Peter Wolff

Vendetta Colonia


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      „Das haben wir alles Euch beiden zu verdanken.“

      „Red' nicht so einen Blödsinn, tata“, entgegnet Borna.

      „Aber es ist doch so. Ohne Euer Geld wären die Arbeiten am Haus kaum möglich gewesen.“

      „Es ist doch selbstverständlich, dass wir die Familie unterstützen“, sagt Davor.

      „Ihr seid zwei tolle Jungs. Ich bin mächtig stolz darauf, dass Ihr es in Deutschland geschafft habt.“

      „Und wir sind stolz auf Dich, Papa. Wie Du hier in der Heimat den Laden zusammenhältst – bist ja auch nicht mehr der Jüngste...“, Borna lächelt.

      „Im Anbau werden drei neue Zimmer entstehen. Genug Platz für uns alle, wenn alles fertig ist. Vorausgesetzt, Ihr wollt überhaupt zurückkehren.“

      „Sicher wollen wir das, nicht wahr, Borna?“, entgegnet Davor.

      Borna schweigt.

      „Mein ältester Sohn scheint sich da nicht so sicher zu sein“, mutmaßt Enver.

      „Ach, Papa, was soll ich sagen? Natürlich vermisse ich die Heimat, vermisse ich Euch.“

      „Aber?“

      „In Deutschland haben wir halt viel mehr Möglichkeiten.“

      „Heißt das etwa, Du willst nicht wieder zurück, großer Bruder?“, fragt Davor erstaunt.

      „Ich weiß es nicht. Die Zeit wird es zeigen. Zunächst einmal jedenfalls möchte ich Ana und die Kinder nachholen, wenn die beiden die Grundschule absolviert haben.“

      „Das sollst Du auch, mein Sohn. Und wenn Du danach das Gefühl hat, in Deutschland bleiben zu wollen, hast Du auch meinen Segen.“

      „Du bist der gütigste Mensch, den ich kenne, Papa.“

      „Hör' auf, sonst werde ich noch rot im Gesicht.“

      „Aber ich meine das genauso, wie ich es gesagt habe.“

      „Und ich schließe mich dieser Meinung an“, schaltet sich Davor ein.

      Enver umarmt seine Söhne.

      „Es ist ein großes Glück, Kinder wie Euch zu haben. Ich liebe Euch.“

      „Wir lieben Dich auch, Papa. Und nun lass uns ans Werk gehen. Schließlich sind wir nicht nur in die Heimat gekommen, um es uns gut gehen zu lassen.“

      33

      Guiseppe Scirellis Plan steht. Er hat sowohl im Ospedale die Maria Santa Maria Nueva als als auch im Casa di Cura alles in die Wege geleitet, damit das Kind von Clarissa Schmitz, sollte es behindert zur Welt kommen, unmittelbar nachdem es das Krankenhaus verlassen kann, im Pflegeheim untergebracht wird.

      Nun bedarf es nur noch der Zustimmung des Familienclans.

      Guiseppe lädt alle wichtigen Personen ins Haus seines Vaters Andrea ein, um von seinem Plan zu berichten.

      Gianni Scirelli, sein Sohn Paolo und dessen neue Freundin Raffaella sind die Ersten, die im Hause Andreas eintreffen.

      „Ciao, zio Gianni, ciao Paolo. Und wer ist diese reizende junge Dame?“, Guiseppe lächelt Raffaella an.

      „Versuch' es erst gar nicht, Guiseppe. Die gehört mir“, entgegnet Paolo. „Weißt Du, Raffaella, mein Cousin hält sich für unwiderstehlich und macht auch nicht davor halt, in der Familie zu wildern.“

      Alle lachen.

      „So, so“, Raffaella schüttelt den Kopf.

      Mittlerweile sind auch Francesca Tardea, ihre Tochter Luisa sowie Luigi und Alberta Tardea eingetroffen.

      Die Familie lässt sich im Garten des großzügigen Hauses nieder. Romina Scirelli hat den Tisch reichlich gedeckt, eine Minestrone, allerlei Antipasti, später soll noch Pasta gereicht werden.

