Robert Mirco Tollkien

Die Geburt eines finsteren Universums


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Kapitel 57

       Epilog I

       Epilog II

       Impressum neobooks

      Prolog

      Der langsame Untergang der Sonne

      Bevor das Zentralgestirn, welches in den Mittagsstunden ein Drittel des Firmamentes ausfüllte, sich allmählich anschickte, den langen Tag zu beenden, um dadurch die glühende Landschaft in einen Ort der Eiseskälte zu verwandeln, schwelgte der klägliche Überrest des einst hoch entwickelten Lebewesens in einer Kombination aus Traumsequenzen und Erinnerungen.

      Trostlos mochte diese Welt sein, aber wesentlich trostloser waren die besagten Erinnerungen und Träume. Glücklicherweise verhielt es sich mit der Wahrnehmung des abstrakten Gebildes der Zeit gänzlich unterschiedlich wie etwa bei einer Kreatur auf der Basis von Wasser und Kohlenstoff. Weil das rudimentäre Geschöpf seit Äonen an derselben Stelle verweilen musste und dabei stets in die finstere Vergangenheit blickte, wäre es bei anderer biologischer Beschaffenheit längst von Schüben arger Depressionen heimgesucht worden (übrigens, liebe Leserinnen und Leser, ist es nahezu unmöglich, den Namen des beschriebenen Wesens in irgendeine irdische Sprache herüberzusetzen. Daher verwenden wir an dieser Stelle allgemeine Begriffe).

      Vor dem inneren Auge zogen voller Schärfe die Blitze der Detonationen unheilvoller Waffen vorüber. Sie paarten sich mit den Bildern der ehemals prächtigen Heimat, die durch die strahlenden Bomben unwiederbringlich verlorengegangen war. Auch seine vergebliche Flucht in die Weiten des Kosmos hinein wiederholte sich kontinuierlich. Das zerstörte Wesen sah auch den für die Apokalypse verantwortlichen Dämon und dessen sadistische Handlanger. Die furchteinflößende Erscheinung des Weltenzerstörers kam unglaublich detailliert daher, während der Schmerz, den die Schergen ihm zu einem späteren Zeitpunkt geschenkt hatten, deutlich gespürt werden konnte.

      Leichte Unschärfe hielt Einzug in die Montage aus Bildern und Kurzfilmsequenzen. Da das Licht des Tages mit der lebensspendenden Energie darin schwand, verminderte sich die Gedächtnisleistung synchron mit dem langsamen Untergang der Sonne in dieser steinernen Welt ohne Hoffnung, bis mit der schier unendlichen Nacht der temporäre Tod einzöge.

       Der Verlust der Verbindung mit dem großen Netz des Kosmos war die zweite Katastrophe, die uns durch das Eingreifen der Pyramidenkreatur widerfuhr! Am Ende vereinten sich die Katastrophen zu einer einzigen, gigantischen Urkatastrophe!

      Milliarden Jahre nach irdischer Zeitrechnung lag diese Urkatastrophe mittlerweile zurück, doch dem Überrest kam es vor, als sei sie erst unlängst geschehen; vor vielleicht einer halben Stunde, vor vielleicht einer Handvoll an Zeitaltern, was für ihn keinerlei Unterschied ausmachte.

      Der Blick wanderte über die tote, eintönige Landschaft hinweg, fokussierte das dahinkriechende Schauspiel des Sonnenunterganges. In der Luftlosigkeit dieses Ortes blieb der Himmel stets schwarz, so dass die wundervollen Farbenspiele der uns bekannten Dämmerung nicht existierten. Jedoch sorgte die kaum erwähnenswerte Atmosphäre für beinahe ungebrochenes Licht und zauberte somit prächtige, konturstarke Schatten in die Szenerie hinein, von denen einer sich dem gebrochenen Geschöpf kriechend näherte.

       Oh, geliebter Heimatplanet, von dem fern ich mich befinde, was mag aus dir geworden sein nach all der Zeit? Oh, wundervolles Netz, zu dem den Zugang ich verloren habe, konnte irgendwer dich von den grausamen Manipulatoren befreien? Und du, bestialische Pyramidenkreatur, steigst du immer noch hinab von den kalten Sternen, um über die Welten der Sanften und Friedliebenden herzufallen?

