Ewa A.

Lord of the Lies - Ein schaurig schöner Liebesroman


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Freunden keine Matinee oder Soiree ausgelassen haben, um sich an die diesjährigen Debütantinnen heranzumachen.« Erneut flüsterte Reeva ihr vertraulich zu: »Er soll sogar diverse Affären mit Witwen unterhalten haben.«

      »Er hatte einen Unfall? Himmel! Und dann noch zahllose Affären? Da kann man nur hoffen, dass die Hälfte dieser Gerüchte erfunden ist. Ansonsten müsste er ja ein fürchterlicher Kerl sein«, empörte sich Pearlene über die Ausführungen ihrer Cousine.

      Diese schüttelte jedoch überrascht den Kopf. »Nein, das ist er eben nicht und genau deswegen glaube ich die Gerüchte auch. Na ja, zumindest das mit dem Unfall entspricht der Wahrheit. Vater hatte es Mutter und mir erzählt, als er an jenem Abend vom Herrenclub nach Hause kam. Bei einem Gig-Rennen durch den Park mit seinen Freunden hatte sich sein Wagen ausgekoppelt.«

      »Grundgütiger!«, staunte Pearlene, woraufhin Reeva nickte.

      »Ja, Bradford ist ein richtiger Draufgänger. Kein Wunder, dass er sich mit dem pflichtbewussten Arden überhaupt nicht versteht. Die zwei meiden sich wie Hund und Katze. Laut ihrer Dienerschaft sollen sie sich streiten, dass die Fetzen fliegen. Und seit Bradford keine Gelegenheit auslässt, um den ledigen Frauen nachzulaufen, soll es noch schlimmer sein. Arden ist stets darauf bedacht, den Ruf und das Ansehen seiner Familie reinzuhalten, während sein Bruder sich nicht einen Heller darum schert.«

      Gerade als Pearlene Reeva noch weitere Fragen nach den Zwillingen stellen wollte, wurden sie von zwei jungen Gentlemen unterbrochen, die um einen Tanz baten.

      Arden hatte gerade die Begrüßung seines Gastgebers hinter sich gebracht, als er sich im Zelt umschauen wollte, ob die Freunde seines Bruders schon angekommen waren. Er ließ seinen Blick über die Menge streifen. Es waren die altbekannten Gesichter der Älteren, denen er jedes Jahr begegnete, und die der Jungen, von denen er einige kannte, die ihren ersten Ball erlebten. Gerade den unschuldigen Jungfern wollte er keine besondere Aufmerksamkeit schenken, um keine falschen Vermutungen loszutreten, da man ihn auf solchen Bällen stets als guten Fang beobachtete. Aber als er das blonde Mädchen mitten im Pulk entdeckte, das als Einzige so etwas wie eine Halbmaske vor ihr Gesicht hielt, musste er nochmals genauer hinschauen. Einen Moment später begriff er, dass es keine Maske, sondern eine Brille war und dass sie ihn eingehend betrachtete. Im nächsten Moment wurde ihr klar, dass er sie dabei ertappt hatte. Allerdings konnte er sie weder verlegen kichern noch dreist auffordernd lächeln sehen, was die gewöhnlichen Reaktionen der Damen bei einem derartigen Blickkontakt waren. Die junge Frau senkte sofort ihre Gläser und wandte sich von ihm ab, als habe sie das Interesse an ihm verloren. Er hatte nur kurz ihr Gesicht gesehen, aber dennoch war ihm sofort ihr wundervoller Mund aufgefallen. Herrliche volle Lippen in ebenmäßiger Pracht.

      Verwundert stellte Arden fest, dass sein Körper ihm auf unverständliche Weise deutlich machte, dass ihm die Blondine gefiel. Ja, je länger er sie musterte, desto eindeutiger wurde es, dass sie ihm außerordentlich gefiel. Vom seidig glänzenden Haar über ihr bezauberndes Gesicht, der schlanken Figur mit den kleinen und doch vollen Brüsten bis hin zu ihrer zurückhaltenden Art, all das zusammen löste ein Ziehen in seinen Lenden aus und den Wunsch, sie besitzen zu wollen. Sie war keine von den naiven, jungen Gören, sondern erweckte den Eindruck einer keuschen, bescheidenen Frau. Schmerzlich fiel ihm ein, dass Bradford, wenn er anwesend wäre, sofort Jagd auf sie machen würde. Und eins war so sicher wie das Amen in der Kirche: Sein Bruder würde heute Abend noch auftauchen und dann wäre die Kleine nicht mehr sicher vor ihm.

      Nach einem letzten intensiven Blick auf die junge Frau, der von ihr nicht unbemerkt blieb und ihr sogleich die Röte ins Gesicht steigen ließ, machte sich Arden auf den Weg zu seiner Kutsche.

