Lisa W. Barbara

Avenae


Скачать книгу

zwei, dass er gleich wieder da wäre.

      "Was machst du?", fragte ich ihn, als er mich in den Aufzug drückte, meine Proteste ignorierte (ich bin furchtbar klaustrophobisch) und auf den Erdgeschossknopf drückte.

      "Naja, ich fahr dich zu ihr. Und ich will mit ihr reden, dass sie dich danach heimfährt, bzw du bei ihr über Nacht bleibst und ich dich morgen abholen kann."

      "Du führst dich auf wie mein Vater", meinte ich beleidigt und hämmerte mit dem Finger auf den Erdgeschossknopf. Dass Aufzüge auch immer so langsam sein müssen.

      Als die Tür aufsprang, sprintete ich hinaus und an der frischen Luft angekommen, atmete ich erst mal tief durch.

      Als wir bei Bea angekommen waren, machte er Anstalten, auszusteigen.

      "Nein, du bleibst hier. Ich will nicht, dass du wie mein Bodyguard oder so mit ihr redest. Ich kann das selbst. Ich verspreche dir, dass ich dich später anrufe, okay?"

      Er sah aus, als würde er rasend schnell Pro und Contra in seinem Gehirn durchrattern, doch dann entschied er sich dafür, im Auto zu bleiben.

      "Gut, aber ich warte bis du drin bist. Und ich will, dass du mich sofort anrufst, wenn du weißt, wann ich dich abholen soll, ist das klar? Ich will nicht, dass du allein nach Hause gehst!"

      Ich zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür.

      "Bekomm ich keinen Kuss?", fragte er leise und ich hielt inne.

      Upps, wie konnte ich das nur vergessen?

      Ich beugte mich zu ihm und gab ihm einen sanften Kuss, doch er zog mich an sich und ich merkte, dass er Angst hatte, an der Art, wie er mich festhielt.

      Ich drückte ihn sachte weg, lächelte ihn an und schloss die Tür. Seine Blicke durchbohrten meinen Rücken, als ich zu Beas Wohnungstür ging.

      Ich klingelte und eine Mitbewohnerin von Bea, die glaub ich Ellen hieß, öffnete und lies mich in die Wohnung.

      "Hi Ellen. Ist Bea hier?", fragte ich sie und ich merkte an der Lautstärke, dass hier eine Party in vollem Gang war.

      Sie schüttelte den Kopf und mein Herz sank in die Hose. Na toll. Hätte ich sie doch bloß vorher angerufen.

      "Sie ist glaub ich bei den Pferden. Wenn du willst, dann fahr ich dich hin?"

      Ich schüttelte den Kopf. "Nein, schon gut. Kann ich mir nur ein Fahrrad leihen? Ich bin mit… ähm mit einem Freund hergefahren."

      "Klar. Du kannst meins haben."

      Sie gab mir ihren Fahrradschlüssel und ich kontrollierte erst mal, ob Toms Auto noch da war, als ich die Tür öffnete.

      Nichts zu sehen.

      Den Weg zu dem Hof, auf dem Bea ritt, kannte ich auswendig, da ich schon oft dort gewesen war.

      Ich blickte auf die Uhr. Es war sieben Uhr abends. Nicht allzu spät.

      Gut dass es Sommer war, und bis ungefähr zehn hell war, denn ein bisschen gruselte es mich schon, wie ich so ganz allein durch die gottverlassene Landschaft fuhr.

      Ich bog in die Landstraße ein, an deren Ende der Hof lag. Von weitem konnte ich schon die Pferde sehen.

      Langsam fuhr ich durch das Hoftor und vorbei an den Koppeln. Der Schotter auf dem Weg rüttelte mich ordentlich durcheinander.

      Ich stellte das Rad ab und wunderte mich, dass hier fast keiner war.

      Im Stall traf ich dann endlich auf jemanden. Ein Mädchen mit hübschen, blonden Haaren und das noch viel kleiner war als ich, mühte sich gerade mit der Mistgabel ab, die fast genauso groß wie sie war.

      "Hallo. Ähm, ich suche Bea", sagte ich zu ihr und sie hielt inne, sah mich an und lächelte. Sie legte die Mistgabel ab, wischte sich die Hände ab und kam zu mir rüber.

      "Hi, ich bin Eva. Bea ist glaub ich auf dem Reitplatz. Du musst einfach nach hinten über den Hof gehen, dann müsstest du sie schon sehen."

