Wolfgang Priedl

PUNKTUM.


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kein Problem. Den Artikel für die Zeitung habe ich bei aller Aufregung beinahe vergessen. Aber der ist schnell getippt. Schlage vor, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

      »Klingt gut. So machen wir das. Ich brauche nicht lange.«

      Claudia steht auf und am Weg zur Gaststube, wo sie vormittags ihren Computer deponiert hatte, nimmt sie Thilo den Schlüssel und den Aperol-Spritz ab. Sie setzt sich an den Tisch neben dem Eingang. Als sie die Tageszeitung anhebt, merkt sie, dass ihr Diktafon noch immer läuft. Sie schaltet es ab, öffnet den Laptop und beginnt zu tippen.

      Headline: Mord am Flammenkogel?

      Copy: Heute Morgen fand ein Fischer eine tote Frau, Mitte 50, am Fuße der Erlöserwand. Die Wanderin dürfte von der Ausblickplattform »Seeblick« gestürzt sein. Die Bergung der Leiche gestaltete sich sehr aufwändig. Sie musste mit Booten geborgen werden. Die gerichtsmedizinische Untersuchung geht zwar von Selbstmord aus, jedoch sind auch Hinweise auf ein Fremdverschulden entdeckt worden. Die Identität gibt der Polizei weitere Rätsel auf. Die Tote hatte weder Ausweis noch ein Mobiltelefon bei sich. (Eigenbericht / Claudia Bigler)

      Kaum hat sie den Bericht fertig getippt, drückt sie auf >>SEND<<.

      »OOOPS«, entfährt es ihr.

      Holzinger blättert in seinen Notizen, als der alte Wirt zum Tisch kommt. »Bitte sehr, ein Frischgezapftes. Lassen Sie es sich schmecken … So hier noch der Schlüssel für Ihr Zimmer. Ist gleich neben dem des Fräuleins. Ist zwar ein Doppelzimmer, aber ich verrechne Ihnen selbstverständlich nur den Einzelzimmerpreis. Ist einfacher beim Saubermachen«, grinst Thilo verschmitzt. »Ich hoffe, die Verbindungstür ist abgeschlossen, wenn nicht, dann geben sie mir Bescheid … «. Das Grinsen des Alten wird stetig breiter. »… und hier habe ich die gewünschte Liste, Sie wissen schon, die mit den Namen.«

      »Vielen Dank«, sagt Holzinger und greift nach dem Bier. Mit der anderen Hand nimmt er das Blatt und wirft einen Blick darauf. Er gönnt sich einen tiefen Zug aus dem Bierglas. Der erste Schluck Bier ist immer noch der Beste, philosophiert er insgeheim und wendet sich an den Wirt. »Herr Bergmann, wo kann ich die Leute erreichen? Ich bräuchte deren Adressen.«

      »Oh, die einzelnen Häusernummern habe ich jetzt nicht im Kopf. Brauchen Sie die Anschriften heute noch?«

      »Nein, nicht heute. Ich will nicht bis Mitternacht unterwegs sein, und die Leute haben am Wochenende sicher etwas anderes vor, als zuhause herumzusitzen. Morgen reicht.«

      »Wollen Sie nicht zur Messe ins Dorf fahren? In der Früh, um 8:00. Da werden Sie die meisten antreffen.«

      »Ja, das ist eine gute Idee … «

      »Warten Sie … «, unterbricht ihn der tranige Thilo und kramt umständlich sein Telefon unter seiner grünen Schürze hervor. »Ich rufe den Jagdaufseher an. Er wird die anderen verständigen, damit Sie morgen zur Messe nach Lengthal kommen. Unser Pfarrer freut sich sicher über ein vollgefülltes Haus«, sagt alte Wirt, während er grinsend eine Nummer ins Mobiltelefon tippt.

      »Das würden Sie für mich tun?«

      »Selbstverständlich … Moment. Thilo hier. Du, die Polizei muss mit jedem, der am Freitag hier war, reden. Könntest du sie über dein Programm am Telefon informieren, dass sie in die 8:00 Uhr Messe kommen? … Ja, es geht um die Tote, die Norman heute früh gefunden hat … OK, vielen Dank. Vielleicht komm ich auch, aber ich habe meine Aussage ja schon gemacht. Waidmanns Heil. … Dir auch.«

      »Ist gebongt. Er verständigt die anderen. Via ›Wotsepp‹ – oder so ähnlich. – Haben Sie ja mitgehört. – kann ich sonst etwas für Sie tun?«

      »Nein danke. Sie haben mir sehr geholfen«, erwidert Peter dankbar.

