Antje Maria T. Frings

Gesternland


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Licht und täuschen an den Stellen darüber hinweg, dass alles zubetoniert ist. Nichts mehr mit Wüste. Abigail setzt sich auf einen Terrassenstuhl, stellt ihren Teller auf die Balustrade, große Pflanzen in Kübeln, vielleicht sogar Palmen, rings um den Pool. Hm. Ich werde Nadja mal darauf ansprechen, was sie von der Idee hält.

      Mit Nina im Schlepptau betritt Rebecca die Terrasse. „Das ist doch schön hier! Idyllisch! Nadja klingt immer so besorgt.“

      „Ich glaube, das braucht sie nicht.“ Abigail nimmt ihren Teller wieder auf ihren Schoß. „Wir werden hier eine gute Nachbarschaft abgeben. Aber ich kann sie gut verstehen. Mir ging es nicht anders.“

      „Von der guten Nachbarschaft bin ich überzeugt!“ Nina setzt sich auf eine Gartenbank. „Und welche Sorgen hatten Dich getrieben, Abigail?“

      „Wir kennen einige Expats, die in ihren Communities in den Golfstaaten ein Leben wie in Kanada führen. Nur noch das Klima macht den Unterschied aus.“ Abigail lächelt. „Wir waren daher wild entschlossen, alles anzunehmen, uns vollständig in die neue Kultur zu integrieren, wenn wir schon so eine Chance bekommen.“

      Nina unterbricht sie, „und jetzt gibt es keinen Zweifel mehr: ihr werdet euch verdammt gut verstehen!“

      Rebecca nickt. „Und was hatte Dich beunruhigt?“

      Abigail räuspert sich. „Wir wohnten vorher in Sharjah. Für vier Jahre. In einem Compound mit drei weiteren Familien. Ein schönes Compound. Auch mit einem Pool. Ganz ähnlich wie hier.“ Ihr Blick schweift über den Hof. „Und unser Integrationsprojekt ist dort gescheitert. Wir, mein Mann, unsere Zwillinge und ich, sind nun einmal westlich geprägt. Und das lässt sich nicht so einfach abschütteln. Meine Töchter hätten einen Burkini am Pool anziehen müssen. Plötzlich, quasi von einen Tag auf den anderen, als sie sich zu entwickeln begannen. Um keine bösen Blicke aus der Nachbarschaft auf sich zu ziehen, sind sie stattdessen nicht mehr in den Pool gegangen.“

      Rebecca nickt. „Verstehe.“

      „Es ist gar nicht so einfach…mit der Toleranz. Auf beiden Seiten nicht. Ich habe mir dort angewöhnt, einen großen Sonnenhut zu tragen, sozusagen als Kompromiss für eine Kopfbedeckung. Ich war einfach gefangen. Klar hätte ich mich verhüllen können, aber ich wäre mir selbst fremd geworden.“

      „Und ihr wusstet nicht genau, ob euch hier ein gemäßigteres Leben erwartet. Ob es hier ein mehr oder weniger ähnliches Verständnis über das Zusammenleben in einem Compound geben würde?“

      Abigail nickt. „Ganz genau. Ich habe ein großes Interesse an anderen Einflüssen, so lange ich bestimmen darf, wie viel ich für mich und meine Familie zulassen kann. Wenn ich zum Beispiel so einen schicken Sari hätte tragen können, wäre alles in Ordnung gewesen. Das ist doch einer, oder?“

      „Nein, kein Sari. Eine Salwar Kameez.“ Rebecca lacht.

      Abigail lächelt amüsiert. „Was auch immer. Es sieht toll aus. Aus Indien?“

      Rebecca schaut geheimnisvoll zu Nina.

      „Jetzt komm mal raus mit den News, Rebecca.“

      „Wo ist denn Nadja? Dann erzähle ich nicht doppelt.“

      Nina rollt mit den Augen. „Das wird sie notfalls von Abigail oder mir erfahren müssen. Aber Du spannst uns jetzt bitte nicht weiter auf die Folter.“

      „Okay, Katze aus dem Sack: ich habe mich zu einer Yoga-Ausbildung in einem Ashram angemeldet.“

      „Wie lange ?“ Nina starrt sie mit großen Augen an.

