Jaqueline Merlin

Elisa


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ließ, um sich von mir zu verabschieden. Es war seine kleine Prinzessin,

      mit der er mich gekrönt hatte. Er kannte sich in manchem aus, ohne sich darin ganz bewusst zu sein.

      Erst als ich auf die Straße trat, bemerkte ich wieder meine Frühstücks-Tasche, die ich bei Jani leerte

      zum Abendbrot für Lotte und ihn. Sie hatten nichts gekocht, freuten sich über diese Aufmerksamkeit

      und nahmen es selbstverständlich, als ich vorgab, eine spontane Einladung mit Bekannten zu haben.

      Es hätte nichts ausgemacht, wenn ich gesagt hätte, dass ich mit dem Mädchen, das mir meine Briefe

      getippt hatte, zum Abendessen verabredet war. Wegen eines aber gläubigen Widerwillen ließ ich es.

      Mein Treffen hätte Lotte und Jani geschmeichelt. Lotte war nicht zu neugierig, nun, doch lieber nicht.

      IM RESTAURANT KOPJE - 5. KAPITEL -

      Unser Kopje am Kai war voll, was mich nicht überraschte. Mittags hatte ich telefonisch einen Tisch

      bestellt und mich mit dem Oberkellner abgesprochen in der Auswahl eines Weines zum Kaltstellen.

      In Dänemark gibt man das Trinkgeld nicht im Voraus und kann Speis und Trank am Telefon ordern

      nach Lust und Laune. Dies bedeutet, dass man nicht lange auf Essen und Getränke warten muss.

      Mein reservierter Tisch befand sich im hinteren Teil des Restaurants vor der Spiegelwand mit Sims.

      Zehn Minuten vor acht nahm ich Platz und bestellte mir einen Tee. Ich saß gegenüber vom Eingang

      und hatte so freie Sicht. Zehn Minuten nach acht wurde ich nervös, dass ich mich beruhigen musste.

      Abwarten und Tee trinken. Ich blätterte in der Tageszeitung, konnte mich nicht in irgendeine Sache

      wirklich rein lesen. Es war nur Schau wie das frühere Versteck meines Vater‘ s im Garten, wenn er

      seine Vögel beobachtet hatte. Wie lange Zeit solche veralteten Gepflogenheiten überdauern können.

      Kurz danach sah ich sie – im Spiegel – draußen, während zwei Männer ohne Begleitung die Glastür

      durchquerten. Sie hatte ihre Hand schon am Türgriff, als sie die wieder zurücknahm und die Herren

      ihr mit unverhohlener Bewunderung die Tür weit aufhielten und nachblickten. Der eine nahm seine

      Zigarre aus dem Mund, weil sie sonst herausgefallen wäre. Sie ging durch sie hindurch, blickte erst

      zum einen und schenkte ihm ein Lächeln, dann zum anderen mit einem zweiten anmutigen Lächeln.

      Beide verharrten kurz in Faszination, als sie direkt zum Oberkellner hinüberging und ihn ansprach.

      Elisa erschien in einem cremeweißen Cape, das bis über ihre Knie ein dunkelblaues Kleid bedeckte.

      Ihr schwarzes Haar fiel locker darüber und wurde von einer kleinen, Perlen besetzten Spange direkt

      an ihrem linken Ohr gehalten. Ein Täschchen stellte sie auf den Tisch und fragte den Oberkellner in

      amüsanter Art, dass er zu lächeln begann und seine steife Haltung verlor, wo hier die Garderobe sei.

      Er verbeugte sich kurz und führte sie hin. Er nahm ihr das Cape ab, wartete ein paar Minuten, bis es

      vor dem Spiegel stimmte und geleitete sie zu meinem Tisch. Quer durch das Restaurant, wobei sich

      einige Gäste nach ihr umdrehten, folgte sie dem Oberkellner in einem azurblauen Kleid, das Taillen

      nahe geschnitten war mit weit fallender Glocke. Das Chiffontuch harmonisierte farblich nicht genau.