      »Ich schicke Ihnen nachher meinen Sohn vorbei, sollte er sich heute Abend nochmals blicken lassen. Aber wie schon gesagt: Es hat ihn ziemlich umgehauen. Sie müssen wissen, tatsächlich ist mein Sohn hochsensibel. Ich weiß, er macht nicht diesen Eindruck. Aber so ist er nun mal.«

      »Danke, danke, es läuft mir nichts davon. Es reicht morgen in der Früh. Richten Sie ihrem Sohn meine Genesungswünsche aus«, ruft er Thilo nach, der einen Arm hebt, um sich zu bedanken.

      Holzinger blättert nochmals seine Notizen vom Anfang bis Ende durch. Schließlich greift er zum Telefon und wählt Hauptkommissars Tomacics Privatnummer.

      »Ja bitte?«

      »Servus Richard. Peter spricht.«

      »Grüß dich. Wo brennt’s? Läuft alles?«

      »Ich bin noch beim See … «

      »Warum das? Gibt es ein Problem?«, will Richard neugierig wissen und schaut auf seine Uhr.

      »Keines und viele. Ich möchte dir ein kurzes Update geben, was hier so abgeht: Hör zu: Also die Tote scheint von der Aussichtsplattform gesprungen zu sein. Extreme Höhe! Aber Fremdverschulden ist auch nicht auszuschließen. Die Leiche ist derart verunstaltet, dass wir sie bis jetzt nicht identifizieren konnten. Hier am See wird sie von niemanden vermisst. – Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt. – Die Spurensicherung hat ein Mobiltelefon gefunden, mit leerem Akku, aber das könnte auch ein Wanderer, oben bei der Plattform, verloren haben. Die Kollegen kümmern sich schon darum. Sie werden versuchen, es zu laden und zu aktivieren, sollte es … «

      »... Heißt das, dass die Tote keinen Ausweis bei sich hatte? Das wäre seltsam.«

      »Ist leider so, wir haben weder eine Handtasche, noch ein Fahrzeug am Parkplatz gefunden, das zur Identifizierung beitragen könnte.« Peter blättert in seinen Notizen. »Ja – noch etwas. Die Leiche hat am Hinterkopf eine stumpfe Platzwunde, in der man Holzsplitter gefunden hat. Rühren wahrscheinlich von einem Schlag mit einem Ast her oder von einem der dürren Bäume, die sich in der Steilwand wachsen. Die Kollegen kommen morgen nochmals her. Mit Alpinausrüstung.«

      »Die Kollegen kommen nochmals? Du hast vor, im Berghof zu übernachten? Überstunden … «, seufzt Richard.

      »… Ja, die Kollegen werden sich morgen über die Steilwand abseilen und nach weiteren Spuren suchen. Das auch deshalb, weil Schleif- oder Rutschspuren oben gefunden wurden. Könnten sogar von einem kurzen Kampf herrühren … «, versucht Peter die Gedanken seines Chefs wieder auf die Ermittlungen zu konzentrieren.

      »Verstehe ich dich richtig, du vermutest tatsächlich ein Gewaltverbrechen?«

      »Glaube es zwar nicht, aber wie hat mein Lehrmeister, der alte Tomacic, immer gemeint: Wenn du ein ungutes Gefühl im Bauch hast, überprüfe es. Deshalb bleibe ich jetzt bis morgen hier … «

      »… Ich hab’s befürchtet … «, fällt ihm Richard ins Wort.

      »Ich übernachte im Berghof und in der Früh spreche ich mit dem Pfarrer, den man um die fragliche Zeit hier gesehen hat. Mit den Restaurantgästen ebenso. Ich werde sie alle, morgen, in der heiligen Messe im Dorf treffen. Ist schon arrangiert. Wird ein ›Early Bird‹.«

      »Das klingt höchst merkwürdig. Du in einem Gottesdienst? Dann kannst du gleich beginnen deine Sünden zu notieren. Nimm aber ein großes Blatt Papier und schreibe mit kleiner Schrift … «, lacht Richard ins Telefon. »… Spaß beiseite. Das ist alles sehr aufwändig. Ich hoffe für uns beide, dass es sich nur um Schall und Rauch handelt, du weißt, ich möchte mich in Ruhe von meinem Job verabschieden und keine offenen Fälle hinterlassen. Ungeachtet dessen tu, was du für nötig hältst. Ich stehe hinter dir. Wenn du mich morgen brauchst, rufe mich jederzeit an. Ich verständige vorab die Staatsanwaltschaft. Schauen wir Mal, was sie zu dem Fall sagt. … Ansonsten sehen wir uns am Montag in der Früh, in alter Frische, im Büro. … «

      »… Passt. Ich halte dich am Laufenden. Ciao.« Peter legt auf und atmet tief durch.

      Er überfliegt nochmals seine Aufzeichnungen. Wo hat er nur den ›Priester‹ notiert, fragt er sich. Zuletzt findet er die Stelle: Pfarrer kommt von Plattform. Ist in Eile. – Bierführer trinkt Mineral an Theke …