Hedwig Courths-Mahler

Das Halsband


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dich der Herr Kandidat mitnehmen will?«

      »Sehr gern, Herr Graf.«

      »O — fein. Kommen Sie, Herr Kandidat, wir machen das Boot los. Adieu Papa, adieu Großmama!« rief Lothar. Er sprang in das Ruderboot, welches zunächst lag, der Kandidat folgte. Gleich darauf ruderten sie davon. Graf Joachim und seine Mutter blieben noch ein Weilchen stehen und sahen dem Boote nach.

      Dann gingen sie langsam nach dem Schlosse zurück. Sie sprachen über den Kandidaten und lobten seine prächtige Art, mit Lothar umzugehen.

      »Susanne mag ihn seltsamerweise nicht leiden, ich verstehe das nicht,« sagte Joachim im Laufe des Gesprächs. Gräfin Thea lächelte fein.

      »Sie behauptet, er habe demokratische Ansichten und fürchtet, daß er Lothar in dieser Hinsicht beeinflußt.«

      Joachims Gesicht überflog ein Schatten. »Meine Frau ist in dieser Beziehung sehr kleinlich. Uebrigens gefällt mir gerade der leise demokratische Einschlag des Kandidaten. Ich wünsche nicht, daß Lothar sich dem Einflusse seiner Zeit entzieht. Viele unserer Standesgenossen sind noch rückständig. Ich fühle, daß wir am Anfange einer Zeit stehen, in der nur das gilt, was ein Mensch ist und leistet, nicht der Zufall seiner Geburt.«

      »Du magst wohl recht haben. Freilich — dein Vater hätte solche Ansichten nicht hören dürfen.«

      Auf Joachims Stirn zeigten sich Falten des Unmuts.

      »Vater war ein starrer Anhänger der alten Schule, er glaubte an die Rechte der bevorzugten Geburt. Aber wir sind auch nur Menschen. Und es ist mir sehr lieb, daß Lothar eine freiere Auffassung vom Leben erhält, als ich. Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, daß Wetzel Lothars Erziehung in der Hand behält, bis er die Universität besucht. Sein Kontrakt bindet ihn und uns.«

      »Und du willst, daß Lothar Jura studiert?«

      Joachim zuckte die Achseln.

      »Susanne will ihn unbedingt zum Diplomaten machen. Ihr Ehrgeiz sieht ihn schon in den höchsten Aemtern des Landes.«

      »Und du, Joachim?«

      Er lächelte wehmütig.

      »Ich habe diesen Ehrgeiz nicht, Mama. Aber daß Lothar ein ernstes Studium zu Ende führt, ist auch mein Wunsch. Und er selbst hat Lust dazu. Was später aus ihm wird, darüber soll er selbst entscheiden. Teilt er den Ehrgeiz seiner Mutter — nun, so mag er in das diplomatische Korps eintreten. Begnügt er sich aber damit, schlecht und recht, wie ich, seinen Kohl zu bauen — dann steht ihm auch das frei.«

      »Hast du niemals den Wunsch gehabt, daß er Offizier werden möge?«

      »Nein. Ich selbst bin nur auf Vaters Wunsch Soldat geworden und nach seinem Tode zog ich mit einem Gefühl der Befreiung den bunten Rock aus. Hätte Lothar Lust gehabt, Offizier zu werden, so hätte ich ihn nicht gehindert. Irgend einen Zwang würde ich nie ausüben. Ich weiß, wie man an Leib und Seele verkümmert, wenn man immer unter Druck gehalten wird.«

      Die letzten Worte klangen sehr bitter. Gräfin Thea legte ihre Hand auf seinen Arm und sah ihn bekümmert an.

      »Joachim!«

      Er zog die Hand an seine Lippen und küßte sie. Trübe sah er in das gütige Frauenantlitz.

      »Ja, Mutter — ich bin ein erbärmliches Menschenkind geworden — durch Anlage und Erziehung. Nein — sieh mich nicht so bang und traurig an. Du hast wahrlich getan, was du konntest, um meine Seele frei zu machen. Aber du und ich — wir waren zu schwach. Vaters eiserner Wille hielt uns fest.«

      »Joachim — du bist unglücklich, ich weiß es längst. Susanne ist nicht die Frau, die du brauchtest. Ich habe mich gesträubt gegen diese Verbindung — aber es half alles nichts.«

      »Mache dir darum keine Sorgen, Mutter. Ob Susanne oder eine andere — ich wäre doch nicht glücklich geworden. Als ich mich verheiratete, war es schon zu spät — da war mein Leben schon zerstört.«

      Seine Mutter seufzte tief auf.

