Roberta C. Keil

Sommer des Zorns


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ist hier los? Stimmt etwas nicht?“

      Wir hatten den Pickup auf seinem Parkplatz abgestellt.

      „Boss, er läuft unrund.“

      Aiden nahm sich des Problems an und ich ging ins Haus, um zu duschen.

      Dabei wanderten meine Gedanken zu Aiden. Er würde gleich auch eine Dusche nehmen, in dem kleinen Häuschen am Fluss unten. Warum empfand ich plötzlich so für ihn? Spürte die Schmetterlinge im Bauch. Lösten seine Bemerkungen diese Gedanken bei mir aus? Ich wusste ja noch nicht mal, ob er es auf sich bezogen hatte. Möglicherweise meinte er es nicht so.

      Ich traf ihn beim Abendbrot wieder.

      „Was stimmte nicht mit dem Traktor?“, wollte Jack wissen. Es sah Aiden prüfend an.

      „Ein Hydraulikschlauch ist geplatzt. Ich habe ihn mir vorgenommen. Meines Erachtens war da ein Messer am Werk.“

      „Du meinst Sabotage?“

      Aiden nickte nachdenklich. „Es sah danach aus.“

      Jack senkte den Kopf und stocherte in dem Kartoffelsalat herum, der auf seinem Teller lag. Waleah war eine hervorragende Köchin, aber sie reagierte auch gerne betroffen, wenn das Essen nicht zu schmecken schien. Ein kritischer Blick traf ihn von ihr.

      „Das wäre fatal!“ murmelte Jack. Ich fragte mich, wer als Saboteur in Frage kommen könnte. Ted Middleton? Trieb er sich hier auf unserem Gelände herum? Nur unsere Mitarbeiter hatten Zugang zu unseren Maschinen.

      „Ich kann mich vielleicht auch täuschen.“

      Aiden klang nicht überzeugend. Er wollte Jack beruhigen. Aber damit war er nicht sehr erfolgreich.

      „Wir müssen das im Auge behalten. Die Jungs sollen wachsam sein.“

      „Ich werde mit ihnen sprechen.“

      „Ja, aber nur mit denen, denen wir wirklich vertrauen können. Wir haben einige neue Männer eingestellt in den letzten Wochen. Möglicherweise ist einer von ihnen das faule Ei. Und versuche etwas über die Neuen herauszubekommen.“

      „Kann es nicht einfach ein Materialfehler gewesen sein?“

      Ich wollte nicht recht an Sabotage glauben. Warum sollte uns jemand schaden wollen? Wir hatten keine Feinde.

      Aiden hob die Achseln. Er hatte ja schon gesagt, er könne sich täuschen. Aber er schien nicht davon überzeugt zu sein.

      Nach dem Essen sattelte ich Princess und ließ meinen Fragen und ihren Hufen freien Lauf. So konnte ich am besten nachdenken. Die Tatsache, dass sich Middleton hier aufhalten könnte, veranlasste mich, mein Gewehr bei mir zu tragen.

      Ich erreichte die große Weidefläche, verhielt einen Augenblick mein Pferd, bevor ich es wieder antrieb. Aiden wäre kein so schlechter Partner für mich. Er kannte die Ranch von klein auf und legte ebenso viel Herzblut hinein, wie ich. Und er war mein bester Freund. Ich vertraute ihm blind. Vermutlich würde ich wohl kaum einen Fremden finden, der den gleichen Enthusiasmus für die Ranch aufbringen würde. Mit Frank war es mir damals gelungen. Ja, Frank.

      Durch die Ereignisse der letzten Tage, waren meine Gedanken an ihn nicht häufig aufgekommen.

      Langsam fragte ich mich, was genau ich vermisste. War es Franks Wesen, seine Anwesenheit? Oder war es einfach die Nähe, die Zärtlichkeit, die zwischen uns herrschte? Die Zärtlichkeit hatte ich versucht zu ersetzen in diesen Nächten, die ich in Phoenix verbrachte.

      War es vielleicht nur die fehlende Perspektive einer Alternative. Weil einfach kein neuer Partner in Sicht war? Es war schwierig, jemanden zu finden, der sein Leben aufgab um hier mit mir zu leben. Und ich würde mein Leben hier nicht aufgeben. Das wusste ich zu genau. Wäre Frank nicht von Anfang an bereit gewesen, hier her zu kommen, hätte es Schwierigkeiten gegeben. Das meine Zukunft hier stattfinden würde, stand für mich damals schon fest. So wie heute noch.

