Robert Mirco Tollkien

Die Geburt eines finsteren Universums


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Pedro es Mike und mir erklärt, setze nach etwa einer Dreiviertel-, spätestens nach einer Stunde ein.

      Die Wirkung kam und sie war tatsächlich fantastisch.

      Ich wurde eins mit der Natur und all den Menschen, die sich hier in diesem kleinen Dorfe am Ufer des Amazonas aufhielten. Alles schien über unsichtbare, vibrierende Fäden miteinander verbunden zu sein, so dass man fühlen konnte, was der andere fühlte und wahrnahm, was der andere dachte.

      Auch das Leben in den Bäumen und den übrigen Pflanzen schien mit einem kommunizieren zu wollen, ja gar die Steine und Felsen, das Wasser des Flusses und die Erde unter unseren Füßen. Alles gab ganz eigene, für sich sprechende Schwingungen von sich. Über diese Schwingungen konnte ich zum Beispiel deutlich die grundlegenden Charakterzüge alles Lebenden wahrnehmen.

      Unter dem Strich waren die meisten Erfahrungen dieser Nacht von einer unglaublichen, positiven Natur, so dass es einen Wahnsinn darstellte, eine solche Erfahrung erleben zu dürfen.

      Neben den Schwingungen gab es selbstverständlich weitere Erfahrungen bewusstseinserweiternder Natur.

      Ich konnte durch die Blätter der gewaltigen Baumkronen direkt auf die Sterne und hinter diese sehen und verstand endlich, was Neil Young in seinem Lied Helpless mit der Passage >>...blue, blue windows behind the stars...<< zu vermitteln versuchte.

      Die Erkenntnis, dass die Welt und der Kosmos und alles sich darin befindliche eng miteinander verbunden sind, wog ungemein wohltuend, in jenen gefühlten Momenten gar befreiend.

      Mit dem Beginn eines neuen Tageslichtes setzte langsam, aber sicher das Runterkommen ein. Allmählich gewann die Welt den Zustand zurück, den sie besaß, wenn man als Normalsterblicher durch sie zog, und mit diesem seichten Prozess setzte eine tiefgehende Müdigkeit ein.

      In der Gästehütte schliefen Mike, Pedro und ich auf einer Art Kokosmatte lange, tief und traumlos.

      Als wir erwachten, waren beinahe vierundzwanzig Stunden vergangen und es wurde Zeit, die Reise fortzusetzen.

      Beim Verlassen des Dorfes fragte ich einen der beiden englischsprachigen Indianer, ob es eine Möglichkeit gebe, an einen Tonträger mit der Zeremonienmusik zu gelangen. Er antwortete, dass ein Mitglied seines Volkes in Santarem einen kleinen Laden betrieb, in dem man native Gegenstände und Souvenirs erwerben könne. Dort gebe es eine ordentliche Auswahl an indianischer Musik.

      Tatsächlich erstand ich dort auf der Rückreise eine CD als Erinnerung an diese unvergessliche Nacht im Herzen des brasilianischen Regenwaldes.

      Nun war unsere Reise noch nicht beendet, denn es stand abschließend ein dreitägiger Besuch von Buenos Aires auf dem Programm, bevor sich am dortigen Flughafen die Wege Mikes und meiner Person trennen sollten.

      Wir bewohnten ein wundervolles Hotel im Herzen der argentinischen Hauptstadt, zogen durch die zahllosen Bars des Hafenviertels, wo man Tango Tänzerinnen und Tänzer bei ihren prächtigen, künstlerischen Verführungen bewundern konnte. Ja, der Tango war eindeutig zusammen mit der Verehrung des exzentrischen, ehemaligen Fußballstars Diego Maradona die Seele dieses Stadtteils.

      Obgleich sich zwei merkwürdige Dinge in dieser Metropole zutrugen, bleibt Buenos Aires eine der schönsten Städte, die ich in meinem Leben besucht habe.

      Zum einen wurde ich in der ersten Nacht von einem merkwürdigen Traum heimgesucht, kein Alptraum, aber auf eine gewisse Art und Weise schon recht unheimlich.

      Hier der Traum in der Zusammenfassung: Ich stand auf dem Balkon meines behaglichen Hotelzimmers und blickte statt auf das rege Großstadttreiben über die karge Pampa Patagoniens, die in einem trüben Zwielicht vor sich hin schimmerte. Aus diesem Halbdunkel rief irgendetwas über die Schwingungen nach mir, doch konnte ich nicht erkennen, wer oder was dort nach mir verlangte. Mit Schwingungen meine ich genau die Schwingungen, die ich auch verspürt habe, als ich bei den Indios gewesen bin und an deren Zeremonie teilgenommen habe. Er, sie oder es rief mich, nach Patagonien zu kommen oder an sonst einen Ort auf der großen, weiten Welt.