      „Der Kurs dauert acht Wochen.“

      „Donnerwetter. Das ist ja … das ist ja…toll. Und aufregend und mutig auch.“

      Abigail fragt: „Wo liegt denn der Ashram?“

      „In Kerala. Ich wäre lieber in den Norden, am liebsten nach Uttarkashi in den Himalaya gereist, unweit der Quelle des Ganges. Aber das ginge erst wieder im Sommer. Witterungsbedingt.“ Rebecca räuspert sich. „Und so lange wollte ich nicht mehr warten.“

      „Wow, Rebecca! Du traust Dich was.“

      „Ich hoffe, mein Mut verlässt mich nicht. Der Alltag ist streng strukturiert und startet früh… um 5.20 Uhr.“

      Nina holt Luft und fährt zuckend zusammen. „Man, hab ich mich erschrocken!“ Aus der Dunkelheit erscheint eine junge Frau. „Entschuldigung. Der Kerzenschein reicht wohl nicht aus, um uns anzukündigen.“

      Abigail streckt sich. „Emily, wen hast Du denn da mitgebracht?“

      Nina antwortet für sie, „Fred, das ist Fred wie er leibt und lebt. Fred, wo kommst Du denn um diese Zeit her?“

      „Ich wollte meinen neuen Freund besuchen.“ Er grinst über das ganze Gesicht. „Aber der soll schon schlafen.“

      „Ist ja auch richtig. Es ist schon spät. Ist bei Dir denn noch keine Schlafenszeit ausgerufen worden?“

      Fred zuckt mit den Schultern.

      Emily verdreht die Augen. „Carl denkt gar nicht daran, zur Ruhe zu kommen, solange sein neuer Freund an die Terrassentür hämmert. Er wohnt doch hier, oder?“

      „Ich hole seine Mutter.“ Rebecca steht auf, dreht sich zu Fred: „Oder kommst Du gleich mit, Fred?“.

      Fred schüttelt verschmitzt den Kopf. „Ist so schön hier draußen.“

      „Hab ich mir gedacht, Banause.“

      „Hast Du nicht freitags deinen freien Tag?“ Abigail schlägt sich an die Stirn. „Ach klar, logisch, Du hast wegen der Party getauscht.“

      Emilys Augen werden schmal. „Von einem freiwilligen Tauschen kann nicht die Rede sein.“

      Nadja stürmt auf die Terrasse. „Du Ausreißer! Kannst doch nicht einfach weglaufen!“ Und zu Emily gewandt: „Danke fürs Vorbeibringen. Magst Du vielleicht ein bisschen reinkommen?“

      Emily legt ihren Kopf schräg und stemmt ihre Hände in die Hüfte. „Ich kann ja schlecht Carl allein lassen.“

      „Nein, stimmt, sorry. Okay, dann aber trotzdem noch einmal danke fürs Bringen!“

      „Tschüss, viel Spaß noch“, raunt sie und ist schon wieder in der Dunkelheit verschwunden. Kurze Zeit später ertönt das Knallen einer Terrassentür.

      Nadja fragt Abigail: „Ist sie die Babysitterin bei Inja und Jasper?“

      „Das Au-Pair-Mädchen. Aus Deutschland übrigens.“

      Die Tür hinter ihnen wird aufgerissen. Inja düst heraus und rauscht wortlos an dem Grüppchen vorbei.

      „Vielleicht sollten sie sich lieber eine philippinische Maid für ihren Sonnenschein zulegen, als ein deutsches, aufmüpfiges Au-Pair-Mädchen.“ Nina streckt nacheinander einzeln ihre Finger aus, als zähle sie Sekunden. „Wobei mir allerdings nicht ganz klar ist, was das AuPair-Mädchen gerade falsch gemacht haben könnte.“

      „Ganz im Gegenteil.“ Nadja stützt sich auf Freds Schultern ab. „Aber ein gutaussehendes AuPair-Mädchen macht wahrscheinlich allein durch die Tatsache ihrer Anwesenheit schon Probleme.“

      „Gute Nacht!“, ertönt es im Chor als Nadja mit Fred an der Hand im Haus verschwindet. Rebecca schenkt die Gläser wieder voll. „Wie viele Models werden denn heute noch erwartet?“

      Nina prustet. „Vor allem von niemand erwartete! Jochen versucht immer noch hinter seinen eigenen Geschäftskontakt zu steigen.“

      „Jochen kennt den gar nicht? Den Michael mit seiner Zula?“

      Nina schüttelt den Kopf und lacht. „Der bietet irgendwie IT-Dienstleistungen an. Aber von jedweder Digitalisierung ist Jochens Firma weit entfernt. Und das Email-Programm läuft.“ Dann registriert Nina ihre zehn ausgestreckten Finger in ihrem Schoß und guckt zur Villa mit den beleuchteten Fenstern am anderen Ende des Compounds. „Das Türknallen