Antje Maria T. Frings

Gesternland


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guck mal, jetzt hast Du es endlich ausspucken können. „Wie schön, dass sie scheinbar die Richtige gefunden haben.“ Sie erinnert mich an Bobby Brown und ist wahrscheinlich auch ähnlich erfolgreich. Augenblicklich fühlt sich Nadja klein und unbedeutend. Sie hält Ausschau nach Jasper. Wie hält es so ein stiller Mann neben dieser lauten, präsenten Frau aus? Oder braucht ein Stiller den lauten Gegenspieler? Brauche ich nicht auch Henny? Vermutlich bringt Jasper den wahren Erfolg nach Hause. So wird es sein. Nadja lächelt zufrieden und stellt sich neben Henny, um dem Gespräch zwischen Jasper und ihm zuzuhören.

      Das Wohnzimmer füllt sich. Nina ist mit ihrem Mann Jochen aus den Arabian Ranches ‚angereist‘ und schleppt jetzt eine große Sporttasche ins Haus. Fin flitzt nach oben. „Halt. Nimm deine Schlafsachen gleich mit!“ Fin kehrt auf der Treppe um und lässt sich, gespielt genervt, die Tasche vor die Füße stellen. Jochen nimmt Nadja in den Arm. „Gut siehst Du aus. Wie immer. Mirdif scheint Dich nicht altern zu lassen.“

      Nadja verzieht das Gesicht zu einem gequälten Grinsen.

      „Sag mal, ist es okay, wenn ein Geschäftsfreund von mir mit seiner Frau später vorbeikommt? Das hat sich kurzfristig ergeben. Der muss mich dringend sprechen… ich wollte euch natürlich nicht absagen.“

      „Kein Problem.“

      Nina steht hinter Jochen und winkt mit einer Champagnerflasche. „Für Dich!“

      „Der einzige Champagner heute! Ich sag es lieber gleich – bei uns hat es nur zu Prosecco gereicht. Und die stell ich sicher. Für einen gemeinsamen After-Golf-Abend mit Dir.“

      „Ach, willst Du doch noch weiterspielen?“

      Nadja zuckt mit den Schultern.

      Bevor sie sich noch in Erklärungen verheddern kann, betritt Rebecca in einem Salwar Kameez den Wohnbereich. Ihre Lederriemchen-Sandalen klackern auf den Steinfliesen. „Warst wieder in Karama shoppen?“, platzt es aus Nina heraus. Sie mustert Rebecca von Kopf bis Fuß.

      „Wieso? Ist doch gar keine copied hand-bag dabei. Oder wofür ist Karama gleich noch bekannt?“ Nadja nimmt Rebecca in den Arm. „Steht Dir super.“

      Inja schnappt die Wortfetzen auf und steuert auf die Kleingruppe zu. Rebecca lächelt, schaut geheimnisvoll von Nina zu Nadja, neigt sich leicht vornüber und legt dabei die Handflächen vor der Brust aneinander: „Namasté!“

      Und Stefan ergänzt, „und das ist erst der Anfang.“

      „Lass mich raten, Stefan. Du hast Dich jetzt auch für einen Yoga-Kurs angemeldet.“ Nina kichert.

      Stefan verzieht das Gesicht. „Hä? Nein, mit mir hat das erst einmal überhaupt nichts zu tun. Ich bin nur ihr Mann.“

      Rebecca wartet auf einen Moment der Stille und eröffnet: „Ich habe Neuigkeiten!“

      „Du hast Nina und mir auch so eine bezaubernde, verzaubernde Tunika mit passender Hose und Schal aus dem Little India Dubais mitgebracht.“ Nadja hakt sich bei Rebecca ein und befühlt mit der anderen Hand den Stoff, der sich mit einer goldenen Abschlusskante um Rebeccas Handgelenk legt.

      Rebecca kommt wieder nicht zu Wort. Ein für alle Beteiligten unbekanntes, offensichtliches Fotomodel betritt die provisorische Bühne der Selbstdarstellungen. „Hello, good evening, I’m Zula“, kommt es aus dem wohlgeformten Mund einer Frau, die ihre langen Antilopenbeine gekonnt bewegt. Eine gewellte braune Mähne rahmt ein makelloses, milchkaffeebraunes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die einsetzende Stille erinnert Henny daran, dass er die JBL-Box noch nicht verbunden hat, vergisst darüber den Paradiesvogel und nimmt zwei Stufen gleichzeitig nach oben ins Arbeitszimmer. Keiner der Anwesenden kann das exotische Model oder den ihr folgenden, leicht untersetzten Mann zuordnen. „Hi Jochen!“, dröhnt der laut ins Wohnzimmer und scheint zumindest damit seine Frau zu übertreffen. Jochen eilt herbei. Sie umarmen sich und schlagen sich wie alte Kumpels auf die Schultern.

