Robert Mirco Tollkien

Die Geburt eines finsteren Universums


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denke, der Obelisk hat wie eine Art Verstärker für diese Schwingungen gewirkt. Der Obelisk ist vielleicht mehr als nur ein symbolisches Bauwerk. Genau wie es die Pyramiden sind. Es ist doch längst erwiesen, dass die Pyramiden keine reinen Grabmonumente darstellen. Beide Dinge stammen aus dem Alten Ägypten. Ich sage es euch, die Ägypter wussten viel mehr, als wir heute auch nur erahnen können.“, legte er uns begeistert dar.

      „Und wir können diese Schwingungen oder Signale nicht wahrnehmen, weil bestimmte Funktionen in unserem Gehirn nicht darauf geeicht sind. Die Droge hat diese Funktionen aktiviert und du konntest Teil des großen, kosmischen Netzwerkes werden.“, steuerte ich eine Idee bei.

      „Genau. Du triffst es auf den Punkt. Vielleicht haben wir diese Fähigkeit früher mal besessen und sie ist uns abhandengekommen.“, sprudelte der Gastgeber voller Begeisterung und mit einem Leuchten in seinen Augen. „Aber die Droge der Indianer hat sie teil- und zeitweise wieder reaktiviert. Ich bin mir sicher, dass die Alten Ägypter die Verbindung nach Belieben aufnehmen konnten. Und irgendeine hochentwickelte Zivilisation weit jenseits der Erde hat sie dann mit dem Wissen versorgt, solche Bauwerke zu erschaffen. Wir wissen doch alle, dass die Pyramiden nicht mit Bronzemeißeln erschaffen worden sind. Die Beweise dafür habe ich sogar hier daheim.“

      Andreas wies mit dem ausgestreckten Arm auf das übervolle Bücherregal gegenüber der Sitzecke, welches beinahe die komplette Längswand des Zimmers einnahm. Dann griff er zu dem orangenen Päckchen Javaanse Jongens–Tabak auf dem zerkratzen, schlichten Sofatisch aus Holz und fing an, sich eine Zigarette mit Filter zu drehen.

      „Du hast erwähnt, dass Irgendwer oder Irgendjemand über diese, nun, Schwingungen nach dir gerufen hat. Wer kann das deiner Meinung nach gewesen sein?“, stellte ich eine weitere Frage.

      „Keine Ahnung. Das weiß ich wirklich nicht. Noch nicht. Aber eines Tages werde ich es sicherlich herausbekommen. Denn, ob ihr es mir glaubt oder nicht, die Rufe erfolgen immer noch. Zumeist in meinen abgefahrenen Träumen und manchmal, es mag verrückt klingen, spüre ich auch im Wachzustand, dass da etwas ist, eine Botschaft, die durch meinen ganzen, wirklich ganzen Körper rauscht. Ja, es ist wie ein Rauschen. Das trifft es wohl am ehesten.“, antwortete Andreas begeistert und im Anschluss setze er ein Grinsen auf, welches ich einfach nicht deuten konnte.

      „Ist es vielleicht diese Pyramidenkreatur, die nach dir ruft?“, rutschte es mir raus und sofort bedauerte ich es, diese Frage gestellt zu haben, denn die Angst vor dieser Kreatur war mir nach dieser einen Nacht an der Tankstelle nur zu gut bekannt.

       Im nüchternen Zustand wäre dir das ganz sicher nicht passiert, Hohlhupe!

      Sofort verschwand das Grinsen und machte einem sorgenvollen, gar ängstlichen Blicke Platz. Nervös flackerten seine Augen, die Hände fuhren an den Oberschenkeln über den Stoff seiner Jeans; vor und zurück und zurück und vor.

      „Nein!“, kam es ihm nach etwa zwanzig Sekunden bemüht kraftvoll über die Lippen. „Diese Pyramidenkreatur beobachtet mich lediglich von irgendwo her. Das Rufen erfolgt nicht von ihr. Das fühle ich nur zu deutlich. Ganz, ganz sicher! Ganz am Anfang habe ich gedacht, dass es vielleicht diese Pyramidenkreatur sein könnte, aber sie ist es nicht. Fragt mich nicht, warum das so ist, es ist einfach so.“

      Das Grinsen kehrte zurück und gleichzeitig fühlte ich Erleichterung in mir aufkeimen, die jedoch umgehend wieder der Sorge wich, nur dass es sich diesmal um eine Sorge anderer Natur handelte.

       Die Pyramidenkreatur beobachtet ihn! Und das gesichtslose Irgendetwas ruft ihm im Schlaf und im Wachzustand eine Botschaft zu, die zu verstehen der gute, alte Andreas leider noch nicht mächtig ist. Kann es vielleicht sein, dass der liebe Kerl hier, dein Freund, tiefergehende Probleme mit der Psyche hat und diese schlicht und einfach nicht erkennt? Sich ein Märchen daraus zusammenreimt, um somit eine Krankheit zu verdrängen?