      Sie trug es wie den letzten Mode-Hit. Ein Band am linken Handgelenk ergänzte es mit dem goldenen

      Armband, das sie von mir bekommen hatte. Das Kleid hätte man überall wie von der Stange kaufen

      können. Wenn daraus eine Kreation geworden war, so weil sie es anders trug mit schickem Zubehör.

      Es sah aus, als würde sie über den Laufsteg flankieren, während die meisten zum Publikum wurden.

      Im Gegensatz zu ihr wirkten andere solide gekleidet, einfach und bieder bis hin zur festlichen Robe.

      Als sie mit dem Oberkellner meinen Tisch erreicht hatte, erhob ich mich rasch und begrüßte sie auf

      deutsch: „Guten Abend, Frau Fröhlich.“ Sie reichte mir ihre Hand und erwiderte auf englisch: “Das

      tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“ „Ach wirklich?“ „Nein, nicht richtig.“ Ihre Zungenspitze

      tauchte kurz zwischen den Lippen auf, wie bei einem leicht spöttischen Witz, der ihr gelungen war.

      Die Ellenbogen auf dem Tisch, das Kinn auf die Finger abgelegt, saß sie mir gegenüber. „Madame

      möchten einen Drink?“ fragte der Kellner. Ich zog die Augenbrauen hoch. „Was soll ich nehmen?“

      „Gin Tonic? Martini? Sherry?“ „Aber das sollen Sie doch sagen.“ Ich bestellte einen roten Martini,

      holte ein Päckchen Zigaretten hervor und hielt ihr eine hin. „Ich rauche nicht. Sie doch auch nicht.“

      „Nein, woher wissen Sie das?“ „Ich weiß es einfach.“ „Dann kann ich dieses Päckchen weggeben.“

      „Ein wunderschönes Cape, das Sie soeben getragen haben.“ „Och, das gehört mir nicht. Ich habe

      es nur ausgeliehen, David.“ Weite Augen, leichtes Kopfschütteln, als hätte ich das wissen müssen.

      „Sie kennen meinen Namen?“ „Und Sie meinen nicht?“ „Nicht ganz, ich möchte ihn gerne wissen.“

      „Elisa Fröhlich“, sie spickte mit ihrem Finger zweimal in die Luft: „FRÖHLICH mit zwei Pünktchen!“

      Der Oberkellner, der uns gewiss übernommen hatte, brachte zwei überdimensional große Karten.

      Sie streckte gleich die Hand nach einer aus, damit sie uns nicht die Sicht versperrte. Ich war nun

      gespannt, ob sie sich auch das Essen von mir aussuchen lassen würde. Sie ging die Speisekarte

      ausführlich durch und entschied sich für das Cordon bleu mit Kartoffelkroketten und den Chefsalat

      mit hartgekochten Eiern, nachdem sie sich ausführlich nach den einzelnen Zutaten erkundigt hatte.

      Als sie endlich fertig war, den Kellner nach unzähligen, überbackenen Gemüsesorten zu befragen,

      bestellte ich mir einen großen Teller Weinbergschnecken in Knoblauch und jenen Mixed Grillteller.

      „Ihr Englisch ist ausgezeichnet, Elisa. Wo haben Sie es gelernt?“ „In Kopenhagen spricht doch fast

      jeder bestes Englisch, finden Sie nicht?“ „Also leben Sie schon eine ganze Weile hier in der Stadt?“

      „Kopenhagen ist doch wirklich eine wunderschöne Stadt. Es muss hier schöner sein als in London.

      Sind Sie darum lieber hier? Zum Glück wohne ich nicht mitten in London sondern nördlich davon.“

      „Woher aus Deutschland kommen Sie?“ „Och, ich vergesse oftmals, dass ich aus Deutschland bin.

      Kleine Dinge vermisse ich manchmal - wie Weihnachten oder das Winzerfest. Ja, wenn alles geht.“

      „Sagten Sie,- wenn alles geht?“ „Ja, oft glaube ich es sogar.“ „Dann sollten Sie auf ein Winzerfest.“

      Sie aß auf deutsche Art mit ernstem Vergnügen und unbefangener Gier, bis auf den letzten Bissen,

      sehr