R. S. Volant

Das verlorene Seelenheil


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ich warte“, sagte er zum König hin, verschränkte die Arme und tippte ungeduldig mit einem Fuß auf und ab.

      Henry begann einfach zu lachen und er lachte, wie lange nicht mehr. Auch über Kais verdutztes Gesicht, aber am meisten über diesen rotzfrechen Lümmel, der mit trotziger Miene vor ihm stand. „Lacht Ihr mich etwa aus?! Ich finde schon, dass ich eine Entschuldigung verdient habe, immerhin habt Ihr es zugelassen, dass Euer Onkel mich nicht mitspeisen ließ! Was denkt Ihr eigentlich, von was ich hier leben soll? Etwa von dem Fraß, den man mir in der Küche vorsetzt?!“, erdreistete der sich zu sagen.

      „Fraß?! Das ist das normale, tägliche Essen, für die Bediensteten!“, schimpfte Kai wieder los. „Es reicht jetzt wirklich langsam! Mach, dass du rauskommst, du freches Ding!“, rutschte es ihm ganz nach Sebastians alter Manier heraus, wenn dieser früher immer Amanoue auf diese Weise ermahnt hatte und sofort war Henry wieder still.

      Der König schnaufte zwangsläufig schwer durch, bei der Erinnerung an die beiden und Kai erkannte augenblicklich seinen Fehler. „Vergebung, Eure Majestät, das wollte ich nicht“, stammelte er betreten und Henry sah ihn an.

      „Schon gut, Kai“, meinte er und drehte ihnen den Rücken zu. „Ich möchte allein sein, geht, beide“, raunte er, plötzlich mit belegter Stimme.

      Während Kai sich mit einer betretenen Verbeugung abwandte, blickte Laurin ganz offen auf Henrys bebende Schultern. „Was ist mit Euch? Eure Majestät?“, fragte er erstaunt und ging zu ihm. „Eure Majestät, es tut mir leid, ehrlich“, sagte der Junge vorsichtig und vollkommen ahnungslos. „Seid Ihr meinetwegen böse?“

      Henry schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin nicht böse“, antwortete er leise, „und sicher nicht, auf dich.“

      „Warum seid Ihr immer so traurig?“, fragte da Laurin frei heraus und wagte es ihm sachte eine Hand auf den Oberarm zu legen, was Henry regelrecht erzittern ließ.

      „Lass ihn los!“, schrie Kai erbost, eilte hinüber und stieß ihn grob weg. „Wie kannst du es wagen, den König anzufassen!“

      Laurin schien nun doch erschrocken zu sein und zum ersten Mal senkte er wirklich erschüttert über sein Handeln, den Kopf. „Vergebt mir, Eure Majestät“, murmelte er verlegen, nur um gleich wieder aufzusehen. „Ich möchte Euch doch nichts Böses, ganz im Gegenteil sogar! Ich sehe doch, dass Euch etwas quält und dies ist mir schon von Anfang an aufgefallen. Alle reden hinter Eurem Rücken, über Euch, nennen Euch `ihren traurigen König´, was ja noch recht nett klingen mag, denn ich hörte schon andere Bezeichnungen, die man Euch gibt! `Trauerkloß´, oder `mürrischer, alter Plagegeist´, nennen sie Euch in der Küche und nicht nur da“, empörte er sich, auch mit einem Seitenblick auf Kai, der daraufhin ertappt die Lippen zusammenkniff.

      „Naja, ganz unrecht haben sie da wohl nicht“, brummte der König und drehte sich seufzend wieder zu ihnen um. „Die letzten Monate war ich wirklich nicht gerade freundlich und umgänglich. Ist schon gut, Kai, er hat ja recht und wenigstens ist er ehrlich zu mir und heuchelt mir nichts vor!“

      „Eure Majestät, ich habe nie…“, erwiderte Kai kleinlaut und Henry schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab.

      „Lass es, Kai! Oder denkst du im Ernst, ich wüsste nicht, was du über mich denkst? Was alle, über mich denken? Dass ich ein gefühlloser, undankbarer und empfindungsloser Egoist bin, der seine Gemahlin zwingt in ein Kloster zu gehen und…“ Henry konnte den Namen noch immer nicht aussprechen, es ging einfach nicht, `Amanoue rausgeworfen hat´, dachte er den Satz zu Ende. Und sah bitter zur Seite.