      Seiner Langsamkeit zum Trotze erreichte der Schatten und mit ihm die Eiseskälte der Nacht das Wesen am Ende unaufhaltsam. Das Sichtfeld flackerte nun heftig, eine Kollage an Bildern flimmerte wirr vorüber, bevor es erneut von groben Störungen heimgesucht wurde und der temporäre Tod seinen Anfang nahm.

      Kapitel 1

      Zum ersten Mal traf ich Andreas Hillmann in den frühen Monaten des Jahres 2002.

      Damals studierte ich Geschichte und Latinistik an der Universität Bielefeld.

      Den einen oder anderen Betrag in der brandneuen Währung Euro verdiente ich mir hinzu, in dem ich als Aushilfe an einer 24Stunden-Tankstelle arbeitete. Der Stundenlohn lag nicht gerade üppig hoch, doch dafür zahlte der Pächter in stillschweigender Übereinkunft, wenn der Studentenfreibetrag überschritten wurde, das zusätzliche Geld unter der Hand aus. Meine Eltern gingen zu jener Zeit beide einer Tätigkeit als Akademiker nach. Ihre Überweisungen sicherten meine Grundbedürfnisse und zusammen mit dem Lohn, den mein Chef mir zum Monatsersten in die Hand drückte, ließ es sich angenehm, sorglos leben.

      Der Feierabend dieser Spätschicht befand sich bereits in Sichtweite, als ein junger Mann mittlerer Größe in knitteriger Kleidung mit zerzausten, schwarzen Haaren in die Tankstelle gestiefelt kam. Ziellos wirkend durchstreifte er die Regalreihen, blieb hier und da stehen, nahm ein Produkt zur Hand, nur um es nach dem genauen Betrachten wieder ins Regal zurückzustellen.

      Normalerweise pflegten solche Kunden meine Nerven aufs Äußerste zu strapazieren und beinahe wollte ich meinen für solche Besucher bestimmten Standardspruch von mir geben, da nahm der Kerl sich eine Tüte Chips und eine Flasche Herforder Pils und trat an meine Kasse heran.

      Er sagte keine Begrüßung, wünschte keinen guten Abend, sondern sprach: „Die Lebensmittelindustrie hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die Weltbevölkerung durch Verfettung zu dezimieren. Und ich Idiot zahle an der Tankstelle ein Schweinegeld dafür und spüle den Dreck auch noch mit Bier herunter."

      Sehr melodisch klang seine Stimme, man konnte beinahe an den Sprecher eines Hörbuches denken.

      „Du musst aber noch viel essen, wenn der Plan der Chipsmafia aufgehen soll.", antwortete ich im Hinblick auf seine Magerkeit.

      Daraufhin grinste er nur, ein nettes, freundliches Lächeln, wühlte in der Vordertasche seiner Jeans und holte einen 10-Euro-Schein hervor, der genauso zerknittert war wie seine Kleidung. Er legte ihn in die Werbegeldschale von Marlboro, drehte sich um und stapfe wortlos davon.

      „Hey, du kriegst noch gut sechs Euro Wechselgeld.", rief ich ihm hinterher.

      Langsam hob er seine Hand, drehte sich aber nicht um dabei, sagte lediglich: „Behaltet ihr zwei das mal."

      Kollegin Meike und ich schauten uns an und begannen, synchron zu lachen, bevor wir das Trinkgeld geschwisterlich untereinander aufteilten.

      Durch die hohe Fensterfront konnte der Betrachter sehen, wie der seltsame Kunde die Linien zwischen den Bodenplatten auf der Fahrbahn der Tankstelle entlangbalancierte. Dabei bewegten sich seine Lippen und man gelangte schnell zu der Ansicht, er führe ein intensives Selbstgespräch.

      Kapitel 2

      Zwei Wochen später, die Ferien nach dem Wintersemester 2001/2002 standen gerade erst am Anfang, bereitete ich in einem Raum der Bibliothek eine Hausarbeit vor.

      In meiner Hosentasche fing mein Handy zu vibrieren an und der Blick auf das Display verriet, dass Tankstellenpächter Dirk Radermacher anrief. Da sich kein anderer Student oder Dozent in der unmittelbaren Nähe aufhielt, nahm ich das Gespräch entgegen.

      Radermacher erklärte mir, dass der festangestellte Nachtkassierer Rolf Pätz für den Rest der Woche krankheitsbedingt ausfalle und fragte, ob ich die nächsten drei Nächte bis Samstagmorgen einspringen könne. Er würde selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass ein anderer Angestellter meine Wochenenddienste