Lisa W. Barbara

Avenae


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Café. Eine Sekunde später stand ich schon hinter dem Tresen und nahm dem Postmann die Post für mein Café ab (noch mehr Rechnungen, was auch sonst).

      Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und reichte ihm seinen Kaffee, den ich in Rekordzeit zubereitete, wobei die bescheuerte Kaffeemaschine zum zehnten Mal in der Woche verlangte, dass ich ihren Filter wechseln sollte. Ich verpasste ihr einen Schlag und sie blubberte schön brav weiter.

      "Danke Avenae. Sie sehen heute wieder einmal bezaubernd aus."

      Und natürlich gab er mir wieder viel zu viel Trinkgeld, der alte Sack.

      Während er mein Café verließ und mir nochmal winkte, dachte ich darüber nach, ob er das schon jemals zu seiner Frau gesagt hatte, falls er überhaupt eine hatte.

      Meine Kundschaft bestand hauptsächlich aus Polizisten, Studenten und was ich am allermeisten hasste, Touristen, denn mein Café lag, wie schon erwähnt, neben der Polizeistation und dem Strand. Außerdem konnte man, wenn man auf meiner Terrasse saß, auf das Meer blicken, das sich gleich dahinter erstreckte. Eigentlich ein Traum.

      Nachdem sich allmählich der morgendliche Andrang der Kaffeesüchtigen gelegt hatte, machte ich mich über das Paket her. Ich wusste um Himmelswillen nicht, wer es mir geschickt haben könnte. Bestellt hatte ich nichts und Verwandte oder Freunde konnte ich auch ausschließen. Geburtstag hatte ich erst wieder nächstes Jahr, also von wem sollte es sein?

      Neugierig zog ich an der Paketschnur, die partout nicht aufgehen wollte. Ich griff hastig nach einem Messer und schnitt mir fast meinen Finger ab, aber letztendlich löste sich die Schnur doch noch und ich riss das Papier ab. Mir fiel ein Brief entgegen. Er war aus gelblichem Papier. Ich hob ihn hoch und erstaunte. Da stand doch tatsächlich mein Name drauf. Und eine Verwechslung konnte es nicht sein, denn mit meinem Namen gab es sicherlich nur eine Person auf der Welt. Doch wer hatte auch nur einen Tintentropfen und vor allem das Porto verschwendet, mir einen Brief zu schreiben?

      Langsam riss ich den Umschlag auf, zog ein Blatt Papier heraus und begann zu lesen.

       Avenae,

       glaub mir, um dir diesen Brief zu schreiben, brauchte ich all meinen Mut. Aber ich habe keine andere Wahl. Du musst endlich wissen, wer du bist, wer ich war.

       Du wirst dich vielleicht nicht mehr an mich erinnern, aber wenn du diesen Brief liest, dann musst du wissen, dass meine Zeit abgelaufen ist. Ich kann nicht mit dem Gefühl gehen, dass du überhaupt keine Ahnung hast, was in meiner, deiner Welt vor sich geht.

       Ich finde einfach nicht die richtigen Worte, dass du verstehst, warum ich dich verlassen musste, aber eins kann ich dir sagen, Avenae bitte vergib mir. Vergib mir für das, dass ich nicht bei dir war, als du mich brauchtest. Aber dort, wo du bist, bist du am besten aufgehoben, noch. Und irgendwann, vielleicht sogar sehr bald, wenn du diesen Brief erhältst, wirst du mich verstehen. Bitte Avenae vergib mir.

      స 2 స

      An manchen Stellen war die Tinte von Tränen verschwommen.

      Was um alles in der Welt sollte das denn? Wollte mir jemand einen Streich spielen? Der Typ von nebenan? Wenn ich den in die Finger bekam, dann konnte er sich ja mal auf was gefasst machen.

      Verärgert nahm ich das Päckchen in die Hand. Es war eine kleine Schachtel darin. Langsam hob ich den Deckel und öffnete sie.

      In einem von Samt überzogenem Polster lag ein… Ja was sollte das sein? Ein Zahn? Ich nahm das Ding hoch und merkte, dass es an einer Kette hing. Nein… es war ein Mond, genaugenommen ein Halbmond. Jedenfalls der unterste Anhänger, genaugenommen waren es drei Anhänger. Der in der Mitte war eine Blume. Eine Rose, die aussah, als wäre sie einmal echt gewesen und dann in einer Art Gelee eingegossen worden. Ganz oben hing ein Plättchen, auf dem irgendwelche Zeichen eingraviert waren. Ich verzog das Gesicht, fast schon enttäuscht. Sowas bekam man für wenige Euros in jedem Chinaladen.

