Lisa W. Barbara

Avenae


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froh, endlich einen neuen Lebensinhalt zu finden, was nicht mit Hochzeit und Babys zu tun hatte.

      Tom war fast zur gleichen Zeit mit dem Aufzug da, doch ich war schneller in seinem Büro.

      Dort standen sie und sahen mich an. Ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie bereits wussten, dass ich Bescheid wusste.

      "Also schön, was tun wir?"

      "Wir tun gar nichts Avenae. Nur ich und mein Team."

      Tom hatte mich eingeholt und ging zu seinen Leuten.

      "Du wirst nach Hause gehen, Dana wird dich begleiten. Und du wirst dich nicht dahineinziehen lassen."

      Ich war wütend, doch ich konnte absolut nichts tun. Ich war machtlos gegen ihn.

      "Willst du noch einen Tee?", fragte Dana mich und werkelte an meiner kleinen Küchenzeile herum. Ich schüttelte den Kopf und trat auf den Balkon. Sofort kam sie mir nach. Als wie wenn ich so dumm wäre, vom siebten Stock nach unten zu springen. "Macht´s dir was aus?", meinte sie vorsichtig und zog eine Zigarette heraus. Wieder schüttelte ich den Kopf und wir schwiegen, während sie an ihrer Zigarette zog und der Qualm sich mit der Luft vermischte. "Darf ich auch mal?", fragte ich und sie sah mich mit demselben Blick an, als hätte ich sie gerade gefragt ob wir zusammen ins Bett wollten. "Was würde Tom dazu…?", fing sie an, doch ich war kurz davor, ihr eine zu scheuern. "Das ist mir sowas von egal. Wahrscheinlich lyncht er mich. Komm schon. Nur einen Zug", bettelte ich und wusste nicht einmal wieso ich das tat. Ich hasste Zigaretten. Dana sah für einen Moment so aus, als würde sie nun mir liebend gerne eine Ohrfeige geben wollen, doch dann reichte sie mir die Zigarette und ich nahm einen großen Zug. Sofort füllte sich mein ganzer Mund mit Qualm und ich hustete. Bäh, sowas ekliges. "Gib wieder her. Du hast genug", sagte Dana und versuchte, mir die Zigarette wegzunehmen. Doch ich drehte mich weg und nahm noch einen Zug. Gar nicht mal so schlecht. "Was macht ihr denn da?" Ich erschrak sosehr, dass ich die Zigarette fallen ließ. Na super. Warum musste Tom ausgerechnet jetzt auftauchen? "Nichts. Nichts. Rein gar nichts!", sagte Dana und versuchte sich von meinen Händen zu befreien. "Ahja. Sicher? Habt ihr geraucht? "Ich nickte heftig und deutete auf Dana. "Sie. Ich nicht. Das weißt du doch, dass ich das nicht mag." Er sah uns skeptisch an und ging mit hochgezogenen Augenbrauen in meine Wohnung zurück. Dana ging.

      Und dann hatte uns der Alltag wieder. Genau das, was ich nie wollte. Wir fuhren zusammen zur Arbeit, gingen zusammen von der Arbeit, ich wurde nicht in Toms Abteilung versetzt und musste mit auf Streife gehen. Mein Freund erlaubte es widerwillig, dass ich mit Dominik auf Streife fuhr. Anscheinend waren er und ein Polizeiwagen Schutz genug. Dominik war ein guter Freund von Tom und er hatte mehr als einmal versucht, mich anzubaggern, obwohl er genau wusste, wie sehr ich Tom liebte. Er nannte mich immer Blondie obwohl ich überhaupt nicht ganz blond war. Nur ein paar Strähnchen hatte ich, doch der Spitzname stammte davon, dass ich mir einmal versucht hatte die Haare aufzublondieren und einfach nur schrecklich aussah, mit dem Grünstich in den Haaren. Außerdem sagte er immer ich stelle mich dümmer an als eine Blondine. Seitdem nannte er mich Blondie, auch als ich ihn einmal fast verprügelt hatte wie er durch die ganze Polizeiwache geschrien hatte ich sei grünhaarig.

