Antje Maria T. Frings

Gesternland


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um den Pool und steuert scheinbar zufällig auf sie zu. „Hi Rebecca. How’re you? Where have you been this morning?“

      Nadja guckt ihn irritiert an. So viel Vertrautheit. Macht er das absichtlich? Meint er, er könne mich eifersüchtig machen, in dem er sich für die nächste interessiert?“

      „Svea had to see the doctor. Nothing serious but it took its time.”

      „Svea?“, wiederholt er. „She’s all right, I hope.”

      „As I’ve said, nothing serious. Just a check-up.”

      Nadja mustert ihn von Kopf bis Fuß. Wieviel Neugier. Was geht es Dich an, welche Töchter hier wann zum Arzt gehen? „Hopefully she’s not pregnant“, wirft Nadja amüsiert ein. Sie grinst, als sie in Mohamads versteinertes Gesicht schaut. Rebecca wirft lachend den Kopf zurück. „Better not. I don’t want to become a Grandma that early!“

      Mohamad starrt Nadja einen Moment direkt und trotzdem regungslos an, nickt dann in Rebeccas Richtung und geht weiter.

      „Warum reagiert er denn jetzt so beleidigt?“

      Nadja zuckt mit den Schultern. „Man muss ihn ja mal konfrontieren dürfen. Mit dieser Scheinheiligkeit, Doppelmoral, Bigotterie….“

      „Ach, Du meinst, er ist echauffiert, weil wir ‚keinen Sex vor der Ehe‘ so leichtfertig abtun?“

      „Auch. Obwohl ich das durchaus respektiere. Aber diese Maßstäbe sollten für ihn genauso gelten.“

      „Habt ihr eigentlich einmal über diesen Vorfall in Sharjah gesprochen?“

      Nadja schüttelt den Kopf. „Wir tun beide so, als wäre nie etwas gewesen. Klappt ganz gut, wie man sieht.“

      „Er war verwirrt damals, oder? Er konnte deine freundliche Geste nicht von einem unmoralischen Angebot unterscheiden, nicht wahr?“

      Nadja zuckt erst mit den Schultern und dreht sich dann zu ihr. „Willst Du seinen versuchten Übergriff etwa entschuldigen?“ Nadja beobachtet Mohamad auf der anderen Seite des Beckens. „Rebecca, eines Tages werde ich ihm noch einmal einen Spiegel vorhalten.“

      Nina kommt zu den Treppenstufen geschwommen. „Sag mal, was ist eigentlich mit eurer Einweihungsfeier?“

      „Ach ja, da waren wir stehen geblieben. Also, am Freitag in zwei Wochen. Dann wären wir, hoffe ich zumindest, soweit fertig… Ich meine, wenigstens soweit, dass man Gäste einladen kann.“

      „Klingt gut, ist notiert. Was können wir mitbringen?“

      „Ganz ehrlich, alkoholische Getränke. Wir haben unser Kontingent bei African + Eastern ausgereizt, als Hennis Vater neulich da war.“

      Nina lacht. „Ich erinnere mich. Die lieben Schwiegereltern haben den sorgsam angesammelten Wein-Vorrat in kürzester Zeit dezimiert.“

      Nadja schüttelt den Kopf. „Als wäre es Traubensaft! Und wir rationieren streng das ganze Jahr. Sparen für besondere Gelegenheiten. Und dann so etwas. Unsere Alkohol-Lizenz setzt uns einen recht strengen Rahmen…bei Hennis Einkommen.“

      Rebecca blickt von ihren frisch lackierten roten Fußnägeln auf. „Ist das einkommensabhängig, wie viel man kaufen darf?“

      Nadja nickt.

      Nina setzt ihre Schwimmbrille ab. „Kein Problem. Jochen kommt bis dahin noch mindestens zweimal am Duty Free vorbei. Das ist ja auch eine Option an Alkohol zu kommen.“

      „Dann kann ich über diesen Vertriebsweg auch gleich noch zwei, drei Flaschen Prosecco bei Dir bestellen?“

      Nina hält abrupt inne. „A propos Prosecco kaufen, wie spät ist es eigentlich?“ Nina schaut auf ihr Handy und fährt erschrocken zusammen. „Was? Schon dreiviertel sechs? Ich dachte, es wäre höchstens vier Uhr!“

      Nadja lacht. „Wie spät ist es eigentlich genau um dreiviertel sechs?“

      „Witzig. Ich muss Jochen vom Flughafen abholen. Der kommt aus Doha zurück!“

      „Dann kann er gleich die ersten beiden Flaschen mitbringen.“

      „Deshalb fiel es mir doch ein!“ Nina springt auf und ruft in Richtung der Tennisplätze ihren Sohn, der nicht antwortet.

      „Ich bring ihn Dir nachher rum“, sagt Rebecca.

