Ewa A.

Lord of the Lies - Ein schaurig schöner Liebesroman


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lag in der Luft, nach Verwesung, Rauch und … Metall. Ein tiefes, fortwährendes Gemurmel drang an ihre Ohren und, so sehr sie sich bemühte, sie konnte die einzelnen Worte nicht verstehen. Ihre Lider waren träge. Überhaupt war sie müde, so entsetzlich müde und doch musste sie wach werden. Schnell. Unbedingt. Sie wusste nicht warum, aber sie spürte die Notwendigkeit dazu. Etwas tief in ihr warnte sie vor einer Gefahr. Bloß welcher?

      Es war kalt. Ein Frösteln überzog das fünfzehnjährige Mädchen und ließ ihren schmalen Körper zittern. Sie wollte die Arme und die Beine an ihre Brust ziehen, um sich zu wärmen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Ketten rasselten. Panik brach in der jungen Frau aus. Nur mit Mühe gelang es ihr endlich, die Augen zu öffnen. Über ihr, in dämmernder Finsternis, konnte sie die Decke erkennen, die aus grob gemeißelten Steinblöcken bestand.

      Wo war sie bloß? Sie konnte sich erinnern, mit ihren Eltern auf einer Abendgesellschaft gewesen zu sein. Ihr war schlecht geworden und sie war in den Garten hinausgegangen, um frische Luft zu schnappen … Ab diesem Zeitpunkt verlor sich jedoch ihre Erinnerung in einem undurchdringlichen Nebel.

      Die Lider des Mädchens fielen wieder zu, aber sie kämpfte sich in die Wirklichkeit zurück. Hechelnd wand sie ihren Kopf und entdeckte die Gestalten, die neben ihr standen. Es waren zwei Personen in weiten Kutten, deren Stoff rot glänzte. Ihre Gesichter lagen unter den großzügigen Kapuzen im Schatten. Kerzen auf goldenen Kandelabern erhellten mit ihren zuckenden Flammen die düstere Szenerie, die der jungen Frau ungeheure Furcht einjagte. Angstschweiß kroch aus ihren Poren, denn sie bemerkte, dass noch weitere Kuttenträger um sie Stellung bezogen hatten. Vollkommen nackt, mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen hatte man sie auf einem steinernen Tisch angekettet, der die Form eines X’ hatte. Vier vermummte Gestalten hatten sich jeweils an ihren Hand- und Fußgelenken platziert, ein fünfter hinter ihrem Kopf und ein sechster zwischen ihren Beinen. Lauthals begann das Mädchen zu schreien und zerrte wild an ihren Ketten, um sich zu befreien.

      Doch keiner der Kuttenträger scherte sich darum. Nur derjenige, der zwischen ihren Beinen verharrte und die seltsamen Worte murmelte, in einer Sprache, die sie nicht verstand, hob sacht seinen Kopf. Sie konnte das grausame Lächeln ausmachen, das seine gelben Zähne freilegte. Er war anscheinend der Anführer der Kuttenträger, denn er hielt ein schwarzes Buch in der Hand, aus dem er vorlas und das er schließlich zur Seite legte.

      Als er verstummt war, wimmerte das Mädchen atemlos in seine Richtung: »Bitte! Bitte, lasst mich gehen!«

      Da sie sich selbst nicht von den eisernen Fesseln befreien konnte, hatte sie beschlossen, um ihr Leben zu betteln. Mit nach vorn gebeugtem Kopf flehte die junge Frau ihren Entführer unter Tränen an: »Ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt. Lasst mich bitte nur gehen! Bitte!«

      Doch der Anführer setzte ungerührt seine Zeremonie fort und holte eine Hostie hervor. Starr vor Angst beobachtete das Mädchen, wie er die Oblate in einer feierlichen Geste emporhob und dabei unverständliche Silben murmelte. Im nächsten Moment senkte er seine Hände. Sie spürte, wie er die Hostie in ihre Scheide einführte, und begann, hysterisch zu kreischen. Dies hielt den Anführer jedoch nicht auf. Fortwährend seinen Sermon aufsagend zog er die Oblate wieder aus ihrem Körper heraus. Voller stummem Entsetzen konnte die junge Frau nur dabei zusehen, wie er die entweihte Hostie in Stücke zerbrach und unter seinen Begleitern aufteilte. Gleichzeitig verspeisten alle Kuttenträger mit geflüsterten Worten ihren Anteil der Oblate.

      Das Mädchen heulte währenddessen jämmerlich: »Bitte, lasst mich nach Hause gehen. Bitte! Ich werde auch niemandem etwas verraten. Ich verspreche es.«

      Ihre Brust bebte vor unbändiger Furcht, aber die Kuttenträger kannten keine Gnade. Indessen der Anführer seine rote Kutte entknotete und beiseite schlug, unter der er keine sonstige Kleidung trug, zogen die anderen aus ihren weiten Ärmeln silberne Dolche.

