Roberta C. Keil

Sommer des Zorns


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nur. Offenbar hatte er schlechte Laune, doch ich beschloss, mich davon nicht beeindrucken zu lassen.

      „Bei Gilyard Trees muss der Zaun ausgebessert werden. Die wilden Mustangs können ungehindert in unser Gelände eindringen. Aiden sagte, er hätte dort schon häufig Herden gesehen.“

      Aiden nickte bestätigend.

      „Hm.“

      „Meinst du, es würde Sinn machen, einige von ihnen zu fangen und mit ihnen eine Zucht aufzubauen?“

      Wieder nur brummte Jack als Antwort.

      „Jack? Alles okay?“

      Er hob den Kopf und sah mich jetzt an. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

      „Sagt dir der Name Ted Middleton etwas, Jacklyn?“

      Ich schluckte. Ted Middleton in Kombination mit meinem vollständigen Namen, war eine ernste Ansage. Es klang nach Ärger. Ich bemühte mich, so unbedarft wie möglich zu tun.

      „Habe ihn schon mal getroffen. Warum?“

      „Er machte heute so eine seltsame Bemerkung. – Ich meine, er ist ja nur so ein Speichellecker, aber als er die Unterlagen in die Besprechung mit Mister Withaker reichte, bestellte er mir schöne Grüße an dich. Das Grinsen in seinem Gesicht dabei gefiel mir überhaupt nicht.“

      Jack beobachtete mich jetzt eingehend. „Als ich ihm später in der Bank begegnete, raunte er mir etwas über deine Rocklänge zu, die er dir, wäre er an meiner Stelle, verbieten würde.“

      Er hob etwas den Kopf, jedoch ohne mich aus seinem Blick zu entlassen.

      „Kannst du mir sagen, was er damit meinte, Jacky?“

      Ich zog die Schultern an und rang nach Worten.

      „Ehrlich gesagt, erinnere ich mich kaum an die Begegnung mit ihm. Geschweige denn daran, was ich dabei für Kleidung trug.“

      Seinem intensiven Blick vermochte ich nicht auszuweichen. Er hob etwas die Stimme.

      „Jacklyn! Ich weiß deine nächtlichen Ausflüge nicht einzuordnen. Es geht mich ja auch nicht unbedingt etwas an, weil du erwachsen bist. Aber vielleicht denkst du doch mal darüber nach, wer und was du bist. Dieser, dieser Middleton benutzte das Wort Hure, oder so ähnlich. Ich weiß nicht, was er damit sagen wollte, aber du warst es, die zum Namen Springfield zurückgekehrt ist. Also berücksichtige das bitte bei dem, was du tust.“

      Er erhob sich von seinem Stuhl und verließ das Esszimmer. Das hatte er noch nie getan. Jack blieb immer bis zum Schluss. Er war wohl über die Bemerkung von Ted Middleton wirklich verärgert.

      Aiden wich meinem Blick aus und stocherte in seinem Essen herum. Seine Mutter nahm ihm abrupt den Teller weg.

      „Wenn es dir nicht schmeckt, musst du es nicht essen!“, sie klang verärgert und ich wusste nicht, worüber sie sich ärgerte war.

      Ich rückte meinen Stuhl zurück und nahm meinen Teller, um ihn in die Küche zu stellen.

      „Tut mir Leid, Waleah. Gutes Essen, schlechte Stimmung. Nicht deine Schuld.“

      Damit verließ ich das Esszimmer.

      Hure! Middleton hatte sich tatsächlich die Frechheit herausgenommen und meinen Vater auf unsere Begegnung angesprochen. Nachdem ich das verarbeitet hatte, musste ich mir genau überlegen, wie ich darauf reagieren wollte. Ich ging in mein Zimmer. Dort war es mir selbst am weitgeöffneten Fenster zu stickig. Die Hitze des Frühjahres lag auf den Dächern der Gebäude. Deswegen fand mich wenig später bei den Pferdeställen wieder.

      Princess schnaubte freudig, als sie mich erkannte. Ich streichelte ihr samtweiches Maul. Sie schnaubte wieder. Es klang wie eine Aufforderung, sie aus der Box zu befreien.

      „Okay, Lady, wie du willst. Ich habe aber schlechte Laune.“

      Sie schlug wild mit dem Kopf, als würde sie mich verstehen und meiner Meinung sein. Ich lächelte und tätschelte ihr den Hals.

      Schon wenige Minuten später verließen wir den Hof und sobald wir die Paddocks hinter uns gelassen hatten, ließ ich ihr freien Lauf.

