Jaqueline Merlin

Elisa


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      eine ekelige Travestie als Verhöhnung zu Gottes inkarnierter Reinheit und Reiche.

      Jetzt sah ich es genau,- bloße Lügen, brutale Phantasien, um Mädchen sowie Frau

      Robin zu täuschen, bis ihre Körper, gewürgt, gekrallt, geschändet, dann vergraben

      werden konnten. Dies Zerrbild dessen Name – Ich fiel auf den Boden, erbrach den

      Tee auf dem Teppich, trommelte mit meinen Fäusten,- keuchte lauthals: „Winfried!“

      Es war vier Jahre her, dass eine Kreatur „Winfried“, ein Massenmörder an Frauen

      und Mädchen wegen Schändung und Mord an sieben Frauen und einem Mädchen

      neutralisiert worden war, wie sie es nannten. Ein Scharfschütze hatte es geschafft,

      ihn zu erschießen, als „Winfried“ gegen die Polizei ein Feuer zündete, um wieder

      zu entkommen. Man hatte Jahre nach ihm gesucht in Furcht vor weiteren Morden.

      Robin zog sich gut aus der Affäre. Er riss mich augenblicklich vom Boden auf die

      Füße und brachte mich sofort an die frische Luft. Mein Gesicht säuberte er eiligst

      mit einem Handtuch, das er wie im Vorübergehen von einem Stuhl fassen konnte.

      „David, reißen Sie sich zusammen! Er riss Unkraut aus frischem Rasen und hielt

      es mir vor die Nase. „Da, riechen sie es? Zählen Sie die Telefondrähte da oben!“

      Meinen Kopf zog er in den Nacken und forderte mich auf: „Los, zählen Sie diese.“

      Mir klapperten die Zähne, mir war kalt. Doch tat ich, was er sagte und zählte laut.

      Als wir wieder drinnen waren, war Tim verschwunden. Frau Robin hatte geweint.

      „Das tut mir furchtbar leid, David!“ sagte sie traurig. „ Können Sie mir verzeihen?“

      Sie irritierte mich. Für mein Alters von 16 Jahren hätte ich gemeint, dass ich derjenige

      sei, der sich doch bei ihr hätte entschuldigen müssen, weil ich die Harmonie zerbrach.

      Sie hatte den Schmutz beseitigt in der kurzen Zeit, in der ich mit ihrem Mann draußen

      war. Ich säuberte mich, nahm von der Mundspülung, die im Bad stand, gurgelte lange

      und spuckte aus, was ich zuvor erlebt hatte. Robin brachte mich zurück zum College.

      Nach ein paar Schritten sagte ich: „War es das, was Sie suchten?“ „Klar doch!“, sagte

      er knapp in dem Ton, als wollte er keine weitere Silbe darüber verlieren. „David, hören

      Sie, eine ungewöhnliche Fähigkeit oder Begabung ist Ihnen zu eigen. Wie auch immer

      man es nennt, ich will Ihnen nur raten, davon die Finger zu lassen!- Versuchen Sie nie,

      das herauszufordern oder so etwas noch einmal zu tun, verstanden?

      ERKENNTNIS UND WARNUNG

      Die Nachmittagssonne stand im September schon niedrig und tauchte das Stoppelfeld

      golden, durch das unser Feldweg führte. Robin zupfte eine vergessene Weizenähre ab

      und drückte ein Korn heraus. „Dies war mal der Anfang des Feldes. Sie können dieses

      eine Korn zerbeißen, an einer ganzen Ähre würden Sie ersticken. Dies ganze Feld wär

      sogar für Sie unbegreiflich wie unüberwindbar.“ Dann steckte er sich das Weizenkorn in

      den Mund und kaute drauf. „Tim hat meiner Frau in die Hand versprochen, niemandem

      davon was zu erzählen. Sie und ich werden auch schweigen. Es wäre gut für Sie, wenn

      Sie nirgendwo mit keinem über diesen Vorfall sprechen.“ Er überlegte. „Es gilt für heute,

      morgen sowie für alle Zeit Ihres Lebens!“

      Ich war Robin dankbar für sein Verhalten und versicherte ihm, das als erledigt zu betrachten.

