Hedwig Courths-Mahler

Das Halsband


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lächelnd. Es war eine jener frommen Lügen, die Wohltaten bergen.

      »Das ist gut — ah und da — Herr Doktor — bitte.«

      Er sah den Doktor mit großen Augen an, als dieser sich über ihn beugte.

      »Wie lange noch — Doktor?« fragte er fest und klar.

      »Herr Graf —«

      Joachims Augen zuckten unruhig.

      »Ehrlich, Doktor — ich bin kein altes Weib.«

      Der Arzt atmete gepreßt. »Wo Leben ist — ist Hoffnung,« sagte er leise.

      Joachims Blick erhielt etwas Starres. Aber dann lächelte er wehmütig.

      »Also das Ende — arme Mutter.«

      Er lag eine Weile mit geschlossenen Augen. Gräfin Thea saß mit zusammengepreßten Händen wie leblos da und sah ihn an.

      Gleich darauf hob der Verwundete wieder den Blick.

      »Doktor — ich habe noch etwas zu regeln — es ist notwendig. Haben Sie etwas — nur eine Stunde noch Kraft und Klarheit — dann geben Sie es mir — bitte.«

      Der Arzt verstand ihn. Er entnahm seinem Besteck ein Fläschchen und zählte einige Tropfen in einen Löffel. Die reichte er dem Kranken. Dieser dankte mit einem Blicke.

      »Nun lassen Sie mich, bitte, allein — mit meiner Mutter.«

      »Ich bleibe in der Nähe, wenn Sie mich brauchen — in einer Stunde kann ich Ihnen diese Tropfen noch einmal geben,« sagte der Arzt und ging hinaus.

      Nun waren sie allein — Mutter und Sohn.

      Joachim sah seine Mutter eine Weile stumm an. Dann bat er leise:

      »Nicht lächeln, Mutter — dein Lächeln tut mir weh.«

      Die Gräfin brach in die Knie und küßte ihm die Hand. Dann legte sie einen Augenblick ihr Haupt mit geschlossenen Augen neben das seine. Joachim atmete schwer.

      »Fasse dich, meine Mutter — sei stark — du hast schon soviel für mich getan — nun auch noch das. Ich brauche deine Hilfe, Mutter — du mußt gut machen — was ich verbrochen. — Wolltest immer wissen, was mich verändert hat. — Die Schuld — Mutter — die Schuld — jetzt will ich beichten — du wirst verzeihen — du gute Mutter — du wirst gut machen.«

      Die Gräfin hob den Kopf und sah ihn an.

      »Sprich nicht, wenn es dir Schmerzen macht,« bat sie, fast vergehend.

      »Nein, nein — eine Wohltat — ich muß — sonst ist es zu spät. Versprich mir — daß du gut machen willst, bitte!«

      »Ich verspreche es dir, mein Sohn, bei meiner grenzenlose Liebe zu dir — ich schwöre dir, daß ich alles tun werde, was du von mir verlangst.«

      Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. Dann fragte er leise:

      »Wo ist der Rock, den ich trug — in der Brusttasche steckt ein kleiner Schlüssel.«

      »Der Schlüssel liegt schon hier bei den andern Sachen, wir haben alles aus der Tasche genommen.«

      »Nimm den Schlüssel — Mutter — und geh hinüber ins Nebenzimmer, in meinem Schreibtische links oben ist ein Fach. Oeffne es mit diesem Schlüssel und bringe mir die kleine Kassette, die du dort findest.«

      Gräfin Thea erhob sich und ging, seinen Wunsch zu erfüllen. Mit der Kassette in der Hand kehrte sie zurück. Joachim öffnete sie mit einem Druck auf eine Rosette und nahm ein Kästchen heraus. Das reichte er seiner Mutter.

      »Oeffne es,« bat er.

      Sie tat es und sah verständnislos auf ein kostbares Halsband, welches mit Brillanten und Smaragden von seltener Schönheit besetzt war. »Das Halsband — es ist — wie sonderbar — wie kommt es in diese Kassette?« stammelte sie betroffen.

      Er faßte wieder in die Kassette und zog ein Schriftstück hervor. Das gab er seiner Mutter, sie mit brennenden Blicken betrachtend.

