Dank, Frau Fröhlich. Ich bin freitags

      wieder hier. Dann können wir die Briefe nochmals durchsehen, wenn Sie nicht zu beschäftigt sind.“

      Diesmal lächelte sie mich direkt an und erwiderte: „Ich werde nicht zu beschäftigt sein. Good bye.“

      Es schien so, als spräche sie nicht von irgendwelchen Briefen. Es hörte sich an wie die Antwort im

      Sinn des Vorangegangenen: „Ich habe Zeit zum Wiedersehen für denjenigen, der mich an-erkennt.“

      Noch ziemlich verwirrt kehrte ich bei Carl Larson ein und folgte seiner Einladung zum guten Drink.

      „Na, alles paletti?“ fragte er. „Sicher doch. Den Beweis haben wir, wenn die Briefe vor uns liegen.“

      Ich stutzte, wie ich ihm meine Empfindungen nennen könnte. „Frau Fröhlich wirkt sehr anziehend.“

      „Ja nett, nicht wahr?“ antwortete er. „Sie bringt sozusagen einiges Licht in unsere Räumlichkeiten.“

      Himmel, er weiß nichts. Wie ist das möglich? Ich konnte es nur dabei belassen. Aber wo belassen?

      „Möchten Sie einen Sherry oder Gin oder lieber etwas Scotch?“ “Einen Gin, wenn Sie mich fragen.“

      Der Ausflug danach zum Meer nach Fünen war wunderschön bei sonnigem Wetter. Die Fähre dort

      überquerte uns mit Leichtigkeit. Ich besichtigte den gotischen Dom, in dem „Knud“ begraben liegt,

      direkt unter dem Altar, der Erbauer des mittelalterlichen Kunstwerkes zur Zeit reinen Formalismus.

      Nächsten Tag machten wir mit Lotta und Jani ein Picknick in den Dünen bei frischer Meeres-Brise.

      Während der ganzen Fahrt konnte ich unfreiwillige sowie ungenaue Erinnerungen an Frau Fröhlich

      nicht beiseite schieben, ihr Anblick im Sessel, wie sie die Beine übereinander geschlagen hatte und

      nach vorne gebeugt, dass ich nicht ihr Gesicht erkennen konnte, die vergessenen Titel zu Melodien.

      Darin war ein Gefühl gegenwärtig, das sich kaum in Worte fassen ließ. Ich wäre hier nicht wirklich

      da, vorhanden, wie ich mich im Auto erlebte. Ich konnte mich nicht einmal an ihr Gesicht erinnern.

      Zugvögel merken das im Herbst. Bald kommt die Zeit der Rückkehr,- die Rückkehr zum Ursprung.

      Freitagmorgen besuchte ich Herrn Larson zum zweiten Mal mit einer Flasche Bordeaux und Pernot.

      Ich war gespannt auf die Briefe und noch vielmehr auf Frau Fröhlich. In einer großen Geschenktüte

      trug ich die lustig verpackten Weinflaschen mit bunten Bändern, die sich um die Bäuche kringelten.

      In London hätte man die Flaschen solide in der Tasche verstaut, in Kopenhagen wurde ohne Frage

      ein Geschenk draus. Beladen wie ein Esel, denn ich hatte noch gleich fürs Wochenende eingekauft

      und war drauf vorbereitet, dass wir im Büro zusammen frühstückten mit Brötchen, Butter und Käse

      auf dänisch, betrat ich in den Raum. Natürlich war alles frisch geholt von mir, Brötchen noch warm.

      Diese Geschenke sollten weder aufdringlich sein oder protzen noch eine Bescheidenheit heucheln

      und am Sinn der Gastfreundschaft vorbeigehen, sondern meine bleibende Erinnerung hinterlassen.

      Der gute Ruf der Engländer ist mehr als Höflichkeit, einer von ihnen wollte es hier geltend machen.

      Ich dachte nicht ganz uneigennützig. Vielleicht gäbe es in Zukunft noch einmal Briefe zu schreiben.

      Im Stillen hoffte ich es beinahe. Für Frau Fröhlich hatte ich ein filigranes Goldarmband ausgesucht.

      Herr Larson begrüßte mich sehr erfreut und strahlte mit einer vertrauten Gemütlichkeit Wärme aus.

      „Wie war Ihr Ausflug mit unseren Freunden?“ “Danke, herausragend, das lag nicht nur am Wetter.“

      Als ich meine Geschenktüte auspackte, wehrte er stark ab. “Oh nein, das hätten Sie nicht tun sollen.

      Der Bordeaux ist gut, das wissen Sie! Doch ob die Briefe so gut sind, das können Sie nicht wissen.“

      Er überreichte mir eine Briefmappe. „Schön, hier sind sie. Die sind alle fertig geschrieben worden.“

      Es kam zu unerwartet. Ich konnte mein Erschrecken nicht verstecken, plötzlich trat Angst auf, dass

      ich sie nicht wiedersehen könnte. Wo sonst? Hätte ich dazu überhaupt eine Chance oder ein Recht?

      Erst jetzt kam es mir in den Sinn, dass ich kein einziges Mal in Erwägung gezogen hatte, ich würde

      die Briefe nicht persönlich von Frau Fröhlich überreicht bekommen, zu mindestens im Beisein von

      Herrn Larson. War es nicht anerkennender, dass er sich als Chef dafür seine Zeit genommen hatte?

      Als ich die Briefmappe von ihm entgegennahm, drückten wahre Enttäuschung und Verwirrung auf

      mich herab wie eine schwere Wolkendecke. Herr Larson merkte es zwar, aber begriff nichts davon.

      Geduldig wartete er, bis ich meine Sprache wiedergefunden hatte. „Das ist wirklich freundlich von

      Ihnen, Herr Larson. Ich – äh -, meinen Sie nicht, dass ich auch Frau Fröhlich begrüßen sollte, denn

      ich habe – äh,- auch ihr ein kleines Geschenk mitgebracht.“ “Sie sind zu nett. Soll ich es ihr geben?

      Ich weiß nur nicht, ob sie heute morgen zu unserem zweiten Büro hinüber gegangen ist, wo sie ist?

      Sie hatte heute morgen etwas vor, sagte man mir.“ Unglaublich, er weiß von nichts, durfte, konnte

      es überhaupt wahr sein? Jetzt spürte ich Erleichterung. Wenn er so kurzsichtig ist, wird es leichter,

      kann ich mich unbefangener vor ihm bewegen, jetzt wusste ich, dass ich sie wiedersehen musste in

      jeder