Roberta C. Keil

Sommer des Zorns


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      Ich fixierte seine Augen.

      „Tue ich das denn?“

      Er zuckte mit den Achseln und wich meinem Blick aus. Ich fragte mich, ob Jack mit ihm über Details aus Phoenix gesprochen hatte. Wenn er nur die Bruchteile mitbekommen hatte, die wir beim Abendessen besprochen hatten, konnte er solche Dinge nicht wissen. Woher glaubte er also zu wissen, was ich in Phoenix getan hatte?

      Ich zog verächtlich den Mundwinkel hoch und atmete aus.

      „Du weißt nichts über mich, McLeod!“

      Was dachte er sich eigentlich? Er wusste noch nicht einmal etwas Genaues und verurteilte mich gleich? Ich wurde ärgerlich und erhob mich aus dem Gras. Ein Pfiff und Princess kam zu mir gelaufen. Mit einem Griff zum Sattelhorn und etwas Schwung saß ich auf ihrem Rücken.

      Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, galoppierte ich davon.

      Kapitel 5

      Ich stellte Princess in ihre Box. Der Sattel war schnell weggeräumt und den Rest erledigte Phil, der Stallbursche. Ich dankte ihm kurz und verschwand im Haus, und duschte ein zweites Mal. Stand vor meinem Kleiderschrank und fühlte mich umtriebig. Warum sollte ich nicht nach Phoenix fahren? Ich könnte in den Billard-Saloon gehen, der eine Straße weiter neben dem Char‘s lag, dachte ich. Vielleicht nur eine Runde Pool spielen. Was war schon dabei? Ich vergab mir nichts. Und ich war nicht zwangsläufig darauf angewiesen, mich mit jemandem einzulassen. Nur etwas spielen. Ein bisschen flanieren und sich zeigen. Mehr nicht. Das war nicht verwerflich. Ich musste ja auch nicht bis tief in die Nacht wegbleiben. Ich musste nur ein paar Stunden hier herauskommen. Heraus aus dem Nest, bevor ich einen Koller bekam. Außerdem war es unwahrscheinlich, dass ich dort ein zweites Mal auf Ted Middleton treffen würde. Die Polizei suchte nach ihm, deshalb ging ich davon aus, dass er sich verstecken würde und nicht in Phoenix durch die Clubs zog.

      Kurzerhand zog ich eine enge Jeans, Wasserfall-T-Shirt und Cowboy-Stiefel an. Kleidete mich nicht zu auffällig oder gar aufreizend. Den Hut nehmen und das Zimmer verlassen waren eine Bewegung. Auf der Treppe begegnete mir Jack.

      „Du verlässt das Haus?“

      „Habe ich etwa Ausgangssperre?“ Ich lief weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.

      „Jacky!“

      Ich hielt ein und drehte mich nun doch langsam zu ihm um.

      „Was, Jack? Ich bin achtundzwanzig Jahre alt.“

      Der Drang, mein Verhalten zu rechtfertigen überwiegte. Aber es konnte nicht angehen, dass ich das noch erwähnen musste.

      Er hob die Hand, aber nur um sie gleich wieder resigniert sinken zu lassen, dabei brummte er etwas Unverständliches und setzte seinen Weg nach oben fort.

      Ich ging.

      Bevor ich mich auf die Interstate nach Phoenix begab, stattete ich dem Supermarkt von Camp Verde noch einen Besuch ab. Ich musste noch ein paar Sachen besorgen. Und irgendwie hatte ich Verlangen nach etwas Süßem. Auf dem Parkplatz traf ich Nick, einen unserer Mitarbeiter.

      „Hi, Nick!“

      Er erwiderte nur kurz meinen Gruß und wirkte, als habe er es eilig. Ich sah etwas verwundert hinter ihm her, wandte mich dann aber dem Supermarkt zu. Was unsere Mitarbeiter in ihrer Freizeit taten, ging mich wenig an. Die Glastür öffnete sich und mein Blick fiel auf die Ausgangstür auf der anderen Seite der Kassen. Dort stand eine Frau. Sie starrte mich an und für einen Moment hatte ich das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Gab es das, solch eine verblüffende Ähnlichkeit? Sie wandte sich lächelnd ab, zog ihren Cowboyhut tiefer ins Gesicht und verließ das Geschäft.

      „Hast du noch etwas vergessen?“, fragte mich Milly aus der Drugstore-Abteilung. Ich sah sie fragend an.

