John Marten Tailor

Der Fall - Amos Cappelmeyer


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amerikanische Staatsbürgerschaft. Liegt daran, dass ich im Alter von elf Jahren mit meinem Vater in die Staaten gegangen bin. Meine Schwester blieb bei unserer Mutter.«

      »Interessant. Dürfte ich nach dem Namen Ihrer werten Schwester fragen?«

      »Meine Schwester hieß Hellen, Hellen van Dijk. Wieso?«

      Der Tränenfluss war nicht mehr zu bremsen, wie ein alter Köter heulte ich das Lokal zusammen. Schließlich hatte sie doch noch einen echten Namen bekommen.

      Das Schießeisen bohrte sich zum zweiten Mal unerbittlich in meine Eier. Jetzt war ich geliefert.

      »Was soll der Bullshit?« Ihr Blick wurde eiskalt, hasserfüllt.

      »Oh nein, das ist ein Missverständnis! Hören Sie ...« Es gab nur den einen Ausweg, nämlich ihr alles anzuvertrauen. Ich begann mit den Ereignissen im Verlag. Dass ich ein drittklassiger Autor war, einen packenden Roman innerhalb von sieben Tagen abzuliefern hätte und dafür eine stattliche Summe einstreichen konnte. Im Falle meines Scheiterns, verlöre ich mein Haus im Grünen. Sie legte nachdenklich den Zeigefinger an ihre Nasenspitze.

      »Was ist das für ein Quatsch? Warum dein Haus? Verstehe ich nicht.«

      »Was weiß ich. War mir egal, habe nur die verdammten Euros gesehen.«

      »Na schön. Aber soll das ein Zufall sein? Von einem solchen Vertrag habe ich noch nie gehört. Ist was Besonderes an deinem Haus, Cappelmeyer?«

      »Nein, ganz und gar nicht. Es ist alt. Ich habe ein nettes Grundstück, die Luft ist sauber, mehr nicht.«

      »Klingt aufregend«, grinste Audrette. »Schön blöd, in einer Woche einen kompletten Roman schreiben zu wollen.«

      »Finde ich nicht. Na ja, also ...«, stotterte ich betreten. »Der schon wieder.« Der Hüne kreuzte erneut auf, mit hochrotem Schädel, hatte sich wohl am Kiosk um die Ecke Mut angetrunken.

      »Der nervt.« Audrette spannt den Hahn ihrer Knarre. Sie war es leid, von dem hirntoten Mammut unhöflich von der Seite angequatscht zu werden, und richtete den Lauf auf seinen rasierten Schädel.

      »Sehen Sie nicht, dass hier zwei kultivierte Erwachsene ernsthafte Gespräche führen?« Mit gewichtiger Stimme forderte sie den Neandertaler auf, lieber seine Alte anständig zu vögeln, dann würde die auch keine alten Säcke derart herablassend behandeln.

      Bravo. Meine Meinung. - Bis auf den Teil mit den alten Säcken ...

      Der Koloss brüllte zur Abwechslung sein Mädchen an. Es endete mit einer schallenden Ohrfeige, welche die Bedauernswerte gegen die nächste Wand beförderte. Da platze meiner neuen Bekanntschaft der Kragen.

      »Das darf doch nicht wahr sein!« Sie platzierte ihre Waffe neben der Kaffeetasse, winkte Mr. Schrankwand zu sich, der aufs Wort gehorchte und antrabte, nur um von Audrette einen ordentlichen Tritt in die Kronjuwelen verpasst zu bekommen. Alleine das Zusehen schmerzte. Der zweite Tritt mit den Highheels quer durch die Hackfresse bescherte ihm ein breites Joker-Grinsen, dann sackte er zu Boden, wie ein gefällter Baum. Audrettes Gesicht spiegelte keinerlei Emotionen. Sie zupfte an ihrem Kleid rum und setzte sich wieder neben mich, als wäre es das Normalste der Welt.

      »Also, wo waren wir eben stehengeblieben?« Trocken antwortete ich:

      »Kleines, du hattest deine Knarre in meine Eier gebohrt, wolltest den Verdacht ausschließen, dass ich der Mörder deiner geliebten Schwester bin.«

      »Richtig.« Der Hahn rastete zwar ein, was als Erfolg gewertet werden mochte, doch sie fixierte mich weiter mit ihren Blicken. Kein Wimpernzucken, nichts ... Das rief mir folgendes chinesische Sprichwort ins Bewusstsein: »Frauen tragen die Hälfte des Himmels.« Bei Audrette konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Plötzlich lächelte sie wie ein Honigkuchenpferd:

      »Du stehst auf chinesische Sprichwörter?«

      Ich nickte. Im Stillen keimte die Frage auf, ob diese Person mein Gegenstück sein sollte? Der Kaffee war längst erkaltet, meine Augen klebten an der Amerikanerin. Schwermütig meinte sie:

      »Ein Weg entsteht erst, wenn man ihn geht.« In dieser Sekunde stand für mich fest, sie war mein YIN. Audrette, so zierlich und zerbrechlich sie wirkte, war in Wahrheit ein Vulkan. Sie wünschte sich von mir, sie zu der Beerdigung ihrer Schwester zu begleiten.

