Ewa A.

Du in meinem Kopf


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ist und man manchmal das Gefühl hat, einsam und verlassen zu sein.« Sie griff über den Tisch nach meinen Fingern und drückte sie. »Du und Dylan ihr seid für mich das Wichtigste. Leider kann ich nicht immer so für euch da sein, wie ich mir das wünsche. Und ... ich weiß nicht, was ich sonst noch tun kann. Also lass mich bitte das tun.«

      Für einen Moment schloss ich die Augen, um die Tränen zu verdrängen. »Mom, du machst dir viel zu viele Sorgen. Ehrlich. Dylan und mir geht es gut.«

      Mit zusammengepressten Lippen tätschelte Mom meine Hand. »Ich werde mich immer um euch sorgen. Jeden Tag, solange ich lebe.« Sie wischte sich verstohlen übers Gesicht, bevor sie sich erhob und den Tisch abräumte. Seit Dad sich vor elf Jahren von uns getrennt und sich fernab von uns ein neues, anderes Leben aufgebaut hatte, versuchte sie, stark für uns zu sein. Ihn zu ersetzen. Uns vergessen zu lassen, dass wir einen Vater hatten, dem wir egal waren, der sich eine neue Frau besorgt und neue Kinder gezeugt hatte.

      Traurig schaute ich ihr nach. Jedes Mal schaffte sie es, dass ich nach solch einem Gespräch alles Mögliche für sie tun wollte, damit sie sich nicht sorgte und vor Selbstzweifel zerfleischte.

       Mein Gott, zieh halt diesen beschissenen Minirock zu dem Date an, wenn das deiner Mutter so viel bedeutet.

      Aha, selbst Connor hatte sie um den Finger gewickelt. Kacke.

      »Okay«, hörte ich mich sagen. »Ich werde mich in Schale werfen und zu dem Date gehen.«

      Mit einem Schniefen drehte sich Mom zu mir. »Es wird dir gefallen. Du wirst sehen. Noah ist wirklich ein sehr netter Junge.«

      Mir kam es vor, als würde ich unter Schmerzen grinsen. »Ja, das hast du schon mal erwähnt.«

       Echt? Ohje, dann muss Noah wirklich ein Schleimer sein.

       Mit hundertprozentiger Sicherheit.

       Ich dachte erst, du sagtest das nur so, dass es ihr Date ist, aber sie zieht die Typen tatsächlich für dich an Land. Scheiße Mann, welcher Kerl macht mit der Mutter ein Date für die Tochter aus?

       Ja, das frage ich mich auch immer wieder. Aber du hast ja gesehen, wie überzeugend sie sein kann.

      Mom schnatterte munter vor sich hin, während sie die Pfanne abwusch. »Seine Mutter Tanja, die die Backwaren betreut, ist ja auch so eine liebe.«

      »Ja, Mom, das hast du mir auch schon mindestens dreimal erzählt.«

      »Ach wirklich? Na ja, die beiden sind nun mal ganz bezaubernd.«

       Uh! Also wenn ein Typ bezaubernd ist, dann kann er ja nur ...

       Du hast ja keine Ahnung. Der Sohn vom Briefträger war auch ganz bezaubernd. Der vom Hausmeister ebenso wie der vom Fleischlieferanten. Der von ihrem Radiologen. Der von ihrer Maniküre. Allesamt waren zauberhaft.

      Connor grunzte. Und? Wie waren sie wirklich?

       Oh, sie waren einiges. Mein erstes Date zum Beispiel, hatte mehr Interesse an der Bedienung als an mir.

       Was? Er hat eine andere angebaggert, während er mit dir das Date hatte?

       Was daran lag, dass ich ein Mädchen war und die Bedienung ein Kerl, der ihm gefiel.

       Oh, oh, ich verstehe.

       Ja, leider hatte sein Vater keinen Schimmer davon und mein Date wollte daran auch nichts ändern. Deswegen haben wir uns letztlich gemeinsam stundenlang Make-up-Tutorials auf Insta reingezogen.