      Mir war auch bewusst, wie ihm es ergangen wäre, wenn das an die Ohren des Rektors oder

      meiner Eltern gedrungen wäre. Sie hätten es ihm zum Vorwurf gemacht, was ich nicht wollte.

      Doch blieb mein außergewöhnliches Erlebnis nicht ganz verborgen. Mir war immer noch übel,

      kalt und zittrig. Nach dem College-Tee ging ich zur Hausmutter hoch, die Untertemperatur bei

      mir feststellte und mir die Lektion über „nasse Füße beim Fischen“ erteilte, womit sie mich am

      nächsten Tag ins Bett steckte. Ich war froh, nicht der Neugierde ausgeliefert zu sein, die in der

      Abwesenheit bei meinen Mitschülern entstanden war, ob es gut war bei Robin und seiner Frau?

      Ihnen brühwarm ausgesetzt zu werden und all ungewollten, aufdringlichen Fragen ausgeliefert,

      fühlte ich mich jetzt nicht gewachsen. Ich blieb ein wenig geschwächt,- was reine Erkältung für

      sie war. Eine willkommene Ausrede, die überall selbstverständlich angenommen wurde, basta!

      Trotzdem musste etwas durchgesickert sein, als mich Nike ein paar Tage später im Speiseraum

      am Arm festhielt und fragte: „Nun sag‘ schon, wie war es, mit Frau Robin nachmittags Tee zu

      trinken?“ Schon damals schien es mir als klassisches Beispiel der Projektion eigener Begierde

      auf die andere Person. Eine Tatsache war, dass ich Schmerz und Erniedrigung empfand, nicht

      für meinen hysterischen, unkontrollierten Anfall in Robins Salon, sondern wegen meiner recht

      schändlichen Reaktion auf diese Berührung von Frau Robins Hand. Mir war das lange peinlich.

      Wenn ich in der Angelegenheit sensibel, wenn nicht puritanisch war, lag es in meiner Kindheit.

      Der Grund war ambivalent schroff und zugleich schützend, der angab, dass ich körperlich kein

      wenig anziehend, wenn nicht hässlich war. In meiner Phantasie eine Art Vertrauter, der mir oft

      auf den Fersen war. Ich glaubte dies selbst vor dem Spiegel und fühlte das gleiche bei anderen.

      „Wie schade, dass kein schöner Junge aus ihm geworden ist,“ hörte ich eine Nachbarin auf der

      Sommerterrasse, als ich acht Jahre alt war. „Wobei doch die Mutter so reizend aussieht,“ sagte

      die Dame gegenüber, die bei ihr zu Besuch war. Ein Jahr später bot ich einer Klassen-Schönen,

      einem verzogenen, blondgelockten Mädchen, zögernd einen Sahnebonbon an, worauf sie kund

      tat: „Danke, Schweinsgesicht!“ Sie lutschte diesen Bonbon erst in meiner Abwesenheit,- und wie

      sie es gesagt hatte, war ich fest im Glauben, dass auch die anderen mich so hässlich benannten.

      Kurz und knapp hatte sie es gesagt, aber nicht unfreundlich. Ich wendete mich wortlos von ihr ab.

      Ich betrachtete es als meine Bestimmung und mied jede körperliche Berührung im Sinn der Liebe.

      Doch lag auch ein Stolz darin, sowie ein Gelähmter es umgeht, eine Hand oder Stütze gereicht zu

      bekommen. Jene Menschen, die ich liebte, auch meine Mutter, hielt ich auf schützendem Abstand.

      Wenn sie mir selbst wahre Freude und Übermut zeigten, mich im Gesicht küssten oder umarmten,

      erstarrte ich wie ein Hase auf freiem Feld, der den Flügelschlag des Habicht über sich wahrnimmt.