      Das Schönste hier auf der Ranch war, diese Freiheit zu fühlen, wenn ich auf dem Rücken meines Pferdes dahinflog. Die gleichmäßigen Bewegungen meiner Stute zu spüren, die mich in einem sanften Rhythmus schaukelten, wie in einem großen, weiten Meer.

      Ich löste die Zügel aus den Händen, ließ sie sinken, streckte die Arme weit aus. Ein Freudenschrei entglitt meinen Lippen. Ich war so frei. Frei, zu tun und zu lassen, was auch immer ich wollte. Und niemand, wirklich niemand, auch kein Ted Middleton, würde mir sagen können, was ich tun oder lassen sollte. Ich war frei und selbst die Berge konnten mich nicht einschränken.

      Ich kam erst wieder zu mir, als Princess ihren Lauf verlangsamte. Sie ging in einen leichten Trab über und wechselte in den Schritt. Die Zügel aufnehmend suchte ich den Weg vor mir nach der Ursache ihrer Reaktion ab. Ihre Anspannung spürte ich durch meine Schenkel.

      „Was ist los, meine Liebe?“

      Sie tänzelte etwas und wollte nicht weitergehen.

      „Was ist los?“, fragte ich noch einmal, als ich auch schon das Fauchen vor uns registrierte. Princess stieg auf die Hinterläufe und weil ich damit nicht gerechnet hatte, stürzte ich von meinem Pferd. Sehr unsanft landete ich auf dem Rücken, mitten auf dem harten Weg.

      Für einen Moment raubte mir der Sturz die Sinne, während Princess immer noch wild mit den vorderen Hufen schlagend auf den Hinterläufen stand. Ich schaffte es soeben noch, zur Seite zu rollen, um nicht selbst von ihr getreten zu werden. Denn sie drehte jetzt um und galoppierte davon.

      Ich erhob mich langsam und bewegte meine Gelenke durch. Das Fauchen hatte ich natürlich richtig eingeordnet. Meine linke Hand fuhr automatisch an meine rechte Hüfte, aber ich hatte mein Messer vor dem Abendessen abgelegt. Mit einem Pfiff versuchte ich meine Stute zu mir zurück zu locken, doch sie dachte nicht daran, auch nur einen Moment länger hier zu verweilen, als notwendig. Mit den Augen suchte ich nach einem Stock, den ich zur Abwehr benutzen konnte. Es war aussichtlos, weil es hier keine Bäume gab. Also griff ich nach einem größeren Stein. Das einzige, was mir zur Wehr blieb.

      Wieder hörte ich das Knurren und Fauchen des Berglöwen, der mein Pferd so sehr erschreckt hatte. Und dann konnte ich ihn auch sehen. Geschmeidig bewegte er sich durch das hohe Gras der Weide zu meiner Linken. Dann trat er selbstbewusst auf den Weg. Unsere Augen fixierten sich. Dabei wusste ich nur zu gut, es war genau das, was ich nicht tun durfte. Aber ich war zu wütend, um darüber nachzudenken. Alle Warnungen, die Aiden und die Jacks mir beigebracht hatten, waren vergessen. Jetzt stand die Wildkatze nur da und starrte mich an. Und ich starrte sie an.

      „Verzieh dich!“ Ich konnte genauso fauchen, wie dieses Tier. Und das Land hier gehörte mir. Und wegen dem Sturz taten mir jetzt meine Glieder weh. Das alles machte mich wütend.

      „Hau ab!“ Ich schrie es laut aus mir heraus und die Raubkatze zuckte leicht zusammen. Aber an Rückzug dachte sie nicht. Ganz im Gegenteil, sie setzte zum Sprung an. Ich erkannte diese Haltung, wenn sie leicht zurück in die Beuge ging, um Schwung für den Absprung zu holen. Wusste genau um die Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen, wenn sie springen würde. Und sie würde springen.

      Ich war verloren. Ohne Waffe war ich verloren. Regungslos verharrte ich, das Tier anstarrend. Sie hatte schon mehrmals Menschen angegriffen und wir jagten sie bereits seit einigen Wochen. Ohne Aussicht auf Erfolg. Ich war verloren. – Frank, dachte ich in diesem Moment, ich sehe dich jetzt wieder! Sie setzte zum Sprung an. Ich wich zur Seite und behielt sie fest im Blick, aber sie hatte meine Bewegung verfolgt und drehte noch im Sprung, als ein Schuss die tödliche Stille zwischen der Katze und mir zerriss. Der Berglöwe brach getroffen vor meinen Füßen zusammen und ich flog herum zu dem, der geschossen hatte. Atemlos.

      Es war Aiden, der mit dem Gewehr im Anschlag hinter mir stand.

      „Das war knapp!“ Er ging an mir vorbei, das Gewehr immer noch im Anschlag haltend,