Robert Mirco Tollkien

Die Geburt eines finsteren Universums


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welche vollkommen bar eines eigenen Willens waren.

      Die Silici, so nannte der Gast im Bistro die Einwohner der Urerde bei Gelegenheit, reproduzierten sich selbst und besaßen eine im Vergleich zum Menschen gigantische Lebenserwartung, obgleich sie streng genommen nicht wirklich sterben konnten. Denn selbst wenn beispielsweise einer der Ihrigen bei einem Unfall in einen der Magmaströme stürzte, endete sein Leben lediglich in körperlicher Form, da die Molekülketten mit der enthaltenen DNA und dem Wissen darin weiterexistieren konnten. Das Wesen lebte in der Schmelze fort.

      Gefühle wie Liebe, Hass, Freude, Trauer, Leid, Glück und Schmerzen kannten die Silici nicht, stattdessen verspürten sie eine Art wahnsinnigen Drangs, ihre Umwelt und sich selbst zu perfektionieren und immer tiefer in das Wissen um die Natur einzutauchen. Schon sehr früh stellten die Silici fest, dass weitere Welten jenseits dieses Sonnensystems um Sterne kreisten und durchdachten, ob es möglich wäre, diese Welten zu erreichen und in Besitz nehmen zu können.

      Da die Siliziumwesen auf Erden keinerlei Feinde besaßen und es auf Grund der Gefühlslosigkeit untereinander ebenfalls kein Reibungspotential gab, konnte man sich ganz der Wissenschaft hingeben.

      Vollkommene Gefühlslosigkeit wäre allerdings das falsche Wort, um diese so ganz andere Spezies pauschal damit zu belegen. Denn sie besaßen ein Bedürfnis nach Spiritualität.

      In großen, prächtigen Tempeln, deren Decken von Säulen aus schwarzem Gestein getragen wurden, hielten die Siliziumwesen ihre Gottesdienste ab. Sie dankten einem gesichtslosen Wesen dafür, dass es einst den Urfunken der Evolution auf die glühende Jungerde gebracht und somit endlich ein Leben im Körper ermöglicht habe. Die Messen bestanden hauptsächlich aus Lobpreisungen in Form feierlicher Gesänge, die einen Menschen an die Geräusche elektrischer Entladungen erinnert hätten.

      Sie bauten schwarze Raumschiffe, besuchten geeignete Orte innerhalb unseres Sonnensystems und planten gar, zu nahegelegenen Sternen zu reisen; ganz so weit, bis die relative Langsamkeit von dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit ihnen Grenzen setzte.

      Für hunderte von Millionen an Jahren verkörperten sie die unangefochtenen Herrscher über den Planeten Erde, ihre Städte verteilten sich zahlreich rund um den Globus und sie lebten in Frieden und Einklang ein kollektives Miteinander.

      Doch dann kam das Pyramidenwesen aus einem der finstersten Winkel des Universums auf die Erde hinab und brachte ihnen die Gefühle. Keine Liebe und auch keine Freude kamen durch es in die Welt, sondern Neid, Gier, Hass. Ihr gewaltiges, friedliches Kollektiv zerfiel in einzelne, konkurrierende Gruppen und mit dieser Teilung erfuhr auch die bis dato einheitliche Religion eine Aufsplittung. Fortan stritt man sich darum, welcher Glaube denn nun der wahre wäre und noch heftigere Konflikte entbrannten um den Zugang zu den wertvollsten Ressourcen. Waffen wurden entwickelt, immer größer und immer mächtiger, und schließlich kam der Overkill. Die Fusions- und elektromagnetischen Bomben zerstörten selbst die Intelligenz und das Wissen, welches in den Schmelzen existierte.

      Am Ende blieben nur rauchende Ruinen und die Trümmer ihrer einst so stolzen Zivilisation tilgte die Geodynamik der Erde im Laufe der folgenden Jahrmillionen.

      Andreas Geschichte stufte ich als unterhaltsam und kurzweilig ein. Immerhin hatte sie den Feierabend eine volle Stunde nähergebracht und auf eine gewisse Art war sie gruselig, doch vermochte mir dieser Fakt nicht zu erklären, warum der Gast im Bistrobereich so dermaßen aufgelöst erschien. Daher hakte ich nach.

      „Dieses Pyramidenwesen ist so real! An ihm kann ich jedes grausige Detail erkennen. Er sieht so unbeschreiblich furchterregend aus, dass einem als Mensch dazu die Worte fehlen. Würde es tatsächlich in seiner Größe von über zwei Metern hier irgendwo stehen, würde ein Mensch bei dem Anblick sicherlich den Verstand verlieren oder vielleicht sogar vor akuter Angst sterben.

      Doch das Schlimmste ist, dass ich nach dem Aufwachen dieses beklemmende Gefühl über Stunden hinweg habe, dass dieses Wesen mich beobachtet, wo auch immer es sich dort oben zwischen den Sternen befinden mag."

