wenn du meinst, Karin wiss' nix von dem Schein, dann hätt'st ihn ja b'halten können. Du hatt'st ja alles kauft, was in dem Ranzen war'.«
»Mir aber g'hört er jedenfalls nit«, versetzte Anna Svärd. »Und ich möcht' dich bitten, ihn aufz'heben, bis d' Karin heimkommt.«
Darauf erwiderte Ingeborg nichts, und Anna Svärd dachte, nun frage sie sich abermals, ob sie nicht doch gezwungen sei, den Gästen Kaffee anzubieten, sowenig sie auch die beiden leiden könne.
Kaum hatte Anna diesen Gedanken zu Ende gedacht, als Ingeborg sich auch schon entschlossen hatte.
»Ich möcht' euch gern mit Kaffee aufwart'n«, sagte sie. »Aber zu meiner Schand' muß ich g'stehn, daß ich gar kein' echten Kaffee im Haus hab'; 's wird nur so 'ne Malz-Zichorienbrüh' werd'n.«
Damit stand sie auf und ging in die Küche. Der Kaffee kam dann auch nach einiger Zeit herein, und es wurden eine und auch zwei Tassen getrunken, aber Ingeborg war und blieb fortgesetzt zurückhaltend. Sie bewirtete die Gäste zwar mit dem Besten, was sie hatte, aber sie tat es widerwillig, das bemerkten die beiden wohl.
Erst als alles vorüber war, machte Anna ihrer Mutter ein kleines Zeichen, und nun begann die Alte sofort.
»Anna ist 'n bißchen genierlich, es selbst zu sag'n«, fing sie an. »Aber 's ist was Wunderbares g'schehen. Sie soll drunten im Wärmland 'nen Pfarrer heiraten.«
»Was sagst!« rief Ingeborg. »Soll sie heiraten? Dann wird sie woll nit …«
Sie stockte, weil sie sehr zartfühlend war. Sie wollte nicht merken lassen, daß sie gleich daran dachte, welchen Vorteil das für sie selbst haben könnte.
Aber Mutter Svärd antwortete auf die nur halb ausgesprochene Äußerung. »Ne«, sagte sie, »d' Anna wird nimmer mit'n Kramsack 'rumziehen. Sie kriegt 'nen Pfarrhof und Pferd und Kuh, Magd und Knecht.«
Ingeborg lächelte mit dem ganzen Gesicht. Das war eine herrliche Nachricht.
Sie stand auf und verneigte sich. »Ja, aber um's Himmels willen, warum hast's denn nit gleich g'sagt? Traktier ich 'ne künftig' Pfarrfrau mit Malzkaffee! Bleibt doch da, ich will gleich untersuch'n, ob ich nit doch irgendwo noch 'ne Tüte richtig'n Kaffee liegen hab'. Setzt euch, setzt euch, bitte, bitte!«
Die Frau Schultheiß
Als Anna Svärd einige Wochen daheim gewesen war, ging sie eines Tages mit ihrer Mutter nach dem Hofe des Amtsvorstandes Schultheiß Ryen, der eine kleine Strecke nördlich von Medstuby lag, und da baten sie um eine Unterredung mit der Frau Schultheiß. Sowohl Jobs-Erik als auch Ris-Ingeborg wußten von dieser Absicht und billigten sie. Ingeborg war jetzt ihre beste Freundin, und sie war eifrig darauf aus gewesen, daß Anna und ihre Mutter nach dem Schulzenhof gingen, wenn sie es nicht geradezu gewesen war, die den ganzen Plan ins Werk gesetzt hatte.
Mutter und Tochter kamen also auf den Schulzenhof; sie gingen durch die Küche ins Haus, was die alte Berit durchaus wollte, obgleich Anna meinte, eine künftige Pfarrfrau müßte eigentlich durch die Vordertür eintreten. Von der Küche wurden sie in die Küchenstube geführt, wo die Frau Schultheiß eben die auf einem großen Klapptisch ausgebreitete Wäsche zählte. Sie zog die Augenbrauen ein wenig hinauf, als die beiden eintraten, und sah nicht besonders erfreut aus. Die Geschichte, daß Anna Svärd einen Pfarrer heiraten werde, hatte sie natürlich auch schon gehört, und sie war klug genug, zu erraten, was die beiden Frauen von ihr wollten. Aber deshalb nahm sie sie selbstverständlich doch freundlich auf. Sie begrüßte sie, gab ihnen die Hand und bat sie, sich zu setzen, damit sie in aller Ruhe ihre Wünsche vorbringen könnten.
Mutter Svärd sollte das Wort führen, so war es im voraus bestimmt worden. Ris-Ingeborg hatte gesagt, so sei es am passendsten, und sie hatte die Mutter außerdem ermahnt, nicht zu viele Umschweife zu machen, sondern geradeswegs auf die Sache loszugehen. Anna Svärd saß also still dabei und hörte zu, während die alte Berit sagte, sie seien gekommen, um zu fragen, ob nicht Anna zu einer Art Ausbildung einige Monate auf den Schulzenhof kommen könnte. Sie solle einen Pfarrer drunten in Wärmland heiraten, und da müsse sie doch lernen, wie es in einem Herrenhause zugehe.