      Ich folgte ihrer Beschreibung, fluchte ziemlich laut, als ich in Pferdemist stieg und sah Bea, wie sie auf einem schönen schwarzen Hengst ritt. Elegant sah sie aus, mit ihren langen blonden Locken, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und den dunkelblauen Reiterklamotten. Ihre ganze Haltung war ziemlich anmutig. Ich stellte mir gerade vor, wie ich wohl auf einem Pferd aussehen würde, als sie mich entdeckte und mir zu winkte. Ich winkte zurück, während sie von dem Pferd sprang und auf mich zu kam.

      "Ave! Das ist ja schön, dass du vorbeikommst!"

      Sie umarmte mich und drückte mir Küsschen auf die Wangen, was sie immer tat, wenn wir uns sahen. Ich musste unwillkürlich lächeln, denn sie war eine große Frau und überragte mich um Längen.

      "Was tust du hier?", fragte sie mich und band den Hengst an dem Zaun an.

      "Ähm, ich wollte einfach nur mal mit dir Quatschen. Haben wir schon lange nicht mehr gemacht."

      Sie strahlte wie immer übers ganze Gesicht. Gottseidank. Sie freute sich wirklich, mich zu sehen.

      "Tut mir leid, Ave. Wenn du angerufen hättest, dann hätten wir was anderes machen können. Aber nicht so schlimm. Komm, wir setzen uns auf die Bank. Wie geht es Tom?"

      Wir setzen uns und ich fing an, ihr zu erzählen, dass alles gut war, doch sie merkte schnell, dass ich log und dann erzählte ich ihr unter Tränen, was wirklich los war. Sie hörte mir zu und drückte meine Hand, ganz so, wie eine Freundin es tat und ich war zum ersten Mal in meinem Leben richtig froh darüber, dass ich sie hatte.

      Sie unterbrach mich kein einziges Mal und als ich fertig war und wir uns in den Armen lagen, erzählte sie mir von dem Mann, den sie kennengelernt hatte.

      "Er ist wirklich toll! Wahnsinnig gutaussehend und seine Augen…", fing sie an zu schwärmen und ich schaltete irgendwann ab, denn ich wollte es eigentlich gar nicht hören, wie glücklich sie war, während mein Glück langsam in Millionen Stücke zerbrach.

      "Ave?", fragte sie mich und ich merkte, dass ich etwas zu lang abgeschaltet hatte.

      "Jaja, hört sich echt super an! Wann lern ich ihn mal kennen?"

      Sie sah mich etwas komisch an und meinte: "Das hab ich dir doch gerade gesagt. Er ist hier. Eigentlich müsste er gleich wieder da sein."

      Ich konnte nicht mehr als ein Oh hervorbringen, denn da sah ich ihn.

      Er war ein Mann, der alle Blicke auf sich zog, wenn er auftaucht und das auch weiß. Ein Mann, bei dem jede Frau in seinem Umkreis das Atmen aufhört, innehält und ihn einfach nur anstarren muss. Mit einem selbstsicheren Gang und einem breiten Grinsen kam er auf uns zu und fuhr sich mit der Hand durch die blonden Haare, die ihm etwa bis zum Kinn reichten. Seine breiten Muskeln spannten sich unter seinem Shirt und ich konnte schon von weitem seine schlanken, muskulösen Beine sehen.

      Bea musste gemerkt haben, dass ich ihn schamlos anstarrte und vermutlich auch noch sabberte, denn sie kicherte leise und stieß mir den Ellenbogen in die Rippen, sodass ich aus meiner Trance gerissen wurde.

      Als er vor uns stand und Bea aufsprang und ihm einen Kuss auf die Wange drückte, erhob ich mich so schnell, dass mein Fuß einknickte und ich vor ihm in den Staub gefallen wäre, wenn er mich nicht aufgefangen hätte. Schüchtern sah ich ihm in die Augen und das waren die schönsten Augen, die ich je gesehen hatte. Dunkel, fast schwarz und so ausdrucksstark, dass meine Knie zitterten und ich nicht wusste, ob ich stehen konnte, wenn er mich losließ.

      Er drückte mich auf die Bank und würdigte Bea keines Blickes, die sich an seinen Arm klammerte.

      Ich blickte ihn verwirrt an, dann sah ich Bea an und er sagte etwas zu ihr, sah ihr dabei fest in die Augen und sie nickte, ging zum Pferd und ließ uns allein. Mich wunderte das, denn normal hätte sie ihn mir vorgestellt.

      Er setzte sich neben mich und ich hatte Angst, dass ich wieder zu sabbern anfing, wenn ich ihn ansehen würde. Also starrte ich auf meine Hände und zwang mich, sie ruhig zu halten, denn sie zitterten unaufhörlich.

      "Hallo",