Hedwig Courths-Mahler

Das Halsband


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nach, die Joachim ihr über die blonde Annie Horst gesagt hatte: »Ich habe sie geliebt, wie ich nie vorher und nachher ein Weib geliebt habe.« Und wenn ihre Gedanken einmal abirrten von dem geliebten Toten, dann befaßten sie sich mit dem Vermächtnis, das er ihr hinterlassen und schweiften suchend in die Ferne — zu Annie Horst und ihren Angehörigen.

      Annie war ein schönes, liebliches Geschöpf, voll Anmut und Jugendfrische, die Tochter des früheren Rendanten Horst. Aber nie hatte Gräfin Thea geahnt, daß zwischen Annie und ihrem Sohne irgend welche Beziehungen bestanden. Wo mochte sie weilen — sie und ihre Angehörigen? Aus ihres Sohnes Aufzeichnungen hatte sie entnommen, daß sich der Rendant Horst damals mit seiner Familie nach Amerika eingeschifft und sich dann von den Vereinigten Staaten nach Südamerika begeben hatte. Bis nach Venezuela hatte er ihre Spur verfolgt, dort hatte er sie verloren und trotz aller Mühe und Ausdauer nicht wiederfinden können. Nun sollte sie selbst weiter forschen — und sie wollte es tun und nicht ruhen und rasten, bis sie ihres Sohnes Vermächtnis erfüllt und seine Schuld gesühnt hatte.

      »Denk immer daran, Mutter — was du ihr Gutes tust — das tust du mir.« So hatte er zu ihr gesagt und diese Worte sollen all ihr Tun in Zukunft bestimmen. —

      »Großmama — liebe Großmama — hab mich lieb,« bettelte eine zitternde Knabenstimme an ihrer Seite.

      Sie schreckte auf aus ihrem schmerzvollen Brüten und legte beide Arme in inniger Liebe um ihren Enkel.

      »Mein Lothar — mein liebes Kind — nun habe ich nur dich noch auf der Welt.«

      Lothar umfaßte sie ungestüm.

      »Großmama — du und ich — wir gehören zusammen,« sagte er mit erstickter Stimme.

      Sie blieben zusammen im Wohnzimmer der Gräfin Thea, während Susanne den Trauergästen die Aufwartung machte. Mancher unter den jüngern, unverheirateten Herren sah mit besonderem Interesse auf die schöne, jugendliche Witwe.

      5.

      Das Leben in Wildenfels ging scheinbar seinen alten Gang. Der eigentliche Herr von Wildenfels war nun Lothar, aber bis zu seiner Mündigkeit war er unter die Vormundschaft seiner Mutter gestellt.

      Gräfin Thea und ihre Schwiegertochter hatten einige Konferenzen mit dem Rendanten und den Verwaltern. Es waren erprobte Leute, die in ihrem Amte verblieben. Es würde alles seinen geregelten Gang gehen. Die Vermögensverhältnisse waren glänzend. Nicht nur, daß die ausgedehnten Güter bedeutende Einkünfte brachten, es lag auch ein großes Barvermögen in der Schatzkammer des Schlosses, wohlverborgen, in sichern Papieren angelegt. Gräfin Thea besaß allein ein eigenes Vermögen von anderthalb Millionen Mark. Ihre Schwiegertochter hatte allerdings kein nennenswertes Heiratsgut eingebracht, aber als Witwe des Grafen Wildenfels bezog sie ein glänzendes Einkommen. Lothar würde einst der Herr eines ausgedehnten Besitzes und eines großen Vermögens sein. Aber damit begnügte sich Gräfin Susannes Ehrgeiz noch nicht. Sie strebte danach, ihren Sohn draußen in der großen Welt eine Rolle spielen zu sehen. Deshalb bestimmte sie, daß er sich der diplomatischen Laufbahn widmen sollte.

      Es war ihr unangenehm, daß ihr verstorbener Gatte den Kandidaten Wetzel für Jahre hinaus zum Lehrer und Erzieher Lothars bestimmt hatte. Wetzel war ihr zu selbstbewußt, seine aufrechte Art und sein freier Ton erschienen ihr zu demokratisch, sie hätte ihn gern von Wildenfels entfernt. Aber neben ihres Mannes Bestimmungen hielt ihn auch noch die Vorliebe ihrer Schwiegermutter, die »merkwürdig milde« über den »Demokraten« urteilte und ihn mehr als nötig zur Familie hinzuzog.

