Gary Reich

Destination Berlin


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ein kleines Sicherheits-Ass im Ärmel vorbereitet, um ihn im Notfall in Zaum zu halten - man weiß ja nie.

      Am Freitagabend habe ich sehr viel Spaß bei der Einweihungsparty. Nicht nur, weil ich mir das dumme Gesicht meines Erzeugers beim Lesen meines kleinen Artikels vorstelle (und wie er sich anschließend wieder besäuft, unter seinem Schreibtisch liegt und sich und den Büroteppich vollpisst), oder weil ich etwas angetrunken bin.

      Nein, auch weil ich mit Sarah bei „Tabu“ in einen Team bin und wir zusammen die anderen Teams richtig alt aussehen lassen. Bei den Beschreibungen verstehen wir uns fast telepathisch und wären sicherlich auch privat ein tolles Team. Quasi zwei Singles, die ein richtig gutes Album wären.

      Ich vertraue ihr wie kaum jemand anderen und lasse mich sogar von ihr umarmen - und dass, obwohl ich sie erst wenige Monate kenne. Für jemanden wie mich extrem ungewöhnlich. Ja, ich habe es nicht so mit „Körperlichkeiten“. Zumindest damals nicht.

      Aber für besondere Menschen kann sogar jemand wie ich sich öffnen. Dass sie mich zumindest ganz gut leiden kann ist offensichtlich. Dass ich sie ganz gut leiden kann, für ein aufmerksames Auge eigentlich noch viel mehr. Für mehr fehlt aber zumindest mir der Mut. Noch, denn irgendwann würde ich ihr sagen, was ich für sie empfinde.

      Ganz bestimmt!

      Vielleicht …

      Am nächsten Vormittag (Juhu: Samstag) - ich bin gerade nach Hause gekommen - klingelt das Telefon. Es ist meine Mutter.

      „Der Alte“ (wie er verächtlich von ihr genannt wird, obwohl sie altersmäßig nicht einmal vier Monate trennen) hätte ihr panisch auf die Mailbox gesprochen und muss sich unbedingt mit ihr treffen, weil „jemand die Firma bedrohe“.

      Ich kann mir ein lautes Lachen nicht verkneifen und erzähle meiner Mutter schließlich mit einem gewissen Stolz, was ich getan habe. Sie findet es zwar auch durchaus amüsant, macht sich aber gleichzeitig Sorgen, dass „der Alte“ austicken könnte.

      Also erzähle ich ihr auch noch von meinem „Sicherheitsnetz“, einen hinterlegten Brief, in dem all seine Gaunereien detailliert aufgelistet sind und von dem zu diesem Zeitpunkt nur zwei Personen unabhängig voneinander wissen, wo sich dieser befindet.

      Meiner Mutter habe ich es nicht verraten - nicht, weil ich ihr nicht vertraue, sondern weil das nun wirklich zu offensichtlich wäre. Sie möchte es auch aus genau diesem Grund gar nicht wissen.

      Etwa eine Stunde später rief mich meine Mutter erneut an und sagte mir, dass „der Alte“ nun „herausgefunden“ hätte, dass ich hinter der Aktion stecke.

      Wirklich? Wow! Dieses kleine dauer-blaue Sherlock-Genie braucht einen ganzen Tag um auf das offensichtliche zu kommen? Respekt! Und nun?

      Tja, jetzt kommt wohl der Teil mit dem Nervenkitzel …

       23

      Samstag, 13. Juli 2013

      Es ist ein recht warmer und sonniger Sommerabend.

      Seit Wochen hatte ich mir vorgenommen, mir mal noch die eine oder andere Location in Forchheim anzuschauen, die ich noch nicht kenne. Nicht, dass es in Forchheim allzu viele sehenswerte Locations geben würde.

      Ansonsten war ich als Gewohnheitstier immer nur im „Schlawiner“ oder im „Saitensprung“, dessen Namen so mancher aufgrund fehlenden Intellekts falsch interpretiert hat. Und das, obwohl über dem Eingang extra eine übergroße, leuchtende Gitarre hing. Leider ein verschwendeter Hinweis für die Personen, die bisher - im Gegensatz zu dieser Gitarre - noch keinerlei Erleuchtung in ihrem Leben erfahren haben.

      Schließlich habe ich mich aufgrund geografischer Bequemlichkeit für die heimische Bar (meinem Wohnzimmer) entschieden.

      Zwei Huppendorfer, einen Whiskey-Cola und einer albernen Komödie später konnte mir die Welt an diesem Abend eigentlich gestohlen bleiben.