      »Oeffne — und lies — es erklärt alles — ich brauche dann nicht mehr viel zu reden.«

      Gräfin Thea las die Aufschrift: »An meine Mutter, Gräfin Theodora Wildenfels, geb. Gräfin Solnau. Nach meinem Tode zu öffnen.«

      Die alte Dame brach in den Sessel nieder und öffnete mit zitternden Händen das Schreiben. Während sie las, sah Joachim unverwandt in ihr Gesicht. Er sah das Erschrecken in ihren Zügen, sah Blässe und Röte darüber hinjagen und ein tiefer Seufzer entfloh seinen Lippen. Da blickte sie auf und faßte seine Hand.

      »Mein Sohn — mein armes, liebes Kind,« sagte sie erschüttert.

      »Du verdammst mich nicht, Mutter, wendest dich nicht voll Abscheu von mir?« fragte er leise.

      Sie beugte sich hernieder zu ihm und küßte ihn mit zuckenden Lippen.

      »Wenn du eine Schuld auf dich geladen hättest, tausendfach größer als diese — ich würde dich nicht verdammen. Eine Mutter kann alles verzeihen. Ach, wärst du doch früher voll Vertrauen zu mir gekommen, ich hätte dir tragen helfen, hätte mit dir zusammen gut zu machen gesucht.«

      Er seufzte wieder tief auf.

      »Ich konnte nicht, Mutter. Immer hoffte ich, selbst zum Ziele zu kommen. Seit fünfzehn Jahren habe ich alles versucht — erfolglos — es ist, als wären sie vom Erdboden verschwunden. Aber vielleicht hast du nun mehr Glück. Nicht wahr, du versprichst mir, nach ihnen zu suchen und mein Unrecht gutzumachen?«

      Er faßte ihre Hand und sah ihr mit brennenden Augen ins Gesicht.

      »Ich verspreche es dir, mein Sohn. Nicht ruhen und rasten will ich, bis ich deine Schuld gesühnt habe.«

      »Dank, heißen Dank, meine Mutter. Und nicht wahr — wenn du sie, glücklicher als ich, gefunden hast — und wenn du Annie noch einmal im Leben gegenüberstehst — dann sage ihr — ich habe sie geliebt — wie ich nie vorher und nachher ein Weib geliebt habe. Du hast sie gekannt, Mutter — aber du weißt nicht, welch feine, stille Seele sie war. Damals — ja — damals war ich glücklich — drunten am See — als ich sie im Arme hielt. Wie sie zitterte, Mutter — wie sie mich ansah mit den lieben, guten Augen. Damals vergaß ich alles — Vaters Strenge — meinen Namen, meine Geburt — ich war nichts als ein glücklicher Mensch. — Und dann — dann habe ich sie selbst hinausgetrieben — vielleicht in Not und Elend — Mutter — das hat an mir gezehrt — mehr als alles andere.«

      Er schwieg erschöpft und schloß die Augen. Seine Mutter sah mit heißem Erbarmen und unendlicher Liebe in sein Gesicht und streichelte seine Hand.

      »Da konntest du freilich nicht glücklich werden mit Susanne. Auch wenn sie eine andere gewesen wäre, hätte es dir nichts geholfen.«

      »Nein — in meinem Herzen lebt Annies Bild — und es wird bis zum legten Atemzuge in mir leben. Daß Susanne kalt und hochmütig war, hat mir das Leben mit ihr eher erleichtert. Sie forderte nichts, was ich nicht geben konnte. Eine Fremde ist sie mir geblieben — mein Vater hatte wahrlich gut für mich gewählt.«

      Die letzten Worte klangen unendlich bitter.

      »Verzeihe deinem Vater, Joachim. Er hat immer dein Bestes gewollt. Wenn er geahnt hätte, wohin er dich mit seiner Strenge getrieben — er würde manches anders gemacht haben. Aber nie hätte er seine Einwilligung gegeben zu deiner Verbindung mit Annie Horst. Er war in dieser Beziehung noch strenger als in jeder andern.«

      »Und du, Mutter? Hättest du eingewilligt, wäre dir das bürgerliche Mädchen als Schwiegertochter willkommen gewesen?«

      Gräfin Thea sah mit leidvollen Augen zu ihm nieder.

      »Dein Glück hätte mir mehr gegolten, als törichte Standesvorurteile.«

      Ein schattenhaftes Lächeln