Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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als arrogant und unsympathisch empfunden. Den »Herrn Doktor«. Mit Walther Hoffmann war sie immer gut zurechtgekommen, ein höflicher Mann, still, aber freundlich. Sie waren ein eingespieltes Team, es bedurfte nicht vieler Worte und die Rädchen im Getriebe der Direktion liefen. Als Dr. Brandt aufgetaucht war, kam jedoch der Motor ins Stocken, er war ihr nicht ganz geheuer und was man so über ihn gehört hatte noch viel weniger. Unangepasst, unkonventionell, ungerührt. Irene Scharnweber hatte tatsächlich Angst gehabt, als sie am Montagmorgen in das Büro gekommen war. Und dann war ihr dieser dumme Fehler passiert, sie hatte ihn ausgesperrt, ihm den falschen Schlüssel ausgehändigt. Er kam nach der Angelegenheit mit seinem Auto, über die er sich schon so aufgeregt hatte, nicht mehr in das Gerichtsgebäude und sie war kurz ins Rathaus geeilt, um etwas zu erledigen. Als sie zurückgekehrt war, spürte sie, dass zwischen ihm und ihr die Chemie einfach nicht stimmte. Als sie ihn abends mit Victoria Berg bei Mutti sah, traute sie ihren Augen nicht. Was wollte dieses nette Mädchen mit so einem? Seine ungehaltene Reaktion vom Mittag verursachte ihr eine schlaflose Nacht. Am Dienstag hatte sie ihn darauf ansprechen wollen, allein: Ihr fehlte die Gelegenheit dazu. Abends, als sie die letzte Runde mit ihrer Labradorhündin Luisa beendet hatte, setzte sie sich auf die Couch und weinte bitterlich. Das Bild ihres verstorbenen Mannes in den Händen haltend, dachte sie an ihren Sohn.

      Dr. Brandt war so alt wie ihr Sebastian. Aber so anders. Überheblich und – sie hatte lange überlegt. War es nur, weil er ihr so fremd war? Oder war er wirklich so ein Ekel? Was sah Victoria Berg bloß in ihm?

      Für den Mittwoch hatte sie sich fest vorgenommen, ihn anzusprechen, komme was wolle. Und dann – dann hatte er das Gespräch eröffnet. Nett, höflich. Um Entschuldigung gebeten. Und er hatte sie angelächelt. Freundlich. Ihr zugezwinkert. Das Eis war gebrochen und Irene Scharnweber hatte sich geschworen, nichts, aber auch rein gar nichts auf ihren Chef kommen zu lassen. Als sie am Mittwochnachmittag das Büro verließ, saß er noch tief in seine Akten versunken. Eigentlich ein hübscher Mann, dachte sie sich, ein bisschen blass vielleicht.

      Und nun aß er ihren Käsekuchen und lächelte sie wieder aus diesen strahlend grünen Augen an. »Sehr lecker ... Besser als der von meiner Mama ...«

      Wäre er nicht so verdammt jung, würde ich mich in ihn verlieben, dachte sich Irene Scharnweber, nippte an ihrem Kaffee und tat Frau Möller noch ein weiteres Stück Kuchen auf.

      Von dem Erinnerungssignal für den Kalendereintrag geweckt, stand Victoria nach einer viel zu kurzen Stunde Mittagsschlaf auf und sah auf das Display. Viktor anrufen. Da war ja was. In Ungarn war es gerade Mittag, sie hatte gute Chancen, ihn zu erreichen. Und Glück. Ein paar Minuten später hatte sie ihre Ideen und Wünsche für Magnus‹ neues Schwert mitgeteilt, ihm das Versprechen abgerungen, bis zum Abend einen Entwurf vorzulegen und ihm ein Bild von Magnus geschickt. Viktor hatte sie darum gebeten, damit er einen Eindruck vom zukünftigen Träger gewinnen konnte. Er war mehr Künstler denn Handwerker, seinen Schwertern hauchte er gern Leben ein. Victoria nahm es so hin und dachte nicht weiter darüber nach. Alles, was er bisher für sie angefertigt hatte, war wunderschön, bestens verarbeitet und einzigartig. Er würde sie nicht enttäuschen.

      Als nächstes visierte sie das Gespräch mit ihrem Vater an.