      Aber irgendetwas hatte dieser noch recht frühe Abend an sich, dass ich nicht komplett zu Hause hocken wollte. Irgendwas lag in der Luft. Und da ich noch nicht in der Hauptstadt wohnte (und daran auch noch lange nicht zu denken war), war es definitiv kein Pfefferminzlikör.

      Unter der Woche bin ich um diese Uhrzeit immer eine Runde mit dem Fahrrad Richtung „Sportinsel“ gefahren. Und an diesem Samstagabend drängte mich irgendetwas dazu, diese Regel zu brechen und an einem Samstag (what?!?) diese kleine 30-45-Minuten-Tour anzutreten.

      Als ich mein Fahrrad aus dem Schuppen (einen ehemaligen Waschraum mit Waschtrog) holte, lief mir mein Nachbar Jochen über dem Weg, der mir beiläufig erzählte, dass es beim „Arbeiter-Turn-und-Sportverein Forchheim„ (kurz: ATSV Forchheim) heute irgendeine Open-Air-Veranstaltung geben würde.

      Aha. Da wir uns in Forchheim befinden, kann das ja nichts besonders aufregendes sein - dachte ich mir zumindest.

      Ich drehte also meine übliche - bzw. für diesen Wochentag eher unübliche - Runde mit dem Fahrrad und dachte mir auf dem Rückweg, dass ich ja mal kurz beim ATSV einschlänkern könnte.

      Und tatsächlich: Musik - und zwar „richtige“ Partymucke.

      Wieder zu Hause angekommen beschloss ich dann ungewöhnlich spontan, an diesen Abend doch noch auszugehen. Immerhin lag der ATSV nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. So what (says „Red Zac“).

      Nach einer kurzen Dusche und ca. 30 Minuten später war ich also am umzäunten Sportgelände und hörte statt Musik nur irgendwelchen Hip Hop. Gaaanz toll.

      Aber für solche Fälle habe ich ja meine „3-Runden-Regel“:

      Ich drehe drei Runden um den Veranstaltungsort (meistens genügend Zeit, um einschätzen zu können, ob da auch noch andere Musik gespielt wird) und wenn mir die Musik dann immer noch nicht gefällt, dann geh ich wieder heim. Diese Regel hat sich schon bei so mancher Open-Air-Veranstaltung und Discotheken-Besuch bewährt.

      Nach der dritten Runde wurde zwar kein Hip Hop mehr gespielt, aber musiktechnisch war das irgendwie immer noch nicht so das Gelbe vom Ei.

      Aber eine innere Stimme hielt mich trotzdem vom Heimweg ab. Stattdessen begab ich mich genau in die entgegengesetzte Richtung.

      Am Stadtrand Richtung Autobahn gab es - so hatte ich es zumindest einige Wochen zuvor gelesen - eine Bar. Dorthin musste ich zwar gut 25 Minuten laufen, aber da ich mich an diesem Abend ohnehin schon von meinem gemütlichen Sofa aufgerafft hatte, konnte ich diesen kleinen Umweg nun auch noch in Kauf nehmen - und vielleicht würde es sich ja lohnen.

      Spoiler: Nein, tat es nicht! Zumindest nicht direkt, sondern über Umwege …

      Ich war der einzige Gast und nach einem Bier wollte der Betreiber die Bar dann gegen 22:30 Uhr schließen. Immerhin konnte ich einen Haken hinter „mal eine neue Bar ausprobiert“ setzen.

      Da das Veranstaltungsgelände des ATSV ohnehin auf dem Heimweg lag, wollte ich noch einmal kurz vorbeischauen, ob da überhaupt noch etwas los wäre - immerhin war es schon fast 23 Uhr und somit eigentliches Ende jeglicher Open-Air-Veranstaltung in Forchheim.

      Nachdem ich mich einige Minuten in der Nähe des Eingangs aufgehalten und nun den nötigen Schwung für den restlichen Heimweg hatte, sprach mich aus dem Dunkel plötzlich eine junge Dame an.

      „Entschuldigung, weißt Du zufällig was das hier für eine Veranstaltung ist?“

      Erst wollte ich instinktiv meine Arme nach oben reißen und ihr meinen Geldbeutel übergeben.

      Wir kamen schließlich ins Gespräch und sie erzählte mir, dass Sie mit dem Fahrrad eigentlich auf eine Geburtstagsfeier einer Freundin fahren wollte und beim Vorbeifahren hier Musik gehört hätte.

      Sie war 19 und ich noch keine 30. Und es war Sommer.

      Überraschenderweise unterhielt ich mich - anders als sonst mit mir unbekannten Menschen - normal mit ihr, ohne ihr als Abwehrreaktion schlechte Witze oder dämliche Sprüche um die Ohren zu hauen.

      Ok,