Ewa A.

Du in meinem Kopf


Скачать книгу

in Einklang zu bringen. Doch meine linke Schulter schwang ständig übertrieben von hinten nach vorn, während mein linker Ellbogen es vorzog, sich so weit weg wie möglich von meinem Körper aufzuhalten, als wollte er ein laues Lüftchen unter den Achseln wehen lassen. Der linke Hüftknochen drängte sich bei jedem Schritt vorwitzig in den Vordergrund. Weiß der Geier, warum er das tat. Der Gang verhielt sich komplett gegsätzlich zu meinem gewöhnlichen. Ich bewegte mich wie eine besoffene Ente mit zwei linken Flossen.

      »Hazel, was machst du da? Wie läufst du denn?«, fragte Sam auch schon hinter mir.

      »Ähm, die linke Seite tut mir etwas weh. Muss mir beim Sturz wohl was geprellt haben.«

       Geniale Ausrede, Hazel. So wird sich deine Freundin keine weiteren Gedanken mehr machen, wenn wir wie ein vollgedröhnter Kiffer durch die Gegend torkeln. Aber jetzt müssen wir so schnell wie nur möglich zum Longshaw Peak hoch. Wir müssen meinen Körper suchen.

      Sam prustete in sich hinein. »Na, wenn du so bei deinem nächsten Blind Date auftauchst, als der Glöckner von Notre Dame, wirst du wahrscheinlich den Kerl schneller loswerden, als du dir eine Cola bestellen kannst.«

       Okay, ich hab schon verstanden. Ich werde versuchen ... weiblicher zu gehen – oder was auch immer. Aber jetzt lass uns endlich umkehren. Beeil dich! Bitte!

      Plötzlich legte mein Körper eine Linkswendung hin und stürmte mit der linken Seite voran, während die rechte hinterher geschleift wurde.

      »Nein! Halt!«, schrie ich überrascht auf und wehrte mich gegen die Kraft, die mich in die entgegengesetzte Richtung drängte.

      »Was ist? Hast du was vergessen?«, fragte Sam.

      »Ja«, purzelte es aus mir ungewollt heraus. »Nein«, behauptete ich aber gleich darauf wieder und versuchte, das Seilziehen in meinem Körper zu gewinnen. Währenddessen schleppte er sich bereits an Sam vorüber, die mir mit offenstehendem Mund hinterherschaute.

       Hazel, bitte. Vielleicht liege ich da irgendwo und verblute gerade. Wenn du mich also loswerden willst, muss mein Körper am Leben bleiben. Wir müssen ihn finden und Hilfe holen.

      Geschockt hielt ich die Luft an. Was, wenn ich nicht verrückt war? Wenn Connors Geist wirklich in meinem Körper gelandet war? Was war dann mit seinem passiert?

      Also gut, zischte ich in Gedanken, wir, ich gehe zum Longshaw Peak hoch. Aber du hältst dich von nun an aus meinen Körperfunktionen raus, Connor Ward.

       Okay. Abgemacht. Ich weiß nicht, ob das klappt, aber ich versuche es. Nur bitte, renne jetzt so schnell du kannst zum Longshaw Peak. Bitte.

      Ich spürte, wie ich die volle Gewalt über meinen Körper zurückbekam. Noch im Laufschritt drehte ich mich nach Sam um. »Tut mir leid. Mir ist eingefallen, dass ich doch noch etwas erledigen muss. Bis dann.« So schnell wie meine Beine mich trugen, rannte ich den Weg zurück, den ich gerade mit Sam entlang geschlendert war.

       Danke!

      Über eins solltest du dir jedoch im Klaren sein, Connor, sprach ich im Geiste zu mir oder vielmehr zu uns. Wenn das hier, wie du sagst, ein Traum ist, werde ich deinen Körper vermutlich nicht finden. Und außerdem, fühlt es sich für mich ganz und gar nicht wie ein Traum an, sondern erschreckend real und ... absolut irrsinnig. Wollte ich nur mal gesagt haben.

      3. Dinge, die man nicht sehen will

      Ich hetzte zur Lincoln Lane, die unterhalb des Longshaw Peaks verlief und zur anderen Seite ins Villen-Viertel Queens und damit auch auf den Weg führte, den viele Jogger für ihr Lauftraining benutzten.