      Die Hausherrin schenkt allen Wein ein und setzt sich zu der Familie an den Tisch.

      „Schön, dass Ihr alle gekommen seid“, ergreift Andrea Scirelli das Wort.

      „Ihr wisst ja, worum es geht. Mein Sohn Guiseppe hat sich darum gekümmert, was aus dem kleinen Jungen werden soll, den Clarissa Schmitz erwartet.“

      „Es wird ein Junge?“, fragt Francesca überrascht.

      „Ja. Der deutsche Arzt, der Clarissa mit einem Ultraschallgerät untersucht hat, hat das seinem italienischen Kollegen erzählt. Clarissa weiß es noch nicht.“

      „Der Kleine kommt aller Voraussicht nach behindert zur Welt.“

      „Oh nein, ist das traurig“, sagt Luisa Tardea mit leiser Stimme.

      „Aber nicht zu ändern“, entgegnet Guiseppe.

      „Und wir wissen alle, dass die Famiglia es sich nicht leisten kann, Schwäche zu zeigen.“

      „Schlimm genug, dass trotz der Ereignisse im Zweiten Weltkrieg in den mächtigen Familien immer noch dieses Denken existiert“, sagt Luigi.

      „Aber so ist es halt“, kontert Guiseppe. „Es gibt in den einflussreichen Familien gewisse Regeln und an diese muss man sich halten.“

      „Das wissen wir, mein Sohn. Und jetzt berichte uns von Deinem Plan, den Jungen betreffend“, fordert Andrea seinen Sohn auf.

      „Clarissa und Werner Schmitz kommen schon bald nach Italien. Wir werden dafür sorgen, dass Clarissa das Kind im Santa Maria Nuova zur Welt bringt. Nach der Geburt kommt der Junge ins Casa di Cura in Bergamo, ein Zimmer im Pflegeheim wird bereits eingerichtet, eine Krankenschwester, die sich mit Neugeborenen gut auskennt, ist schon engagiert. Dem Kind wird es dort an nichts fehlen.“

      „Und die Schmitzens haben ihr Einverständnis gegeben?“, fragt Gianni seinen Neffen.

      „Das brauchen sie nicht. Sie werden von alledem nichts erfahren.“

      „Was?“, schreit Francesca

      „Sie werden nicht wissen, wo der Junge ist. So ist es besser für alle.“

      „Du willst das Kind den Eltern wegnehmen? Das kann ich nicht glauben“, ereifert sich Luigi.

      „Es geht nicht anders. Mir ist auch nicht wohl bei dem Gedanken und ich habe schlaflose Nächte wegen der Angelegenheit. Aber Guiseppe hat recht. Wir können dieses Kind nicht in der Famiglia aufnehmen“, pflichtet Andrea Scirelli seinem Sohn bei.

      Für einige Momente herrscht Schweigen an der großen Tafel.

      „Und dem Kleinen wird es dort an nichts fehlen?“, fragt Francesca.

      „An gar nichts. Ich habe sogar extra einen Kinderspielplatz bauen lassen“, versucht Guiseppe, seine Tante zu beruhigen.

      „Aber denkst Du denn gar nicht an die Eltern?“, fragt Raffaella.

      „Für die ist es doch auch besser. Was ist das denn für ein Leben mit einem behinderten Kind“, sagt Guiseppe.

      „Guiseppe!“, weist ihn seine Mutter zurecht.

      „Ich werde regelmäßig hinfahren. Ich werde den Kleinen besuchen und mich um ihn kümmern“, betont Francesca.

      „Das sollst Du auch, Tante, das sollst Du auch.“

      „Ich weiß nicht, ob wir das Richtige tun. Gehen wir da nicht ein bisschen zu weit?“, sagt Gianni nachdenklich.

      „Wir haben keine Wahl“, entgegnet Andrea.

      „Doch, die hätten wir. Wenn wir diesen antiquierten Familienstolz endlich einmal in vernünftige Bahnen lenken würden“, wirft Luigi ein.

      „Antiquiert nennst Du das also, Luigi, ja? Schau Dich mal um, was unsere Prinzipien, was unser Familienstolz uns alles gebracht hat an Macht, an Wohlstand