Sarah Glicker

You Belong To Me


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mich“, erwidert Aiden. Obwohl er sie anlächelt, ist es nicht so wie bei mir. Seine Augen strahlen nicht und auch seine Körperhaltung ist eine andere, als bei mir. Er wirkt angespannter.

       „Sofia, ich warte drinnen auf dich.“ Mit diesen Worten schaut sie mich noch ein letztes Mal prüfend an und verschwindet in unserem Zimmer.

       Ich habe überhaupt nicht gemerkt, dass ich mich in den letzten Minuten in den Flur bewegt habe, sodass meine Freundin die Tür hinter sich schließen kann.

       „Du scheinst ihr wichtig zu sein.“

       „Wie kommst du darauf?“, erkundige ich mich.

       „Sie hat mich von oben bis unten begutachtet. Für mich sah es so aus, als würde sie sichergehen wollen, dass ich dir nicht gefährlich werde.“

       Bei seinen Worten bekomme ich große Augen, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass er es so direkt ausspricht. Es dauert ein paar Sekunden, bis mir klar wird, wie blöd ich aussehen muss.

       „Tut mir leid.“

       „Das braucht es nicht. Es ist doch schön, wenn man jemanden hat, der sich um einen sorgt. Ich will euch nicht weiter stören. Vielleicht sieht man sich ja mal, Sofia.“ Er zwinkert mir zu und verschwindet. Ich schaue Aiden nach, wie er den Flur ein Stück hinunterläuft und drei Türen weiter in einem Zimmer verschwindet.

       Als er aus meiner Sichtweite verschwunden ist, setze ich mich in Bewegung und kehre in mein Zimmer zurück.

       „Der ist aber süß.“ Hannah schaut in meine Richtung, während ich die Tür hinter mir schließe.

       „Schon, aber …“ Bevor ich den Satz beenden kann, presse ich die Lippen aufeinander.

       „Aber was?“

       „Aber ich weiß nicht, ob ich mich zurzeit überhaupt in eine Beziehung stürzen möchte“, erkläre ich seufzend und lasse mich auf ihr Bett sinken.

       „Er scheint dich zu mögen und ein wenig Abwechslung von der ganzen Lernerei wird dir nicht schaden. Davon mal abgesehen, kannst du mit ihm schlafen, ohne dich auf irgendwas Festes einzulassen.“

       Da Hannah ebenso gut wie ich weiß, dass ich nicht so bin, entschließe ich mich dazu, den letzten Satz unkommentiert zu lassen.

       „Und nach deiner Körperhaltung zu urteilen, scheinst du ihn auch anziehend zu finden.“

       „Wir haben vorhin das erste Mal miteinander gesprochen. Ich glaube nicht, dass man schon sagen kann, dass wir uns mögen.“ Von dem Morgen, an dem ich ihn vor dem Wohnheim gesehen habe, erzähle ich nichts. Genauso wenig, dass ich am selben Tag in ihn hineingelaufen bin.

       „Du bist alt genug und ich werde dir sicherlich nicht vorschreiben, mit wem du schlafen sollst und mit wem nicht“, klärt sie mich auf.

       „Nun erzähle mir von dem Problem mit Jonas“, entgegne ich und wechsle so das Thema.

       „Er kommt morgen nicht, sondern fährt übers Wochenende zu seinen Eltern.“

       „Oh, davon hat er bei unserem Kurs heute Morgen gar nichts gesagt. Es hatte sich eher so angehört, dass er sich auf die Party freut.“

       „Sein Vater hat ihn vorhin angerufen und ihm mitgeteilt, dass sein jüngerer Bruder im Krankenhaus liegt. Er hat mich gefragt, ob ich ihn begleiten möchte.“ Unsicher schaut sie zu mir.

       In den letzten Tagen ist Hannah immer da gewesen. Indem sie auf ihrem Bett gesessen oder abends mit mir einen Film geschaut hat, hat sie dafür gesorgt, dass ich ruhiger wurde. Mein inneres Gleichgewicht wurde wiederhergestellt.

       Bei dem Gedanken daran, dass ich das ganze Wochenende allein in dem Zimmer sein soll, bildet sich eine Gänsehaut auf meinem Körper. Um sie zu überspielen, lächle ich und nicke zustimmend.

       „Fahr ruhig. Ich komme hier schon klar“, ermutige ich sie, obwohl sich alles in mir dagegen wehrt.