       Hazel, warte! Lass uns erst hier unten nach meinem Körper schauen. Ich könnte auch den Abhang heruntergerollt sein.

      Okay, wenn du meinst.

      Ich konnte nicht glauben, dass ich mit mir selbst oder mit der Stimme von Connor redete und auch noch tat, was die von mir verlangte.

       Falls dir das ein Trost ist, ich kann es auch nicht glauben. Und ja, ich kann deine Gedanken hören, auch wenn du sie nicht direkt an mich richtest.

      Scheiiiiße, ich konnte nicht mal ein kleines Geheimnis für mich behalten? Er hörte alles? Ohje, wirklich alles? Sogar ... Ich traute mich nicht, den Gedanken zu Ende zu denken und doch entstand er in meinem Kopf.

       Ja, ich höre alles. Auch, dass du mich blöd ... und süß zugleich findest? Okay, das ist nett, aber nur zur Info, kein Kerl möchte als süß bezeichnet werden.

      Heilige Scheiße, der hörte echt jedes Wort. Ob laut oder heimlich gedacht.

       Übrigens: Mädchen möchten auch nicht als niedlich bezeichnet werden. Nur, weil wir vielleicht nicht so groß sind wie ihr Jungs, heißt das noch lange nicht, dass wir klein sind.

       Sag mal, was ist eigentlich dein Problem? Ich mach dir ein Kompliment und du ...

      Nein, was ist dein Problem? Du hast doch damit angefangen. Mit einer tief klingenden Stimme äffte ich ihn im Geiste nach: Typen möchten nicht als süß bezeichnet werden, du niedliche Schmuddel-Hazel.

      Ein männliches Lachen erklang in meinem Kopf. Du bist echt witzig.

       Und du bist doof.

       Immer noch besser als tot. Also halte jetzt bitte die Augen nach meinem Körper offen. Vielleicht liegt er hier irgendwo an einem Baum oder auf einem Felsen zerfetzt herum.

      Außer Atem hatte ich mittlerweile die Lincoln Lane erreicht und drosselte meinen Gang in einen lockeren Laufschritt.

       Na, du gerätst ja ganz schön schnell aus der Puste. Könntest ein bisschen mehr Sport treiben, was?

       Und du könntest einfach mal die Klappe halten, was?

      Über mein lautes Atmen hinweg vernahm ich ein leises, inneres Prusten, das ich jedoch ignorierte. Wortlos konzentrierte ich mich auf die gegenüberliegende Seite und suchte nach Connors Körper. Ich war nun am Fuß des Longshaw Peaks, dessen steiler Hang von großen Felsen, aber auch von kleinen Geröllhalden und einzelnen Bäumen übersät war. Das schroffe Gelände war schlecht einzusehen. Es gab zu viele versteckte Winkel und die Dämmerung machte es auch nicht besser. Dementsprechend langsam kam ich mit meiner Suche voran. Ich wanderte die Straße ein Stück weiter. Die Augen stets auf das Gefälle und den Graben gerichtet, die sich hinter der schwach befahrenen Straße erstreckten.

      Da ist nichts, stöhnte ich in Gedanken. Wir näherten uns allmählich der weitläufigen Kurve, die um den Hügel herum und zu den anderen Viertel von New Stamford führte.

      Bist du dir sicher, dass du hier irgendwo liegen müsstest? Ist das die richtige Stelle?, frage ich Connor im Stillen.

      Ich weiß es nicht genau. Es war nur eine Vermutung, dass mein Körper hier sein könnte. Wahrscheinlich liegt er doch noch oben bei den Felsblöcken irgendwo.

      Ich schaute zu den Felsbrocken hoch, die über mir den dahinter verlaufenden Weg abschirmten.

       Also gut, lass uns dort hoch gehen.

      Einen Zahn schneller als zuvor lief ich weiter, ließ die Kurve hinter mir und erreichte bald die Kreuzung, wo sich die Lincoln Lane und die Longshaw Road trafen. Letztere eilte ich entlang. Doch wegen der Steigung wurde ich immer langsamer. Ich schnaufte wie eine zigarrenabhängige Dampflok und bekam zu allem Übel auch noch Seitenstechen.

       Alter, kratz mir jetzt bloß nicht ab.

       Wieso? Dann hättest du meinen Körper für dich allein.

       Um Gotteswillen,