      Für die Arbeit auf der Ranch fehlte er mir nicht mehr. Ich konnte mit Aiden oder Jack genauso über alles, na ja, über fast alles reden. Der Betrieb lief auch ohne Frank gut. Aiden war von uns verstärkt mit in die Leitung hineingenommen worden. Sein Interesse galt immer schon der Ranch. Somit fehlte Frank hier weniger. Ich arbeitete ja nun auch wieder voll mit und wir kamen damit klar. Was uns an Arbeitern fehlte, hatten Jack und Aiden eingestellt. Wir hatten für diesen Sommer einige neue Mitarbeiter benötigt.

      Die Worte meines Vaters kamen mir in den Sinn. Sollte einer von ihnen ein sogenannter smarter Kunde sein und Sabotage bei uns betreiben? Bis jetzt war es nur ein Schlauch, der aussah, als wäre er mit einem Messer bearbeitet worden. Und Aiden hatte gesagt, er könne sich getäuscht haben.

      Mein Blick wanderte über die Weiden, die ich durchstreifte. Frank! Ich dachte schon wieder nicht mehr an ihn? Wo war meine Trauer geblieben?

      Ich ließ meinen Blick über die Hügelkämme gleiten und erblickte eine Gestalt am Horizont. Ein Reiter, der sich schwarz vor der untergehenden Sonne abhob. Das lange Haar wehte im leichten Abendwind. Ich wusste wer dort vor mir ritt und beschleunigte Princess. Mir war eben im Stall die leere Box seines Pferdes nicht aufgefallen.

      Bei der Größe unseres Ranchgeländes war es sehr unwahrscheinlich, sich hier draußen zufällig zu treffen. Was also tat er hier?

      Mir wurde bewusst, wie vorhersehbar ich war. Jeder auf der Ranch kannte meine Vorliebe für den Norden unseres Besitzes. Hier, wo die Weiden sanft die Hügel hinan stiegen, immer mehr von der roten Arizonaerde durchsetzt und durch einzelne Gruppen Ponderosakiefern oder Kakteen unterbrochen wurden und dann weiter höher in die rötlichen Klüfte der Rocky Mountains übergingen, hielt ich mich gerne auf. Es gab hier wenige Zäune und so konnte ich meinem Pferd freien Lauf lassen. Jeder, der mich kannte, wusste das. Möglicherweise wäre es klug, meine Taktik zu ändern und meine Gewohnheiten abzulegen.

      Ich lenkte jetzt mein Pferd zu einer der Baumgruppen aus Kiefern und stieg ab. Princess durfte einfach etwas grasen. Es war nicht notwendig, sie anzubinden. Der Berglöwe existierte nicht mehr, so drohte keine Gefahr.

      Wie immer ging ich meiner Lieblingsbeschäftigung nach, im Gras zu liegen und den Himmel zu beobachten. Heute zogen leichte Wolkenstreifen, von Flugzeugen verursacht, durch das zarte Rosa des Abendhimmels. Ich sank ins Gras und streckte mich lang aus. Was auch immer Aiden hier draußen hatte tun wollen, er würde auf jeden Fall herkommen, weil er mich gesehen hatte.

      In der Tat dauerte es nur wenige Minuten, und er sprang vom fast noch galoppierenden Pferd ab und fiel neben mir ins Gras. Das hatten wir als Kinder oft gemacht, um den anderen zu erschrecken. Inzwischen kannten wir uns zu gut, als dass es noch gelang. Aber wir hatten uns diesen Scherz schon lange nicht mehr erlaubt. Wir waren jetzt erwachsen.

      Er lächelte mich an und drehte sich auf den Bauch, zog einen Grashalm aus dem Wurzelhalm und kaute auf dem weißlichen Ende, das, wie ich nur zu gut wusste, einen leicht süßlichen Geschmack hatte.

      „Was tust du hier?“, fragte er.

      „Und du?“

      Ich ließ mich nicht ausfragen.

      „Habe nach den Mustangs gesehen.“

      „Ich auch.“

      Er lachte leicht. „Ja, klar, Springfield. – Ich denke, du hast Trübsinn geblasen.“

      „Sehe ich etwa trübsinnig aus?“

      Ich legte ein glanzvolles Lächeln auf mein Gesicht.

      Er sah mich an, wider Erwarten sehr ernst.

      „Wie oft schaust du eigentlich in den Spiegel, Springfield?“

      „Vermutlich viel zu oft. Warum?“

      „Hast du je gesehen, wie hübsch du bist?“

      Ich war überrascht. Aiden hatte mir noch nie ein Kompliment gemacht und gleich tauchte dieses Kribbeln wieder auf, dass ich in den letzten Tagen häufiger in seiner Gegenwart verspürt hatte.

      „Ach, Blödsinn, du Schmeichler.