       „Sicher?“

       „Suchst du etwas nach einer Ausrede, um seine Eltern nicht treffen zu müssen?“

       „Nein … ja. Ich kenne sie nur aus seinen Erzählungen und es fühlt sich so an, als würden wir damit den nächsten Schritt einleiten. Keine Ahnung, ob ich schon so weit bin.“ Die sonst so selbstbewusste Hannah schaut mich ängstlich an. Ein kleines Grinsen erscheint auf meinem Gesicht, obwohl ich mich bemühe, es zu verbergen.

       „Deswegen brauchst du dir doch keine Gedanken zu machen. Ich glaube nicht, dass sie Zeit haben werden, um sich mit dir zu beschäftigen. Schließlich liegt sein Bruder im Krankenhaus“, erinnere ich sie an den Grund des Besuches. „Was hat er eigentlich?“

       „Jonas sagte irgendetwas von einer Schlägerei. Du willst mich aber nur loswerden, damit du dich in Ruhe mit dem heißen Typen treffen kannst.“

       „Welcher heiße Typ?“ Nachdem ich die Frage ausgesprochen habe, lasse ich meinen Blick über die Zimmerdecke wandern und pfeife ein paar Töne.

       „Aiden.“

       Hannah zwinkert mir zu und ich spüre, wie ich die Farbe einer überreifen Tomate annehme. Doch ich sage nichts dazu, es würde auch nichts bringen. Stattdessen verdrehe ich die Augen und werfe mich auf mein Bett, um die restlichen Aufgaben für heute zu erledigen. Hannah zieht ihre Reisetasche aus dem Schrank und fängt an, allerhand Sachen hineinzuwerfen. Mehrmals muss ich ihr versichern, dass seine Eltern sie sicherlich nicht köpfen werden, bevor sie sich von mir verabschiedet.

       „Falls etwas ist, rufe mich an. Aber ich bin ja am Sonntag wieder hier.“

       „Mache ich. Ich denke an dich“, verspreche ich und schließe sie dabei in meine Arme. Bevor sie verschwindet, lächelt sie mich noch einmal zu.

       Die nächsten zwei Stunden versuche ich, mich auf die Bücher vor mir zu konzentrieren. So sehr ich es auch möchte, ich kann mir keines der Wörter merken, die darin stehen.

       „Verdammt nochmal“, fluche ich vor mich hin und knalle sie zu. Da meine Gedanken sich nur darum drehen, wie ich die nächsten Tage alleine hinter mich bringen soll, schaffe ich es nicht, weiter über den Notizen zu hängen.

       Als sich auch noch Aiden in meine Gedanken schiebt, verdrehe ich die Augen und lasse mich in die dicken Kissen sinken. Sein Lächeln erscheint in meinen Erinnerungen. Mein Herz beginnt sofort zu rasen und die Schmetterlinge in meinem Bauch werden wach.

       Ich starte meinen Laptop und lege eine DVD in das Laufwerk, aber selbst meine Lieblingskomödie bringt mich nicht auf andere Gedanken.

       Auf dem Flur wird es immer ruhiger. Die meisten machen sich fertig, um heute Abend auf eine Party zu gehen, oder sie packen ihre Sachen, weil sie das Wochenende mit ihren Eltern oder Freunden verbringen. So ist es immer.

       Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich hoffe, dass Aiden davorsteht, weil ihm genauso langweilig ist wie mir.

       Vergiss es, Sofia. Der wird wahrscheinlich auf einer Party sein, um mehr neue Leute kennenzulernen.

       Doch kaum habe ich den Gedanken beendet, schleicht sich ein anderer in meinen Kopf. Der gefällt mir nicht und sorgt dafür, dass mir mein Essen hochkommen will.

       Schnell lasse ich den Blick durch mein Zimmer schweifen, auf der Suche nach etwas, das ich als Waffe verwenden kann. Aber das Einzige, was ich entdecken kann, ist das Deo von Hannah, das sie auf ihrem Schreibtisch hat stehen lassen.

       Mit entschlossenen Schritten überbrücke ich den Abstand und greife danach. Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür. Bevor ich sie erreiche, ertönt noch einmal das kräftige Klopfen. Ich halte inne und verfluche die Architekten des Wohnheims dafür, dass es keine Spione in dem Holz gibt.

       „Wer ist da?“, rufe ich laut genug, dass ich mir sicher sein kann, die Person auf der anderen Seite hat mich gehört. Niemand antwortet. Ich lausche in die Stille hinein, kann aber auch keine Schritte hören, die sich entfernen.

       Nichts.