      Ich war mir echt nicht sicher, ob das ein Scherz war oder nicht.

      Aber was wenn die Sachen tatsächlich von meiner Mutter waren, auch wenn sie einfach nur billig und ramschig aussahen?

      Auch egal, dachte ich. Die Kette war auf jeden Fall wunderschön und sie passte mit ihrem Goldton perfekt zu meinem Look. Ich zog sie heraus und band sie mir um. Neben dem Tresen hatte ich einen Spiegel stehen. Wow, dachte ich. Perfekter als perfekt.

      Die Anhänger lagen warm auf meiner Haut, erstaunlich warm. Seltsam, dachte ich, normalerweise waren Ketten wenn man sie anzog ziemlich kalt und nicht warm.

      In Gedanken sah ich hoch, denn ich bemerkte, dass ich beobachtet wurde.

      Da war er wieder.

      "War das in dem Päckchen, Avenae?"

      Sofort war meine Stimmung im Keller. Da stand er, Tom, mit einem blauen Hemd und einer Polizeijacke. Grrr, ich steh auf Männer in Uniform, dachte ich unwillkürlich und verwarf den Gedanken sofort wieder mit einem Kopfschütteln.

      "Okay, was willst du?", fragte ich schroff und schubste das Paket von meinem Schoß.

      "Ich dachte, hier kann man Kaffee kaufen", meinte er lächelnd, legte seine Kappe auf den Tresen und lehnte sich lässig darauf.

      Oh, natürlich. Hatte ich ja ganz vergessen. Genervt nahm ich die hässlichste Tasse die ich hatte und stellte sie unter die Maschine.

      Die ganze Zeit über lachte er mich an und versuchte mit mir zu flirten, doch ich ging nicht darauf ein, sondern warf ihm nur böse Blicke zu.

      "Und hast du schon darüber nachgedacht?"

      Anscheinend musste ich ihn ziemlich dumm ansehen, denn als ich keinen Schimmer hatte von was er redete meinte er: "Naja, wegen heute Abend?"

      Gottseidank machte die Kaffeemaschine Pieps und der vertraute Geruch von frischem Kaffee stieg mir in die Nase.

      Ich knallte ihm die Tasse hin.

      "Oh, kann ich den auch zum Mitnehmen haben, meine Schicht fängt gleich an, ja, eigentlich bin ich schon viel zu spät", sagte er sanft, während er mir mit einer Hand die Tasse zurückschob und meine Finger streifte, als ich sie wütend in Empfang nahm, die braune Flüssigkeit in einen Becher schüttete und sie ihm wieder hinschob.

      "Das macht dann…", doch weiter kam ich nicht, denn sein Handy klingelte und er packte seinen Kram und verschwand mit einer gemurmelten Entschuldigung in Richtung der Polizeistation.

      "… 2.20 €", murmelte ich und dachte still, das Geld hol ich mir schon noch.

      Der Rest des Tages war eher langweilig, ich hatte nicht außergewöhnlich viele Kunden, ein paar hellten meine Laune auf und ich fuhr abends sogar pfeifend nach Hause, nachdem ich mein Café gut verschlossen hatte.

      Als ich vor meiner Wohnungstür stand, fühlte ich mich schon wieder extrem beobachtet. Schnell schaute ich zu Toms Wohnungstür und konnte fast hören, wie er hinter dem Türspion den Atem anhielt. Genervt ging ich zu der Tür und klingelte.

      Ich verdrehte die Augen, als er so tat, als würde er nicht hinter der Tür stehen und ich konnte mir richtig vorstellen, wie er in Gedanken von 10 runter zählte, um mir nicht gleich die Tür zu öffnen und den Eindruck zu machen, dass er gerade aus dem Wohnzimmer oder so kam.

      Als er öffnete, breitete sich ein strahlendes, aber auch ein bisschen schüchternes Lächeln auf seinem Gesicht aus, sodass ich einen Moment nicht wusste, warum ich eigentlich geklingelt hatte.

      "Avenae, was für eine Überraschung. Hast du dir mein Angebot überlegt?“

      "Ähm, ja, ähm… Also, ich bekomm noch Geld von dir und ich dachte, ich klingle einfach mal und naja…", druckste ich herum und versuchte meine Gedanken zu ordnen.

      "Ja klar, ich geb es dir später.

      Also, was sagst du dazu, wenn ich was für dich koche und du