Frau Ryen war klein und beweglich; sie hatte kleine, scharfe Augen, war aber sonst durchaus nicht häßlich, sondern sah sehr liebenswürdig aus. Sie war außerordentlich lebhaft und konnte nie ganz still sitzen. Solange Berit redete, zählte sie nebenbei eine Beuge Handtücher durch. Sie verzählte sich nicht ein einziges Mal, sondern legte Dutzend um Dutzend auf die Seite. Und obgleich sie nur mit einem Ohr zugehört hatte, war sie gleich mit der Antwort parat.
»Ich habe schon von dieser Heirat reden hören«, sagte sie. »Aber die Sache gefällt mir nicht, und ich will nichts damit zu tun haben.«
Kann man sich verwundern, daß die beiden Gäste außerordentlich überrascht waren und kein Wort mehr hervorbrachten? Nun waren sie seit Annas Heimkehr die ganze Zeit vollauf damit beschäftigt gewesen, von Hof zu Hof zu gehen, um Kaffee zu trinken und das zu verhandeln, was zu Werbung und Hochzeit gehört. Wohin sie auch gekommen waren, überall hatten die Leute gesagt, dies sei das Vergnüglichste, was sie seit langer Zeit gehört hätten, und es sei eine Ehre für Medstuby, wenn ein Mädchen vom Orte zur Pfarrfrau erhöht werde. Ja, einige hatten geradeheraus gesagt, früher hätten sie sie nicht leiden können, weil sie Jobs-Erik allzu ähnlich sei und nur ans Geld gedacht habe. Jetzt aber sei sie wie ein umgedrehter Handschuh, nun sei sie so fröhlich und vergnügt, wie ein junges Mädchen sein solle. Wieder andere hatten sich hauptsächlich daran gehalten, daß Berit auf ihre alten Tage eine Heimat bei der Tochter haben werde. Aber überall hatte dieselbe Befriedigung geherrscht. Und nun kam die Frau Schultheiß, ja, die Frau Schultheiß selbst daher und sagte, sie wolle nichts mit dieser Heirat zu tun haben!
Frau Ryen sah, wie niedergeschlagen die beiden dasaßen, und da meinte sie wohl, sie müsse eine kleine Erklärung abgeben.
»Es ist nicht das erstemal, daß ein schönes Mädchen einen vornehmen Herrn heiratet«, sagte sie. »Aber solche Heiraten fallen selten gut aus. Du, Berit, solltest meiner Ansicht nach Anna raten, den Gedanken an diese Heirat aufzugeben.«
Als Frau Ryen das gesagt hatte, war es, als erwache Anna Svärd wie aus einem Traume. Während der letzten Tage waren die jungen Männer und die Mädchen aus Dalarne, die zur Sommerarbeit auswärts gewesen waren, allmählich wieder nach Medstuby zurückgekehrt. Von den jungen Mädchen, die fortgewesen waren, hatten einige Gartenarbeit übernommen gehabt, andere hatten in Stockholm die Leute über den Nordstrom hinübergerudert, viele hatten in den Brauereien Flaschen gespült; aber überall hatten sie immer nur die tägliche Arbeit gehabt, sonst hatten sie nichts erlebt. Als sie nun hörten, was einem alles draußen in der Welt begegnen konnte, da glänzten ihre Augen, und Anna mußte einmal ums andere erzählen, wie der junge Pfarrer auf der Landstraße auf sie zugekommen war, was er gesagt hatte und was sie gesagt hatte. Die jungen Dalburschen aber hatten den Bericht auf andere Weise aufgenommen. Bis jetzt hatten sie durchaus kein Wesen aus Anna gemacht, jetzt aber sagten sie, sie könnten nicht begreifen, wo sie ihre Augen gehabt hätten. Kaum war Anna mit einem von ihnen allein, als er auch schon herausstieß, falls den Pfarrer dort drunten in Wärmland der Reukauf ankomme, brauche sie sich deshalb nicht zu grämen. Der hier auf der Dorfstraße an ihrer Seite gehe, sei bereit, ihr vollen Ersatz zu bieten.
Aber hier kam nun die Frau des Schulzen daher und sagte, sie solle nicht an eine Heirat mit einem vornehmen Manne denken. Sie war wohl zu gewöhnlich für ihn. Ja, das meinte die Frau Schultheiß wohl.
Anna sagte kein Wort. Sie stand nur von der Bank auf, und Mutter Berit tat dasselbe. Die Frau Schultheiß schüttelte ihnen ebenso freundlich die Hand wie bei ihrer Ankunft und begleitete sie auch hinaus. Ob sie das tat, weil sie meinte, die Dienstboten brauchten es nicht zu sehen, wenn die beiden niedergeschlagen und entmutigt fortgingen, oder ob sie es aus einem andern Grunde tat, wußten die Gäste nicht; aber sie geleitete sie durch den Saal und den Flur, wodurch sie des Weges durch die Küche enthoben wurden.
Als Anna mit der Mutter auf der Landstraße dahinwanderte, dachten beide, dies sei das schlimmste, was ihnen geschehen konnte, nämlich