      Diesen Geschäftskontakt muss er später noch einmal genauer erklären, denkt Nadja und hält nach Nina Ausschau, die gerade auf Zula zudrängelt.

      „Hi. I’m Nina. Jochen’s wife.“

      Schneeweiße Zähne blitzen und Zula zieht Nina an sich. Nadja schluckt, ich will nicht von einer Wildfremden in den Arm genommen werden, nur weil ich zufällig Gastgeberin bin.

      Inja nimmt sich vom Tablett ein Glas Prosecco und prostet in die versammelte Gesellschaft ein fröhliches „auf einen schönen gemeinsamen Abend!“ Rebecca kneift kurz die Lippen aufeinander und flüstert dann Nadja zu: „Unsere Auftritte kommen auch noch. ‚Je später der Abend‘ und-so-weiter – weißt Du doch.“

      Nadja stammelt, „nein, vielen Dank, ich möchte gar keinen!“

      Rebeccas Augen blitzen. „Ich hätte da aber noch ein kleines Announcement zu machen“.

      Langsam zieht Nadja eine Augenbraue hoch.

      Rebecca legt einen Finger auf ihren Mund. „Wenn Nina sich da drüben aus der High-Society gelöst hat.“

      Eileen huscht in weißer Karottenjeans mit Strass-besetztem Gürtel an Nadjas Seite. „Muss man die irgendwoher kennen?“

      „Aus Funk und Fernsehen, meinst Du?“ Nadja kichert und beobachtet Zulas Gehabe. „Ich kenne sie jedenfalls nicht.“ Sie schielt auf Eileens Glas. „Aperol-Spritz? Gute Idee. Rebecca, Du auch einen Aperol?“

      Rebecca prüft ihr halbleeres Prosecco-Glas, nickt, rückt weiter auf und bleibt neben Eileen stehen. „Was so ein bisschen Aufmachung bewirkt, oder?“

      Inja schnappt sich ein weiteres Glas Prosecco, steuert auf Zula zu und streckt es ihr entgegen: „Herzlich Willkommen in Mirdif!“

      Mit gekonntem Wimpernaufschlag mustert Zula Inja von Kopf bis Fuß. „Ihr wohnt hier also. Interessant. Authentisch.“

      „Nein!“ Vehement wiederholt Inja, „nein, nein. Wir wohnen da drüben.“ Und zeigt demonstrativ mit ausgetrecktem Arm auf die beleuchtete Villa, die sich durch die Fensterfassade in voller Pracht zeigt. „Ich mache Dich aber gern mit den Gastgebern bekannt.“

      Zula winkt mit der Hand ab und fährt fort, „es scheint ein eher älterer Stadtteil zu sein, in dem ihr hier wohnt. Kannte ich noch gar nicht.“

      „Möglich. Vor allem ist man schnell am Flughafen. Wir jetten viel hin und her.“

      Rebecca winkt Nina zu sich heran. „Mit wem macht Jochen denn Geschäfte, sag mal?“

      Etwas unbeholfen dreht sich Nina zur Seite, zuckt mit den Schultern und rempelt versehentlich Abigail an, die einen überfüllten Teller vom Buffet vor sich her balanciert. „Oh, Entschuldigung!“

      Abigail lacht. „Alles an Ort und Stelle, also auf dem Teller geblieben.“

      Nach einem flüchtigen Blick darauf ruft Nina Rebecca zu: „Guck mal, wenn das keine ayurvedische Kost ist!“

      Rebecca streckt ihren Hals.

      Abigail hält ihr den Teller hin. „Ich hole mir gern einen neuen.“

      Schnell zieht Rebecca ihren Kopf wieder ein. „Oh, Gott, so hab ich das nicht gemeint.“ Sie sieht sich im Wohnzimmer um. „Im Stehen sollte man aber nicht essen.“

      „Deshalb gehe ich auf die Terrasse. Da gibt es Stühle.“

      Mit einer schnellen Handbewegung verdeckt Rebecca ihre Augen. „Ich bin heute kein Kommunikationstalent. Ich hatte überlegt, wenn ich mir jetzt auch einen Teller holen würde…“

      Abigail unterbricht, „dann könntest Du mit mir zusammen auf die Terrasse kommen, die noch keiner entdeckt zu haben scheint.“

      Rebecca streckt einen Daumen in die Höhe. „Bin gleich da.“

      Abigail öffnet die Glasschiebetür zur Terrasse. Angenehme, milde Luft strömt ihr entgegen. Der Mondschein macht es offensichtlich: die Hitze des Tages ist erst einmal wieder geschafft. Anfang