      Als Susanne ihr eines Tages sagte:

      »Es ist mir unangenehm, in so intime Berührung mit dem Kandidaten zu kommen,« hatte Gräfin Thea mit ihrem unerträglich ruhigen Blick erwidert: »Ich meine im Gegenteil, wir müssen uns so familiär wie möglich mit ihm stellen, denn er hat Geist und Seele deines Kindes in seinen Händen — er darf uns nicht nur ein bezahlter Untergebener sein.«

      Damit war Susanne ein für alle Mal zum Schweigen gebracht. Aber im stillen war ihr der Kandidat sehr zuwider, weil er Lothar stets darauf hinwies, daß es viel mehr sei, ein guter, tüchtiger Mensch zu sein, als ein Graf Wildenfels. —

      Es war eine Woche seit Graf Joachims Beisetzung vergangen, als die beiden Damen mit Lothar nachmittags den Tee auf der Terrasse einnahmen. Die Türen zu den reich und vornehm ausgestatteten Räumen standen alle offen, um der warmen Sommerluft Einlaß zu gewähren. Sie mündeten alle auf die große Terrasse, welche die ganze Front des Schlosses begrenzte.

      Die Damen sprachen nur wenig miteinander. Lothar hielt die Hand seiner Großmutter fest in der seinen und streichelte sie zuweilen, als müsse er sie trösten.

      Susanne bemerkte es, aber es tat ihr nicht weh. Sie war nicht für Zärtlichkeiten eingenommen.

      Nach einer ziemlich langen Gesprächspause sagte Gräfin Thea plötzlich:

      »Ich reise morgen vormittag nach Berlin, Susanne — hast du irgend etwas zu besorgen?«

      Susanne sah erstaunt auf.

      »Du — nach Berlin, Mama, jetzt mitten im Sommer?«

      Gräfin Theas Stirn rötete sich ein wenig unter dem kalt forschenden Blicke.

      »Ja, ich habe einige Besorgungen zu machen.«

      »Nimm mich mit, Großmama,« bat Lothar.

      »Nein, mein lieber Junge, diesmal nicht. Ich habe auch nur zwei Tage dort zu tun.«

      »Soll ich dich begleiten, Mama? Du bist so angegriffen jetzt, es könnte dir etwas zustoßen,« sagte Susanne eifrig. Eine Reise nach Berlin hätte immerhin einige Abwechslung gebracht.

      »Nein, nein, Susanne, ich danke dir. Grill begleitet mich, das genügt. Ich fühle mich auch körperlich kräftig genug. Bleib du nur lieber bei Lothar.«

      »Mein Gott, Mama, er ist doch wahrlich alt genug, um einmal ein paar Tage allein in Wildenfels zu bleiben,« rief Susanne ärgerlich.

      »Das wohl, Susanne. Aber bedenke, was jetzt Furchtbares auf ihn eingestürmt ist. Es ist mir lieber, du bleibst bei ihm.«

      »Ich hätte aber auch allerlei in Berlin zu besorgen.«

      »Dann kannst du vielleicht reisen, wenn ich zurück bin.«

      Das war Susanne noch lieber. Sie war sehr zufrieden, daß sie nun einen Vorwand hatte, einige Zeit nach Berlin zu reisen.

      Nachdem die Damen den Tee eingenommen hatten, forderte Susanne ihren Sohn zu einem Spaziergange auf. Er erhob sich sofort artig. Aber dann umfaßte er erst zärtlich Gräfin Theas Hals.

      »Willst du nicht mitkommen, Großmama?«

      »Nein, Lothar, ich habe noch einiges vorzubereiten für die Reise!«

      »Aber ich darf doch nachher noch zu dir kommen?«

      »Gern, mein Lothar.«

      Mutter und Sohn schritten hinüber nach dem Parke. Lothar unterhielt sich artig mit seiner Mutter, aber es war mehr die konventionelle Plauderei zweier Menschen, die einander fernstehen, nicht ein herzliches Gespräch zwischen Mutter und Sohn.

      Gräfin Thea hatte sich hinaufbegeben in ihre Zimmer. Im Vorraume saß Grill mit einer leichten Näharbeit beschäftigt.

      »Bist du bald fertig, Grill?« fragte die Gräfin.

      Grill hob das gutmütige Gesicht und blickte ihre Herrin über die Brillengläser hinweg an.

      »Nur noch ein paar Stiche. Haben Frau Gräfin einen Befehl für mich?«

      »Ja, Grill. Wenn du fertig bist, komm herein zu mir.«

      Sie betrat ihr Wohnzimmer. Grill sah mit besorgtem Ausdrucke hinter ihr her und seufzte tief auf. Die treue Seele trug ihren Anteil am Leide