      Das Gespräch dauerte noch eine Weile und als sich Andreas mit dem aufkeimenden Berufsverkehr verabschiedete, tat er das mit den Worten, dass es gutgetan habe, über diese Sache mit mir zu reden und dass er sich nun bedeutend wohler fühle.

      Eine Aussage, der man Glauben schenken konnte, denn Andreas sah entschieden besser aus als noch zwei Stunden zuvor.

      Dann spazierte der Besucher davon und bemühte sich auch heute wieder, möglichst auf den Rillen zwischen den Gesteinsplatten zu wandeln.

      Um 6:45 Uhr kamen die für die Frühschicht eingeteilten Damen und lösten mich ab; endlich Feierabend.

      Der Kater, der mich die ganze Nacht über gepeinigt hatte, war zum größten Teil verflogen, doch dafür nahm die bereits vorhandene Müdigkeit nun immer bleierne Züge an. Dazu lag noch ein Heimweg von satten 2,5 Kilometern Fußmarsch vor mir.

      Sicherlich wäre es möglich gewesen, mit dem Linienbus bequemer nach Hause zu gelangen, doch ich entschied, dass mir nach einem Gelage wie dem gestrigen ein Spaziergang an der frischen Luft guttäte.

      Nach ein klein wenig Smalltalk mit den werten Kolleginnen verließ ich die Station.

      Auf einem Grünstreifen des Außengeländes lag zwischen dem Tankstellengrundstück und der Hauptverkehrsstraße ein großer, grauer Findling voller Einsprenglingen aus Quarz.

      Ich beugte mich ein wenig hinab, um den Stein im Lichte dieses noch jungen Tages zu betrachten, während neben mir der Berufsverkehr träge dahinfloss und einheitlich vor sich hin dröhnte. Schnell stachen dem aufmerksamen Betrachter die helleren Mineralstücke ins Auge und mein Zeigefinger fuhr mit der Kuppe seicht darüber hinweg.

      „Und ihr seid also die Reste der ehemaligen Siliziumwesen. Einst, vor so vielen Milliarden Jahren, wart ihr die Krone der Schöpfung, bis die Pyramidenkreatur kam und ihr euch wegen der geistigen Vergiftung durch das Monstrum selber weggebombt habt und deshalb das seid, was ich hier gerade vor mir sehe.

      Oh je! Manche Menschen sind wirklich durch! Lieb und nett, aber eben leider etwas durch auch. Ach, ich sollte das nicht so laut sagen. Denn irgendwo dort oben zwischen den Sternen sitzt der Pyramidenheini und beobachtet mich wahrscheinlich genauso wie Andreas.", murmelte ich leise grinsend vor mich hin.

      Mit einem Lächeln auf dem Gesicht setzte ich den Heimweg fort.

      Kapitel 3

      Mit einem Seufzer der Erleichterung warf ich die Wohnungstür zur WG hinter mir ins Schloss, ließ meinen Rucksack neben der Garderobe auf die Holzdielen fallen und ging schnellen Schrittes in die Küche.

      Weil der Kater und die Nachwirkungen der Droge bislang verhindert hatten, im Verlauf der Nachtschicht außer einem Liter Coca Cola nichts weiter herunterzubekommen, galt es nun, vor dem Schlafengehen zumindest ein wenig Nahrung aufzunehmen.

      Schnell ein Fertiggericht bestehend aus Cevapcici mit Reis in die Mikrowelle geschoben und am Küchentisch verspeist, worauf sich ein Wohlgefühl in meinem Körper breitmachte, jedoch die Müdigkeit noch mehr Gewicht bekam.

      Ich öffnete den Kühlschrank, um eine Flasche Apfelschorle mit ins Schlafzimmer zu nehmen, da lenkte eine Dose Veltins meinen Blick ab, die mich förmlich anzulächeln schien; das berühmt, berüchtigte Katerbier.

      Nachdem ich mich im Bad bettfertig gemacht hatte, suchte ich mir ein Buch - einfache Kost nach einer solchen Nacht - aus dem übervollen Bücherregal und setzte mich mit Bier und Lektüre auf meine geräumige Schlafstätte. Locker ging der vor Patriotismus triefende Schinken Tom Clancys von der Hand, im Radio spielte WDR3 klassische Musik zum Morgen und die Dose zischte beim Öffnen.

      Ich trank zwei kleinere Schlucke Bier und kam keine drei Seiten weit, als die Müdigkeit übermächtig wurde.

      Es gelang mir, noch schnell ein größeres Quantum Veltins zu nehmen und die halbvolle Büchse sicher auf dem Nachttischchen zu positionieren, bevor ich mich auf dem Bett ausstreckte und unter die Decke schlüpfte.

      Während der hervorragend geschulte Moderator