      »Ist doch eine Frage der Ehre!«

      »Die Leiche ist freigegeben und wird Morgen zur Mittagszeit beigesetzt. Allerdings gibt es ein kleines Problem. Ich habe versäumt, für heute Nacht ein Zimmer zu buchen. So was Blödes.« Ich zuckte die Achseln.

      »Also, ich sehe da kein Problem. In meiner Unterkunft sind gewiss noch Zimmer frei. Wenn du keinen Wert auf Luxus legst, meine ich.«

      »Du hast nicht zufällig ein Doppelzimmer? Ich dachte bloß, das würde Zeit und Geld sparen. - Bilde dir nichts darauf ein. Ich bin praktisch veranlagt.«

      »Das bin ich auch.« Ungläubig deutete ich in Richtung meiner Unterkunft. »Sind nur ein paar Gehminuten.«

      »Na dann, worauf wartest du noch?« Wir plauderten angeregt über das eine Thema, das uns verband, Hellen, auch als wir längst vor dem Hotel standen. Es war eine meiner unlogischsten Entscheidungen. Einerseits liebte ich ihre Schwester Hellen, – ein merkwürdiges Wort in Bezug auf eine Frau, die ich nur einige Stunden kannte, – doch andererseits fühlte ich mich von Beginn an zu Audrette hingezogen. Dennoch blieb da dieses Unbehagen in meiner Magengegend. Alldieweil hätte ich eine Person an meiner Seite, die in der Lage wäre, mich zu beschützen. Mich beschlich dumpf das Gefühl, dass dieser Faktor nicht ganz unerheblich sein würde.

      »Wollen wir reingehen?« Ich ergriff ihre Hand und stolzierte mit ihr an meiner Seite ins Foyer. Kurz meldete ich meine Eroberung an. Der Rezeptionist trug Frau Miller vorschriftsmäßig in den Computer ein.

      »Gerne, der Herr. Ich setzte den zweiten Gast auf die Rechnung.«

      »So soll es sein.« War das etwa Ungläubigkeit in seiner Mine? Ich nahm den Zweitschlüssel in Empfang, tippte mir an den Hut, dann erklommen wir die abgewetzten Stufen zur dritten Etage.

      »Kein Aufzug?«, kam die unweigerliche Frage. Doch schon waren wir im passenden Flur. »Ist das nicht dein Zimmer da vorne links, die Nummer 6?«

      »In der Tat.« Die Zimmertür stand einen Spalt weit offen. Ich könnte Stein und Bein schwören, das ich die Türe fest zugezogen hatte, und zuckte die Schultern. Kein Licht. »Da ist doch was faul!« Audrette hielt mich am Arm zurück, den Zeigefinger an die Lippen gelegt, dann kramte sie ihre Bleispritze aus den Tiefen der Tasche hervor und stöckelte selbstsicher voran. Zuerst knipste sie das Licht an.

      »Damn, ich hab`s gewusst.« Eine Verwüstung meiner Wohnlandschaft konnte nicht übersehen werden, doch für Audrette legte sich im Chaos ein Muster dar, welches sie mit dem Smartphone fototechnisch dokumentierte.

      »Oh nein! Nicht der Computer!«, entfuhr es mir beim Anblick der auf dem Boden entleerten Notebooktasche, dabei glich der tragbare Computer einem gefalteten Buch.

      »Das ist zu nichts mehr zu gebrauchen«, diagnostizierte meine Begleiterin. Ja, das zu erkennen bedurfte keines Genies. Wie sollte ich jetzt auf die Schnelle ein Buch schreiben? Mit der Hand, auf die alte Art? Lachhaft. Panik keimte in mir auf, alles Blut sackte in meine Füße.

      »Hey, Amos! Alles klar? Du bist plötzlich so bleich geworden. Du hast doch deine Daten gesichert?« Nicken. Keine Lüge. Nichts multipliziert mit nichts ist dann wohl - nichts. Aber das brauchte sie nicht zu wissen. »Na dann.«

      Audrette kickte die Pumps in den Raum, entkleidete sich bis auf die Haut, um dann in Windeseile die gesamte Wohnlandschaft aufzuräumen. Sie war mit einem traumhaften Apfelarsch gesegnet und Titten, klein und knackig. Zum Anbeißen, nur der Urwald ihrer Scham brannte mir einen Schauder auf die Netzhaut. Kaum fertig mit Aufräumen, ließ sie sich mit der Hotelleitung verbinden, der sie ein Ultimatum auferlegte.

      »Entweder ist in einer Stunde ein neues modernes Notebook auf den Namen Amos Cappelmeyer auf diesem Zimmer, oder ...«