      »Ich habe es geahnt, mein Sohn — du weißt, ich fragte dich oft, ob du mir nicht anvertrauen wolltest, was dich drückt und quält. Willst du es auch heute noch nicht tun?«

      Joachims Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck.

      »Nein — ich kann nicht — laß mich — damit muß ich allein fertig werden. Vielleicht — vielleicht erfährst du es aber doch noch eines Tages — jetzt aber laß uns davon schweigen.«

      »Ich möchte dir so gern helfen, mein Sohn.«

      »Es könnte sein, ich nähme dich eines Tages beim Worte.«

      »Tue es, du sollst mich stark und willig finden zu allem, was dir Frieden schaffen kann.«

      Wieder führte er ihre Hand an seine Lippen. Im Schlosse angekommen, zog sich Joachim in seine Zimmer zurück. Seine Mutter sah ihm bekümmert nach. Nun würde er wieder ruhelos auf und ab wandeln wie so oft.

      Sie seufzte tief und schwer. — — —

      Zum Abendessen fand sich Joachim in dem kleinen Speisesaale ein, der neben der großen Halle lag. Hier nahm die Familie des Grafen die Mahlzeiten ein, wenn keine oder nur wenige Gäste anwesend waren.

      Joachim sah bleich und abgespannt aus. Er zwang sich mühsam, an der Unterhaltung teilzunehmen. Die Anwesenheit des Kandidaten, der stets seinen Platz neben Lothar hatte, ließ ein vertrauteres Gespräch nicht aufkommen. Es war schwül und drückend heiß. Ein Gewitter lag in der Luft.

      Nach Tische ging man hinaus auf die Terrasse. Die Diener hatten die rot und weiß gestreiften zeltartigen Vorhänge hochgezogen. Die bequemen, modernen Korbmöbel luden zum Sitzen ein. Lothar und der Kandidat trieben ein wenig Astronomie und suchten mit dem Fernglase den Himmel ab, der noch nicht von Wolken verhüllt war. Graf Joachim rauchte eine Zigarette nach der andern und seine Mutter betrachtete ihn in sorgender Schweigsamkeit.

      Um neun Uhr zog sich der Kandidat zurück und auch Lothar sagte Vater und Großmama fröhlich Gute Nacht.

      Kaum war er verschwunden, da sprang Joachim auf und klingelte.

      »Mein Pferd,« rief er dem herbeieilenden Diener zu. Gräfin Thea sah erschrocken auf.

      »Du willst noch ausreiten, Joachim?«

      Er sah an ihr vorbei, hinaus in den schweigenden Park.

      »Mutter — das tue ich doch so oft.«

      Sie seufzte. Diese späten Ritte ihres Sohnes, die sich oft bis Mitternacht ausdehnten und von denen er sein Pferd immer abgehetzt und schaumbedeckt nach Hause brachte, waren ihr schon lange eine schwere Sorge. Sie hatte ihre Schwiegertochter heimlich gebeten, Joachim von diesen wilden Ritten abzuhalten. Aber Susanne hatte sie ausgelacht.

      »Ich bitte dich, Mama, diese Ritte sind das einzige, womit Joachim noch einigermaßen Schneid verrät. Wie kannst du dich darum sorgen? Er ist doch Kavallerist. Willst du ihn denn ganz und gar nur noch in Schlafrock und Pantoffeln sehen? Er kann wirklich ein wenig Schneid brauchen. Ich werde mich hüten, ihn davon abzuhalten.« Das war ihre Antwort gewesen. Aber Gräfin Theas Sorge war damit nicht gemildert.

      »Leider reitest du immer so spät aus. Aber heute solltest du es wirklich nicht tun, Joachim — es ist heute ein Gewitter im Anzuge,« sagte sie jetzt bittend.

      Joachim starrte düster vor sich hin.

      »Es hat noch lange Zeit — bis es losbricht, bin ich wohl wieder daheim.«

      Gräfin Thea blickte unruhig zum Himmel empor; eine dunkle Wolkenwand erhob sich über den Bäumen des Parkes wie ein starres, felsiges Gebirge. Dann wandte sie die Augen wieder ihrem Sohne zu. Seine Züge waren schlaff und die Augen blickten matt und düster. Um den Mund zuckte es nervös, als sei es ihm schwer, sich zur Ruhe zu zwingen.

      Er warf den Rest seiner Zigarette fort und trat zu seiner Mutter.

      »Gute