      Am Dienstag fuhren Dominik und ich wieder zusammen durch die Straßen und es war ruhig. Nichts spannendes passierte bis auf ein paar Jugendliche, die den Morgen genossen und es mit dem Alkohol übertrieben hatten. Wir brachten einen Jungen zur Schule, der Schwänzen wollte. Alles war wie immer und als wir wieder in der Polizeiwache waren, wollte ich Tom abholen, da er darauf bestand, dass wir zusammen heimfuhren. Als er zehn Minuten zu spät war, und er eigentlich immer überpünktlich war, ging ich zu seinem Büro und klopfte. Nichts. Keiner machte auf. Ich drückte die Tür auf und die automatische Lichtanlage ging an. Mhm, komisch. Wo war er nur? Ich ließ meinen Blick durch sein Büro schweifen und er blieb an der Tafel mit den vermissten Mädchen hängen. Neben den Bildern waren noch Karten aufgehängt, wo man die Mädchen gefunden hatte, wo man sie zuletzt gesehen hatte und Namen hingekritzelt waren. Und dann kam mir eine Idee. Schnell nahm ich mein Handy, lehnte die Tür an, sodass mich keiner sah und fotografierte die Tafel. Anschließend ging ich zum Schreibtisch. Ich wusste, dass Tom seine Unterlagen immer in der Schublade einschloss. Ich zog an der Schublade und wie sollte es auch anders sein, sie war zu. Schnell suchte ich den Tisch nach dem Schlüssel ab, fand ihn unter einem mehr als kitschigen Briefbeschwerer in roter Herzform, den ich Tom mal geschenkt hatte und schloss die Schublade auf. Darin lagen die Unterlagen, die ich brauchte. Fahrig, weil ich keine Zeit verlieren wollte, fotografierte ich jede einzelne Seite und schloss die Schublade wieder zu. Ich steckte den Schlüssel wieder unter den Briefbeschwerer, auf dem ein Foto von mir und Tom geklippst war. Er starrte mich an und ich bildete mir seinen tadelnden Blick ein, wenn er wütend war. Ach Tom. Dann fuhr ich auf. Ich hörte Schritte und schnell sprang ich zum Fenster. Die Tür wurde aufgestoßen und Tom stand darin. "Was machst du denn hier?", fragte er vorwurfsvoll und ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe dich gesucht. Du warst ja nicht da. Ich war jedenfalls da", band ich ihm auf die Nase. Geschieht ihm nur Recht.

      Abends kamen noch Dana und Dominik bei Tom vorbei und wir aßen selbstgemachte Lasagne. Tom machte die beste Lasagne auf der ganzen Welt und wir verloren kein einziges Wort über die Mädchen. Doch meine Gedanken schweiften immer wieder zu ihnen. Bisher hatte ich noch keine Zeit gehabt, die Fotos, die ich gemacht hatte genau anzuschauen.

      Ich sagte Tom, dass es mir nicht gut ging und er begleitete mich noch in meine Wohnung.

      Endlich allein, schmiss ich meinen Laptop an, zog die Fotos auf die Festplatte und druckte sie aus.

      Ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste dringend mit jemandem reden, der kein Polizeiabzeichen hatte und mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Mir fiel nur eine Person ein. Bea.

      Ich packte meinen Schlüssel, die Fotos, die ich in meine Tasche stopfte und schloss die Tür hinter mir zu. Als ich die Treppe runterlaufen wollte, ging die Tür zu Toms Wohnung auf und ich drückte mich gegen die Wand, um mit ihr zu verschmelzen und unsichtbar zu werden. Aber leider gibt es ja sowas wie Bewegungsmelder, damit die Lichter angingen und er starrte mich böse an.

      "Ich dachte dir geht’s nicht gut?", sagte er, während er zu mir runterkam, und mich die Stufen an der Hand wie ein ungezogenes Kind hochzog.

      "Was hast du für ein Problem? Ich will doch nur zu Bea!"

      "Was willst du denn bei der?", fragte er. Ich hatte ihm von Bea erzählt, dass sie eigentlich meine einzige Freundin war, aber er hatte sich nie mehr nach ihr erkundigt.

      "Reden?"

      "Ave… du sollst nicht mit anderen darüber reden, was in der Arbeit passiert. Das weißt du doch?"

      Ich räusperte mich und sah ihn an.

      "Es gibt auch noch andere Dinge, die ich mit ihr bereden will. Zum Beispiel, ähm, über Jungs. Sie hat mir geschrieben, dass sie wen kennengelernt hat und dass sie mir von ihm erzählen will. Also warum sollte ich nicht zu ihr fahren?"

      Er seufzte und hielt mir die Hand her.

      "Was?", fragte ich verwirrt und starrte total bescheuert seine Hand an.

      "Handy. Ich will das sehen. Das was sie dir geschrieben hat."

      Ich konnte es nicht fassen. Einen Moment später, als die Worte mein Hirn erreicht hatten, hatte ich einen Wutausbruch.

      "Sag mal geht’s noch? Du willst jetzt auch noch mein Handy kontrollieren? Ich sag dir eins, Tomas Kellner, wenn ich dich einmal auch nur ein einziges Mal an meinem Handy sehe, dann… dann.."

      Er lehnte sich gegen das Treppengelände und zog wieder die Augenbrauen nach oben.

      "Dann was?"

      "Dann… dann… dann setzt es was und zwar gewaltig!"

      "Ja klar… Okay, ich glaub dir. Aber Babe, es ist sieben Uhr an einem Freitag Abend. Meinst du nicht, sie hat was zu tun, wenn sie gerade jemanden kennengelernt hat?"

      "Nein, ich hab sie angerufen und sie freut sich, wenn ich komm", log ich und versuchte, seinem Blick Stand zu halten. Er glaubte mir anscheinend, ziemlich unerwartet weil ich eine lausige Lügnerin war, und er zog mich die restlichen Treppen rauf und in seine