      »Hallo, Liebes.«

      »Einen wunderschönen guten Tag, Verräter.«

      »Victoria, sei nicht albern ...«

      »Ich, albern? Ich glaube nicht. Du bist doch derjenige, der hinter meinem Rücken taktiert.«

      »Liebes, lass mir entweder die Chance mich zu erklären oder ich beende das Gespräch.«

      Kleinlaut antwortete sie: »Ist ja gut. Entschuldige bitte. Ich habe gerade mit Magnus telefoniert und er hat es mir gesagt. Papa, was soll das?«

      Wilhelm Engwald atmete tief durch. »Weißt du, Liebes, ich habe gespürt, wie wichtig er dir ist und dass du Angst hast, ihn zu verlieren. Als du mir erzählt hast, wie befangen ihr beide seid oder wart, ob der Gesamtsituation und im Speziellen wegen deiner Reise, hatte ich das Bedürfnis, ihn kennenzulernen, ihm das Gefühl zu geben, dass er hier nicht allein ist.«

      Sie seufzte. »Das ist lieb von dir. Ich bin nur solche Alleingänge von dir nicht gewohnt und habe mich gefragt, was dich dazu bewogen hat.«

      »Das weißt du ja jetzt. Sei unbesorgt. Ich werde ihn schon nicht aus der Spur bringen. Und jetzt erzähl! Wie ist es dir ergangen?«

      »Hakim trägt es mit Fassung. Er ist wunderbar, wie immer. Ich glaube aber inzwischen, dass er auch ganz froh ist, dass wir reinen Tisch gemacht haben. Anfänglich schien er noch irritiert, aber ich schätze, es tut uns beiden gut, zu wissen, woran wir sind. Ich habe ihm von Magnus erzählt und meinen Gefühlen für ihn. Wir konnten beide loslassen.«

      »Das ist gut. Weiß Magnus es?«

      »Verklausuliert ja. Wirklich aussprechen werden wir uns wohl erst nach meiner Rückkehr. Aber das ist in Ordnung.«

      »Schön. Also bist du mir auch nicht mehr böse?«

      »Nein. Nur sag mir bitte demnächst vorher Bescheid, ja?«

      »Versprochen.«

      Erleichtert beendete Victoria das Telefonat. Alles lief wieder in die richtige Richtung. Für Hakims Kartellproblem hatte sie bereits eine Lösung im Hinterkopf, vielmehr einen Lösungsansatz, aber gleich beim Lunch würde sie ihm die Idee unterbreiten und gemeinsam könnten sie an der Ausgestaltung arbeiten.

      Auf dem Weg zu seinem Büro lief ihr Hasan über den Weg.

      »Hey, schön dich zu sehen«, begrüßte er sie, Küsschen links, rechts, links.

      Sie herzte ihn. »Schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?«

      »Hervorragend. Und wie ich sehe und höre, scheint es dir auch bestens zu gehen?«

      »Prächtig. Du hast also schon mit Hakim gesprochen?«

      »Habe ich. Er hat mich quasi abkommandiert, um dir zur Verfügung zu stehen. Im Moment ist er im Gespräch, aber er hat mich gebeten, dir auszurichten, dass er heute gern mit dir zu Abend essen und dann auf den Yas Marina Circuit möchte.«

      »So, möchte er das ... Ich kann mir denken, warum.« Victoria freute sich. Die Formel-1-Rennstrecke in Abu Dhabi war berüchtigt für ihre hängenden Kurven und den heißen Asphalt. Auf dem Kurs machte der McLaren sicherlich einen Riesenspaß, dafür nahm sie auch gern die gute Stunde Anreise in Kauf, die ihnen von Dubai bis Abu Dhabi bevorstand. »Möchtest du mit mir zu Mittag essen?«, fragte Hasan.

      »Gern. Bleiben wir hier oder wolltest du auswärts lunchen?«

      »Ich bin für hierbleiben. Für morgen kann ich aber gern einen Tisch im At.Mosphere reservieren!?«

      »Klingt prima. By the way, hast du dich in den Fall schon eingearbeitet oder soll ich dich beim Essen briefen?«

      »Was denkst du von mir?« Im Gehen rempelte er sie freundschaftlich an.

      »Hm. Wenn ich das auf frühere Begegnungen reduziere, denke ich, dass du nicht annäherungsweise weißt, worum es geht. Da du dir aber schon so oft eine Ohrlasche von Hakim abgeholt hast, kann es ja durchaus sein, auch wenn das irgendwie an ein Wunder grenzen würde, dass du mal ausnahmsweise deine Arbeit gemacht hast.«

      »Du bist so weise ...«

      Sie rempelte zurück. »Also?«

      »Ich weiß, worum es geht. Erzähl mir beim Essen also lieber von Magnus. Arbeiten werden wir später noch genug.«

      Um fünf verließ Magnus sein Büro und fuhr nach Hause. Der Tag war beinahe wie im Flug vergangen, das Telefonat mit Victoria hatte ihm den Vormittag versüßt und nun hatte er vor allem eins: Hunger. In einer Stunde würde er abgeholt werden. Ein bisschen kam er sich vor wie im Film. Aber da werden eigentlich die Frauen herumkutschiert. Bei dem Gedanken musste er lachen. Die Wohnungstür war gerade hinter ihm ins Schloss gefallen, als sein Handy klingelte. Tobias.

      »Moin, Sportsfreund. Wollte nur mal hören, wie es dir geht. Alles