      Abermals versuchte das Mädchen, sich schreiend loszureißen, bäumte sich unter den Ketten auf und warf ihren Leib hin und her. Doch sie vermochte nichts auszurichten, außer dass sie sich ihre Haut an den scharfen Kanten ihrer Metallfesseln blutig schabte und ihr Rückgrat wegen des harten Steinaltars schmerzte. Ihre fünf Peiniger stimmten derweil im Chor einen monotonen Singsang an. Jeder der vier, die jeweils an ihren Hand- und Fußgelenken standen, schnitt ihr in erbarmungsloser Lethargie die Pulsadern auf.

      Mit einem beißenden Brennen öffneten sich die Adern des Mädchens, das ohnmächtig ertragen musste, wie das Blut aus ihren Wunden heraussickerte und von den Kuttenträgern in goldenen Kelchen aufgefangen wurde. Noch während der Lebenssaft aus der jungen, unschuldigen Frau herausfloss und sie sich weiterhin wehrte, verging sich der Anführer an ihr, mit brutaler Gewalt, begleitet von dem rhythmischen Gezeter seines Zirkels.

      Vier der Teufelsanbeter ergötzten sich an der Gräueltat ihres Meisters und masturbierten laut atmend auf den geschundenen Körper der jungen Frau. Nur der fünfte Kuttenträger verharrte scheinbar reglos hinter ihrem Kopf. Erst als ihm der Anführer ein Zeichen gab, trat er neben sie und holte seinen silbernen Dolch hervor. Während er ihr mit der rechten Hand ganz langsam die Kehle durchschnitt, fasste seine linke nach seinem Glied. Sein animalisches Keuchen hallte durch die finstere Gruft.

      Allmählich schwanden dem Mädchen die Kräfte. Das Letzte, was es sah, bevor sein Lebenslicht endgültig erlosch, waren die zahllosen abgeschlagenen Kinderköpfe. Fein säuberlich aneinandergereiht, prangten sie aufgespießt und angemalt an den Wänden.

      Kapitel 1

       Acht Wochen später

       Londoner Stadthaus der Familie Stuart Clifford

      »Und du bist sicher, dass ich nicht bei dir bleiben soll? Du siehst krank aus, Kolton. Ich mache mir Sorgen um dich.« Kummervoll betrachtete Pearlene den dreizehnjährigen Jungen, der vor ihr im Bett lag. Sie strich seine widerspenstigen blonden Locken zur Seite. Seine Stirn war feucht und die dunklen Augenringe hoben seine Blässe noch stärker hervor.

      Die Baroness Clifford liebte ihren Bruder, der fünf Jahre jünger als sie war, über alle Maßen. Dieser war das Abbild ihres Vaters und hatte leider nicht nur dessen Aussehen vermacht bekommen, sondern auch dessen schwache Gesundheit. Langsam schien sich herauszukristallisieren, dass Kolton die gleiche Anfälligkeit des Vaters geerbt hatte, sich stets eine Erkältung oder andere Krankheiten einzufangen, die ihm stärker zusetzten als anderen Menschen. Seit Monaten kämpfte ihr Vater immer wieder mit Schwächeanfällen, gegen die seine Ärzte nichts auszurichten vermochten. Kuren und Bäder zeigten für kurze Zeit Besserung, die jedoch nicht von Dauer war. Immer wieder musste Duke Clifford das Bett hüten, weil er zu schwach war, sich auf den Beinen zu halten.

      Kolton griff ermattet nach der Hand seiner Schwester und hielt sie fest. »Mir ist nur ein wenig schlecht, Pearlene. Auf keinen Fall wirst du deswegen diese Abendgesellschaft verpassen. Onkel Stuart und Tante Deana haben uns extra mit in die Stadt genommen, damit du auf Bräutigamsuche gehen kannst. Und außerdem ist Reeva schon ganz aufgeregt, weil du sie begleitest.« Müde legte er sich in die Kissen zurück und schloss die Augen.

      Pearlene sah, wie ihr Bruder schluckte, und überprüfte sogleich, ob man ihm eine Schüssel bereitgestellt hatte, falls er sich übergeben musste. Doch Tante Deana hatte wie immer an alles gedacht. Tee und sogar kühles Wasser mit einem Tuch hatte sie bereitlegen lassen. Pearlene befeuchtete jenes und legte es Kolton auf die Stirn.

      »Ja. Unsere Cousine schwärmt mir schon seit Wochen von dem Ball der Shutterfields vor, der die hiesige Ballsaison eröffnet. Der Marquess hat für diesen Abend den Beaumont Park nur gemietet, um seiner Tochter einen glanzvollen Debütantinnenauftritt zu ermöglichen. Kannst du dir vorstellen, was das kostet? Warum gibt man für so etwas ein Vermögen aus?« Mit ihren großen grünen Augen starrte Pearlene ihren Bruder missmutig an.

      Leise hörte sie ihn nuscheln: »Du weißt doch, was Vater immer sagt: Der Londoner Adel liebt es, sich in pompöser Pracht darzustellen. Und wenn Shutterfield einen reichen, einflussreichen Bewerber für seine Tochter sucht, ist das gewiss nicht der verkehrte Weg, sie damit anzulocken.«

      Die Baroness schüttelte seufzend den Kopf.