      Kapitel 3

      Nach dem Tanz luden die Gentlemen Pearlene und Reeva auf ein Glas Punsch ein, das sie ein Stück abseits der Tanzfläche in Ruhe trinken konnten. Mittlerweile war das Zelt dicht bevölkert und die vier stellten sich an einen der hohen Tische, die reihum platziert waren. Während Pearlene an ihrem Getränk nippte, gesellte sich eine Freundin von Reeva zu ihnen, die ebenfalls von ihrem jungen Cousin begleitet wurde. Loraine Sparkle war ein hübsches, rothaariges Mädchen und ihre niedlichen Sommersprossen passten wunderbar zu ihrer aufgeweckten Art. Reeva stellte die beiden Pearlene vor und Loraine verwickelte sie sogleich in eine Unterhaltung.

      »Ist der Ball nicht fantastisch? Es ist mein erster und dann auch noch gleich im Beaumont Park. O Himmel, ich bin so aufgeregt.«

      Pearlene lächelte milde, denn man sah der jungen Frau die Aufgeregtheit an, da sie keine Sekunde stillstehen konnte.

      »Das kann ich sehr gut verstehen, denn mir geht es ebenso. Ich war bisher nur ganz selten in London.«

      Loraines Cousin meinte daraufhin zu Pearlene: »Haben Sie schon gehört, dass es später noch ein Feuerwerk über dem See geben soll?«

      Doch bevor Pearlene antworten konnte, meldeten sich ihre Begleiter zu Wort.

      »Ja, Shutterfield erwähnte es meinem Vater gegenüber.«

      »Der Marquess hat, weiß Gott, keine Kosten gescheut, um den Abend in einen Erfolg zu verwandeln.«

      Indessen die Herren sich weiterunterhielten und dabei um die Gunst der Damen wetteiferten, welche kichernd darauf eingingen, kam sich Pearlene daneben fehl am Platz vor. Sie kannte nur einige der Namen, die aufgezählt wurden, und war von den Prahlereien der jungen Männer wenig angetan, die sich in protziger Selbstdarstellung übten, mit dem Ansehen und Vermögen ihrer Familien. Pearlenes Aufmerksamkeit wanderte deswegen zu einem Gespräch von drei Frauen, die ganz in ihrer Nähe auf einem der unzähligen Diwane saßen und die Leute beobachteten. Die älteste der Damen, eine beleibte Matrone, beugte sich über ihre Nachbarin hinweg, die in der Mitte ihren Platz hatte, zu der Jüngeren am anderen Ende des Sofas.

      »Countess Swanson, wie man hört, hegt Ihr doch regen Kontakt mit dem Magistrat Earl Desmond Berkley? Hat er etwas Neues erzählt, über den letzten Leichenfund?«

      Die Countess Swanson wirkte verärgert und antwortete schnippisch: »Nicht ich hege Kontakt mit dem Magistrat Berkley, sondern mein Gemahl.«

      Die Neugier der Matrone war allerdings dadurch nicht gestillt, weshalb sie nicht lockerließ. »Es heißt, Berkley würde bei Euch zu jeder Tageszeit ein- und ausgehen. Daher lag meine Vermutung nahe, dass Ihr uns etwas über die Mordfälle verraten könnt.«

      Die andere Dame mischte sich nun ebenfalls ein. »Wie mir zugetragen wurde, wurde auch diese Tote mitten in der Wildnis gefunden, genau wie die anderen beiden Leichen. Ohne Kopf! Angeblich waren es alles Jungfrauen.«

      Pearlene hörte die junge Countess in vertraulichem Ton sagen: »Zumindest waren sie dies, als man sie entführte, jedoch nicht mehr, als man sie tot auffand. Der Magistrat schwört, am liebsten würde er sein Amt abgeben und damit auch die Aufklärung der Morde einem anderen überlassen, so schrecklich seien die Opfer zugerichtet worden.«

      Entsetzt schnappten die Älteren nach Luft und auch Pearlene erschrak über die Aussage, bei der man sich ausmalen konnte, was es zu bedeuten hatte.

      Leise, dass es Pearlene fast nicht hörte, gestand die mittlere Dame auf der Bank: »Nicht einmal mein Mann wollte mir genauer erzählen, was er im Herrenclub aufgeschnappt hat, aber er meinte, es wären genügend Beweise an den nackten Körpern, die darauf hindeuteten, dass man die Jungfrauen vor ihre Enthauptung defloriert und ganz fürchterliche Dinge mit ihnen angestellt hätte.«

      Die ältere Matrone nickte unheilvoll. »Ja, man munkelt so einiges. Glaubt der Magistrat, dass diese Morde mit den Funden der Kinderleichen zusammenhängen? Jenen wurden doch auch die Köpfe abgeschlagen.«

      Countess Swanson schüttelte ihr Haupt. »Es sieht nicht danach aus, denn das ist das Einzige, was die Fälle gemein haben. Während die Opfer der Jungfrauenmorde immer Töchter aus gutem Hause sind, stammen die Kinder, deren Überreste man fand, aus der untersten Gesellschaftsschicht. Und vor allen Dingen …«

      Nun musste Pearlene sich anstrengen, um die Countess zu verstehen, da sie immer leiser wurde.

      »… waren