      Dann erwachte ich, war zunächst einmal verwirrt und orientierungslos und dann um so erleichterter, als mir bewusstwurde, dass ich mich im Bett meines Hotelzimmers und nicht in der Pampa befand. Da draußen noch Dunkelheit vorherrschte, konnte der Schlaf nicht allzu lang gedauert haben und es gelang mir nicht, zügig wieder einzuschlafen, so dass ich mich auf den Balkon begab, als wolle ich auf Nummer sicher gehen, dass unter mir auch tatsächlich das nie wirklich zur Ruhe kommende Buenos Aires lag und nicht etwa eine wilde Landschaft.

      Aus reinem Interesse stellte ich schnell mit Hilfe des Stadtplans fest, dass mein Balkon tatsächlich nach Süden und somit in Richtung Patagonien wies; ein Faktum, welches ich schon recht unheimlich fand.

      Eine weitere Seltsamkeit war noch unheimlicher, weil sie sich im wahren Leben am helllichten Tage ereignete.

      Wir erreichten im Rahmen einer unserer Streifzüge den Plaza de la Republica mit dem fast siebzig Meter hohen Obelisken. Ob ihr es mir glaubt oder nicht, der Obelisk rief nach mir. Er rief mich, aufzubrechen und sendete zudem über die Schwingungen eine Botschaft, die zu verstehen ich nicht mächtig war. Denn sie wurde in einer gänzlich anderen Sprache kommuniziert. Es hat sich angehört wie diese Geräusche, die man von Jupiters Magnetfeld empfangen kann.

      Natürlich ging sofort durch meinen Kopf, dass das alles ein Backflash von den Drogen sein könne, die sich in dem gegorenen Getränk befunden hatten. So fragte ich Mike, ob er ähnliche Effekte verspüre, worauf Mike diese Frage verneinte und zu beruhigen versuchte, indem er sagte, dass sich Drogen von Mensch zu Mensch unterschiedlich auswirkten und es sich durchaus um einen Backflash gehandelt haben könnte.

      Ich musste einfach dort stehen und den Obelisken anstarren, während diese seltsamen Schwingungen mir in einer gänzlich unbekannten Sprache etwas zu erzählen versuchten. Es erschien für mich unbegreiflich, warum all die anderen Menschen, die über die Gehsteige flanierten, das nicht bemerkten.

      Es war der Auftakt zu einer langen Serie von seltsamen Träumen und Erfahrungen.

      Nachdem Andreas seine Erzählung beendet hatte, versicherte er uns, dass wir neben seinem fernen Freund in Amerika und einer losen Freundin die einzigen Personen seien, die von dieser Geschichte wussten.

      Nun entbrannte eine lebhafte Diskussion darüber, in wie weit die im Regenwald konsumierte Droge ihren Anteil an diesen Zuständen trüge und da es sich um ein besonders offenes Gespräch handelte, machte natürlich schnell die Idee die Runde, dass Andreas, um es in schönem Neudeutsch zu formulieren, eventuell auf dem Trip hängen geblieben sei. Unser Gastgeber entgegnete darauf, dass er sich dahingehend bereits einer Bekannten anvertraut habe, die als Neurologin am Hamburger Universitätsklinikum arbeite.

      „Sie hat mich eingehend untersucht und nichts Auffälliges gefunden. Mein Gehirn arbeitet ganz normal.", erklärte er uns. „Ich habe mir da eine ganz verrückte Idee zurechtgelegt. Könnte es vielleicht möglich sein, dass es ein Netzwerk gibt, welches alles und jedes Leben, das sich in diesem Kosmos befindet, miteinander verbindet? Es verbindet uns über Schwingungen. Vielleicht war ich durch diese Droge tatsächlich Teil dieses Netzwerks. Ich war in dieser Nacht am Amazonas eine Einheit mit meinen Mitmenschen und der Natur. Das ist so sicher wie der Mehrwertsteuer. Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass diese Verbindung über unseren hübschen, kleinen Planeten hinausgeht. Alles, und damit meine ich alles, hängt zusammen!“

      „Und was ist dann später in Buenos Aires los gewesen?“, hakte Michael nach.

      „Ich denke, dass die Wirkung der Droge einfach länger angehalten hat. Ich war dann plötzlich wahrscheinlich mit jemanden verbunden und derjenige mit mir, der sich in Patagonien aufgehalten hat. Vielleicht wollte er mir das mitteilen.“, antwortete Andreas und entzündete die erloschene Tüte.

      Dichter Qualm und ein intensiver Marihuanageruch hüllten die Sitzecke ein.

      „Aber du meintest doch, dass der Obelisk nach dir gerufen habe.“, gab ich zu bedenken und nahm den Joint von Andreas entgegen.

      Michael trank genussvoll einen Schluck von seinem Bier und blickte Andreas erwartungsvoll an. Das Thema konnte