      „Ich trete auch demnächst meine Rückreise nach Mirdif an. Könnte Dir daher anbieten, deinen Mann abzuholen, falls er nicht schon in unserem Pool gelandet ist.“

      Nina grinst und wendet sich an Rebecca. „Es wäre hilfreich, wenn Du Fin fährst. Er weiß, wo ein Schlüssel liegt, falls wir noch nicht zurück sind.“ Hektisch stopft sie ihre Badelaken ein und verschwindet mit einem „bis bald dann.“ Sie schüttelt den Kopf und kichert vor sich hin. „Hätte ich doch fast meinen Mann vergessen!“ Bis die Tür mit einem metallischen, dumpfen „Klock“ ins Schloss fällt.

      Nadja setzt sich zu ihrem Sohn ins Wasser und begießt ihn mit einem Wasserstrahl aus einem Sandförmchen, das im Pool schwimmt. Fred juchzt. Könnte ich doch auch gleich zu Fuß in unsere Villa zurückgehen. Weiterhin in Nachbarschaft mit Rebecca. Sie taucht ins Wasser ein, saugt Wasser in ihren Mund und zielt es in einem geraden, starken Strahl mitten in Freds Gesicht. Fred schüttet sich aus vor Lachen. Der britische Junge ist mit seiner Maid schon nach Hause gegangen. It’s tea-time.

      4.Einweihungsparty in Mirdif

      Nadja schlendert mit verkniffenem Blick durchs Haus. Es ist keine große und stattliche Villa, wie vorher in den Arabian Ranches, aber es reicht für uns Vier. Und wir sind die ersten Mieter. Das Haus bildet zusammen mit fünf weiteren eine Reihe. Ein Townhouse. Klingt eigentlich ganz gut. Ein unspektakuläres Reihenhaus. Klingt nicht so gut. Aber das ist es. Versetzt zu dieser Reihe steht jeweils seitlich ein alleinstehendes Haus, das vom Makler als Villa angeboten wird. Diese unterbrochene Hufeisen-Formation umgibt einen Gemeinschaftspool. Eine hohe eingrenzende Mauer zur anderen Seite des Pools schließt das kleine Compound hermetisch. Blicke und Schritte nicht autorisierter Lebewesen sind hier drin unmöglich, in dem zubetonierten Hinterhof. Ein Hinterhof mit Pool, erreichbar über die Terrassen der Häuser. Hier muss man sich verstehen, wenn man ein entspanntes Leben führen will, war der erste Gedanke gewesen, der Nadja bei der Besichtigung durch den Kopf ging. Henny hatte es so gewollt: raus aus der Expatriate-Enklave. „Wenn Vereinigte Arabische Emirate, dann auch authentisch.“ Diese Worte klingen noch in ihrem Ohr, als er in der Nachbarschaft den bevorstehenden Umzug rechtfertigte. Auch wenn sich ein Gefühl von Tausend und einer Nacht hier nicht einstellen will. Es war nicht die einzige Motivation gewesen, in den einheimisch besiedelten Stadtteil zu wechseln.

      Nicht alle Häuser sind bewohnt. Einige Nachbarn hatte Nadja am Pool kennengelernt und gleich zur Einweihungsfeier eingeladen: eine kanadische Familie mit zwei Töchtern im Teenageralter, Zwillinge offensichtlich, und eine schwedische Familie mit Kleinkind in Freds Alter. Mit dem alleinlebenden Schotten aus dem mittleren Haus hatte Henny auf der Straße Bekanntschaft geschlossen.

      Wie Nadja dem Haus etwas Wohnliches verpassen sollte, ist ihr bis heute ein Rätsel geblieben. Und bisher gab es jeden Tag Besseres zu tun, als sich damit abzuquälen und so hatte sie die alten Vorhänge aufgehängt, die nun mit einem halben Meter Überlänge über den Boden wischen. Die zu großen, massiven Möbel stehen dicht gedrängt wie in der Lagerhalle eines orientalischen Möbelgeschäftes. Der Marmorboden ist kalt, das Plastikfurnier der Einbauschränke dunkel und die größte Herausforderung: die Beleuchtung. Insofern ein Problem, da die getönten Scheiben auch tagsüber künstliches Licht erfordern. Ein indirektes Neonlicht aus Leuchtstoffröhren, versteckt hinter der abgehängten Decke, leuchtet den gesamten Raum grell aus. So eine Atmosphäre hatte sie zuletzt in einer Garküche in Bangkok erlebt. Heute passt es. Sie haben Essen bei einem thailändischen Caterer in Jumeirah bestellt. Pünktlich um sieben Uhr wurde es geliefert und wartet seit dem, fachgerecht auf Gaskochern in der Küche aufgebaut, auf einen Ansturm.

      Vor