      „Seht Ihr, genau das ist es, was ich meinte“, mischte Laurin sich sanft dazwischen. „Dieser traurige Blick und dieser fürchterliche Schmerz, auf Eurem Antlitz. Vielleicht kann ich Euch ja helfen darüber hinwegzukommen, über was auch immer“, sagte er achselzuckend. „Zumindest davon ablenken, hm?“, meinte er so spitzbübisch, dass Henry tatsächlich leicht schmunzeln musste. „Und ich weiß auch schon, wie!“, rief er, darüber ermutigt und grinste breit. „Was haltet Ihr davon, wenn wir heute Abend zusammen speisen?! Nur wir beide und zwar hier! In Eurem Gemach und zwar nach römischer Sitte! Oh ja, bitte“, klatschte er erfreut über seinen eigenen Vorschlag in die Hände. „Bitte, Eure Majestät, ich werde mich auch um alles kümmern“, bettelte er und Henry kaute kurz skeptisch an seiner Unterlippe. „Ich verspreche Euch, dass Ihr es nicht bereuen werdet und, Ihr werdet begeistert sein!“ Laurin sah ihn so herzerweichend an, dass Henry schließlich nur noch nicken konnte. „Oh, danke!“, rief sein Page und wäre ihm beinahe um den Hals gefallen. Im letzten Moment hielt er jedoch noch inne und verzog verlegen den Mund. „Verzeiht mir, ich bin manchmal etwas ungestüm.“

      Henry schnaubte leise, wie immer, wenn er sich im Stillen über etwas amüsierte. „Schon gut“, meinte er nur wieder und schon strahlte der kleine Wirbelwind wieder.

      „Dann bis heute Abend, ja? Und denkt daran, vorher nichts essen!“, sagte er ermahnend und stürmte hinaus.

      „Bitte vergebt mir, Eure Majestät“, wagte Kai sich dazu zu äußern, „aber vielleicht wäre es besser, wenn Ihr diesen Burschen nicht so vertraulich entgegenkommt? Ich meine nur, Ihr kennt ihn doch gar nicht und er erdreistet sich Dinge zu tun oder zu sagen, dass man nur noch fassungslos danebensteht!“

      „Ich kann mich zwar nicht daran erinnern, dich um deine Meinung gebeten zu haben, aber nun gut, jetzt hast du sie kundgetan“, raunte Henry achselzuckend und ging nach hinten in sein Schlafgemach. „Wecke mich in einer halben Stunde, falls ich einschlafen sollte!“

      Kai hätte ihm am liebsten etwas hinterhergeworfen und nicht nur verbal. „Wenn doch nur Sebastian hier wäre“, murmelte er vor sich hin, drehte die Sanduhr um und hockte sich demonstrativ trotzig auf eine der Liegen. Noch am gleichen Tag verfasste er eine Nachricht an Sebastian und klagte dem darin sein Leid.

      ***

      Laurin hatte nicht zu viel versprochen, denn als der König am Abend wieder zurück in sein Gemach kam, staunte er nicht schlecht. Der Mosaiktisch war überfüllt mit allerlei Köstlichkeiten, gebratene Hühnerkeulen, gedünstetes Gemüse, gekochter Schinken, bereits in Scheiben geschnitten, helles Brot, Käse und eine Schüssel mit kandierten Früchten waren darauf angerichtet und Laurin selbst war wie ein Römer mit einer antikanmutenden weißen Toga bekleidet. Um seine Stirn lag ein goldener Reif und auch das kniekurze Gewand wurde von goldenen Spangen über den nackten Schultern zusammengehalten. Der Junge empfing ihn mit einem strahlenden Lächeln und einem geradezu herausfordernden „Na!“, auf den Lippen und brachte Henry damit prompt wieder zum Lachen.

      „Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben und in der Tat nicht zu viel versprochen! Ich bin, was soll ich sagen, doch überrascht“, meinte er ehrlich beeindruckt und der Kleine strahlte glücklich.

      „Wein?“, fragte er und beeilte sich zwei Becher einzuschenken. Einen davon reichte er Henry und der nahm ihn lächelnd entgegen. „Bitte, mein König, nehmt doch Platz“, forderte Laurin ihn auf und Henry setzte sich auf die vordere Liege. „Hm“, machte der Junge nachdenklich und sah zu Kai, der sauertöpfisch etwas abseitsstand. „Wäre es zu vermessen, wenn ich dich bitte, mir ein wenig zur Hand zu gehen? Wärst du so nett und würdest seine Majestät bedienen? Im Liegen geht das ja wohl schlecht“, erklärte er liebenswürdig.

      Kais Gesicht entglitt regelrecht und sein Mund öffnete sich, allerdings weil ihm im wahrsten Sinne die Kinnlade herunterfiel. „Danke, Kai!“, antwortete Laurin daher selbst, trippelte um den Tisch herum und nahm die zweite Liege in Beschlag. Er legte sich sofort seitlich darauf und Henry warf einen Blick auf dessen nackte Beine. Er trug tatsächlich hochgeschnürte römische Sandalen und die Riemchen reichten bis unter die Kniekehlen.

      „Hübsche Schuhe“, sagte er und deutete schmunzelnd darauf, was Laurin erröten ließ.

      „Habe ich mir auch aus Rom mitgebracht“, flötete er, sich ein wenig genierend windend.

      Henry nickte nur und trank einen Schluck. „Ähm, ja, dann lass uns doch anfangen, ich bin wirklich hungrig“, meinte er und Kai stampfte heran wie ein wütender Ochse. Unwirsch spießte er eine der Fleischscheiben