      „Nein, ich wollte etwas holen…“

      „Noch etwas zu den Kopfschmerztabletten?“

      „Ich brauche Kopfschmerztabletten. Und die Antibaby-pille.“

      „Die hast du doch letzte Woche erst… - na ja, kann mir ja egal sein.“ Sie unterbrach sich selbst, legte mir die gewünschten Artikel auf den Tisch und nahm mein Geld in Empfang. Dann lachte sie unsicher. Ich wunderte mich über ihr seltsames Verhalten. Ich war seit Wochen nicht mehr hier gewesen.

      Ich verließ den Supermarkt und fuhr weiter nach Phoenix.

      Der Mann spielte jetzt schon die achte Runde gegen mich. Wie es schien, wurde er vom Ehrgeiz gepackt. Die erste Runde hatte er gewonnen, die zweite ging knapp an mich, die dritte wieder an ihn. Jedes Mal spielten wir zum Schluss um die Acht. Dann war ich wieder in Übung und auf der Höhe meines Billardkönnens angekommen. Er wollte um Geld spielen, aber das lehnte ich ab.

      Die Idee, diese Billardkneipe aufzusuchen, war kein Fehler gewesen. Ich amüsierte mich. Es waren ungefähr dreißig Personen anwesend, zum Glück nicht nur Männer. Sie verteilten sich an den zehn Tischen oder saßen an der Bar. Wir belegten den zweiten Tisch und zogen langsam die Aufmerksamkeit der Leute an der Bar auf uns. Die Frau, die seit der dritten Runde jedes Spiel gewann, schien interessant zu sein. Ich hatte Spaß. Wenn ich auch meine Umgebung genau beobachtete. Es gab einige Männer, die offensichtlich, so wie mein Spielpartner, allein hier waren, einige waren in Begleitung ihrer Partnerinnen, andere als Männergruppe. Das Interesse der Letztgenannten wollte ich nicht wecken, aber zwangsläufig schenkten auch sie unserem Spiel ihre Aufmerksamkeit. Einzelne Männer postierten sich um unseren Billardtisch und gaben meinem Gegner Tipps, welche Kugeln er mit welchen Effets anspielen konnte, um sie in den entsprechenden Löchern zu versenken. Doch es klappte nicht immer, wie er es sich vorstellte. Er verlor auch die neunte Partie.

      Ich wollte seine Blamage nicht noch größer werden lassen und lud ihn zu einem Bier ein. Ein belangloses Gespräch folgte. Er war ein guter Billardspieler, aber im Übrigen nicht mein Typ. Deswegen fiel es mir nicht schwer, den Abend nach dem Bier zu beenden. Ich verabschiedete mich freundlich und verließ die Bar.

      Allerdings erwartete mich auf dem Parkplatz eine böse Überraschung. Die Reifen meines Cabriolets waren zerstochen. Alle vier. Einen hätte ich noch mit dem Ersatzrad bestreiten können. Aber vier, das war aussichtslos.

      Ich hörte Schritte hinter mir und drehte mich rasch um. Es war mein Spielpartner, der auf mich zukam. Ich atmete auf.

      „Scheint so, als mag dich jemand nicht.“

      „Sieht so aus.“ Ich mimte die Coole, obwohl nach meinem letzten Erlebnis auf einem Parkplatz jetzt mein Herz raste und ich zugeben musste, ich hatte Angst. Möglicherweise war die Idee, diesen Club aufzusuchen doch nicht so toll gewesen.

      „Hast du eine Idee, wer das gemacht haben könnte?“

      Ich hatte wirklich keine Idee. Vielleicht war es doch Middleton gewesen, der meinen Wagen hier erkannt hatte. Wer mir sonst schaden wollte, wusste ich beim besten Willen nicht.

      „Kann ich dich nach Hause bringen?“

      „Ist vielleicht etwas weit. Ich wohne nicht gerade in der Nähe.“

      Er hob die Schultern. „Ich dachte mir schon, dass du aus dem Norden kommst.“

      „Gibt es Probleme, Jacky?“

      Erleichterung machte sich in mir breit. Aidens Stimme zu hören tat einfach gut. Ich wollte nicht mit einem Fremden nach Hause fahren. Und ein Taxi zu nehmen, würde doch etwas teuer werden.

      „Tja, wie man‘s nimmt!“, beantwortete ich seine Frage. „Nein, keine Probleme, nur vier zerstochene Reifen. Und wo kommst du jetzt her?“

      Er stand neben mir und hob die Achseln an.

      „Ich bin einfach etwas herumgefahren. Kam her und dachte: Die kennst du doch.“ Er lächelte schwach. Das sollte ich ihm glauben? Er war einfach so hier gelandet?

      „Na, dann brauchst du meine Hilfe wohl nicht mehr. War nett mit dir.“

      Mein Spielpartner