       Sowas schaust du dir an? Danach siehst du gar nicht aus.

      Hatte sich meine Laune trotz der Aussichten auf ein weiteres Date gerade noch ein Stück weit gebessert, weil ich glaubte, sie wären nicht nur wegen mir alle verkorkst verlaufen, schlug sie nun wieder im Keller auf. Bam! Welches Mädchen hörte schon gerne, dass sie wie ein ungepflegtes Stück Holz aussah? Vor allem, wenn man zuvor schon als schmuddelig bezeichnet wurde.

       Danke, Connor. Sehr freundlich. Du bist echt so ein Arsch!

       Hey, das ... das war nicht so gemeint. Was ich damit sagen wollte war, du ... du wirkst immer so ... natürlich. Dein Gesicht ist nicht so ... maskenhaft wie ...

       ... bei deiner Freundin Brianna?

      Ha, Treffer! Meine Spitze hatte ihr Ziel nicht verfehlt, denn Connor stockte.

       Wie bei anderen Mädchen wollte ich sagen. Aber das ist ja auch egal. Erzähl mir von den anderen Typen, die dir deine Mom aufgerissen hat.

       Warum sollte ich?

       Ich weiß nicht, weil es witzig ist, weil ... du witzig bist.

       Ich bin witzig?

       Das war ein Kompliment, wie das andere auch.

       Dann verrate ich dir mal was, Connor: Komplimentemachen zählt nicht gerade zu deinen Stärken.

       Eigentlich schon, nur bei dir ...

       Achso, jetzt bin ich schuld, weil du dich mies ausdrückst, oder wie?

       Nein, du bist einfach nur ... anders als andere Mädchen. Und ich muss mich nun mal erst darauf einstellen.

       Aha. Sollte das wieder ein Kompliment sein?

       Im Grunde schon.

       Du machst mich fertig, Connor.

       Also, wie lief es mit deinen restlichen Dates?

       Du willst es wirklich wissen, oder?

       Sagte ich das nicht? Oder fischst du jetzt bloß nach weiteren Komplimenten?

       Nein, warum sollte ich scharf auf Komplimente von dir sein?

       Herrgott, Hazel! Das weiß ich doch nicht. Erzähl mir jetzt von deinen Dates oder lass es sein!

       Kein Grund, gleich so auszurasten. Ich mach ja schon.

       Na endlich.

       Also ein anderer Kerl, den Mom für mich aufgabelte, war dermaßen schüchtern, dass er mich weder anschauen noch mit mir sprechen wollte. So einen schweigsamen Ratespielabend habe ich seitdem nie wieder erlebt. Dann war da noch der Gamer, der sich den Burger einpacken ließ und es übereilig hatte wieder nach Hause vor seinen PC zu kommen. Definitiv mein kürzestes und schnellstes Date. Ach, dann gab es noch den Verschwörungstheoretiker, der schon die ersten Züge einer Paranoia hatte. Wir mussten uns in das dunkelste Eck des Diners setzen, weil er befürchtete, dass uns doch noch irgendwo Kameras belauern könnten. Als er mich zudem hin noch drängte mein Smartphone auszuschalten, weil man uns abhören und orten würde, beendete ich das Date. Im Nachhinein vermute ich, dass er auf der Flucht war und sich für einen Whistleblower hielt.

      Connor lachte.

       Warte. Das interessanteste Date war aber das mit dem Hypochonder, der mehr Pillen und Tabletten aß als Pommes. Ehrlich ich wusste nicht, dass man sich so viele Krankheiten auf einmal einbilden kann, bloß weil man furzen muss. Das letzte Date entpuppte sich als geistig minderjähriger Spanner, der mir ständig auf den Busen glotzte.

      Connors Lachen schallte in meinem Kopf. Es klang angenehm und ansteckend, so dass ich den Rest meines Spiegeleis mit einem Grinsen im Gesicht hinunterschluckte.

       Wow, deine Mutter hat echt ein Händchen für schräge Typen.