      Die Gedanken, welche durch meinen Kopf zogen, sprach ich nicht aus, startete nicht einmal den Versuch, dieses Thema eventuell vorsichtig ins Rollen zu bringen. Auch von Seiten Michaels passierte nichts in diese Richtung; warum auch immer.

      „Meinst du echt, die Droge wirkt bis heute nach?“, fragte Michael stattdessen immerhin und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, der überzuquellen drohte.

      „Ich weiß es nicht genau. Das Getränk im Urwald hat vielleicht nur einen Anstoß gegeben und nun bin ich dazu in der Lage, eben diese Schwingungen zu empfangen. Ich war so oder so immer recht sensible in allen Dingen. Ich kann mich seit jeher gut in andere Menschen reinversetzen oder ihre Stimmungen nachvollziehen. Vielleicht hat das Alles auch damit etwas zu tun. Denn mein Freund Mike, mit dem zusammen ich die Reise gemacht habe, kann von solchen Erfahrungen rein gar nichts berichten.“

       Kann es sein, dass sich Freund Hillmann für eine Art Auserwählten hält? Vielleicht solltet es doch angesprochen werden!

      „Wenn es ein solches Netz im Kosmos wirklich gibt, wie stellst du dir es denn vor?“, lautete meine Frage und irgendwie fühlte ich mich nicht gut dabei.

      „Entweder besteht es aus irgendeiner Form von Wellen oder es ist ein Gebilde, welches diese Schwingungen transportiert. Wenn Letzteres zutrifft, dann sind seine Fäden wahrscheinlich Milliarden von Lichtjahren lang, aber lediglich so dick wie ein halber Atomkern oder so.“, antwortete er entschlossen und stand auf. „Ich gehe in die Küche. Braucht jemand noch Bier?“

      Als er zurückkehrte, wechselten wir allmählich das Thema und der Abend nahm seinen Verlauf, bis Michael und ich gegen zwei Uhr nachts den Heimweg antraten.

      Kapitel 6

      Die Zeit, liebe Leserinnen und Leser, ist schon eine sehr komische Angelegenheit.

      Als Kind kommt sie einem unendlich zähflüssig und lang vor. Erinnern Sie sich doch mal, wie qualvoll die Lebensjahre zwischen vierzehn und achtzehn waren, bis man endlich leben durfte, wie man es für richtig befand.

      Später, bei mir setzte es ungefähr mit Mitte zwanzig ein, nimmt die Zeit langsam Fahrt auf und ab dreißig zieht sie mit der Geschwindigkeit einer Raumsonde dahin.

       Wie mag es erst sein, wenn ich sechzig bin?

      Jedenfalls raste die Zeit und Veränderungen traten ein.

      Ich lernte eine nette Frau kennen und schloss mein Studium ab, worauf ich einen Job als Archivar im Bielefelder Stadtarchiv fand. Da auch Michael eine feste, vernünftige Beziehung fand, waren die Tage der Studenten–Musiker–Party-WG gezählt und das Leben wurde im Alter von zweiunddreißig Jahren bedeutend ruhiger.

      Andreas beendete sein Informatikstudium mit einem glatten Sehr Gut und schob direkt eine Doktorarbeit hinterher, die er so ganz neben seinem Hauptberuf als Physik-Dozent schrieb.

      In der Promotion ging es um DNA–Computer und ich verstand nicht mal die ersten zwei Sätze aus der Einleitung. Auch konnte ich Andreas Erörterungen kaum folgen, obgleich er sich die größte Mühe des narrativen Erklärens gab und ich mich ebenfalls im Besitz eines akademischen Grades befand. Es ging wohl um Computer, die als Speicher- und Verarbeitungsmedium auf DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder RNA (Ribonukleinsäure) zurückgriffen. Mehr vermochte mein Geist nicht verstehen und ich sagte mir einfach, dass ich das als Nichtinformatiker und Nichtnaturwissenschaftler auch nicht verstehen müsse.

      Andreas lebte weiter in der großen Eigentumswohnung in der Nähe des Adenauer Platzes unterhalb der Sparrenburg mit der nicht existenten Küche und den spärlich eingerichteten Zimmern. Die einzigen Gegenstände, in welche er zu investieren schien, waren seine Rechner von Apple, die sich jeweils auf dem Topstand der vorhandenen Technik befanden.

      Gelegentlich gingen wir zu dritt, Andreas, Michael und ich, in die Studentenkneipen der Stadt und verbrachten dort stets recht angenehme Stunden, während wir die jungen Menschen betrachteten, die die spaßigen Jahre gerade durchlebten, welche hinter mir lagen.

      Im Jahre 2008, genau drei Tage nach dem verlorenen Endspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, erfuhren meine Freundin