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Deutsch und die heimliche Liebe zu Currywurst. Ob es eine heimliche oder unheimliche Liebe zu Victoria gab, blieb ein Geheimnis. Vorstellbar war es jedenfalls, sie verstanden sich gut, gingen gemeinsam zu Formel-1-Rennen, liebten schnelle Autos. Die Presse hatte ihr Bild von den beiden, David Meißner hatte sein eigenes. Man hörte sie viel gemeinsam lachen, wenn er bei ihr war und auch abends gingen sie gemeinsam aus. Andererseits stieg Scheich Hakim immer im Schlosshotel in Eschberg ab, übernachtete nie bei Victoria. Und man sah sie nie ohne diese kleinen Anzeichen einer gewissen Distanz.

      Prinzipiell konnte es David Meißner egal sein, ob und mit wem Victoria eine Beziehung hatte, rein optisch und emotional war sie nicht sein Fall. Einerseits war sie ihm zu feminin, die langen kastanienbraunen Haare, die weibliche Figur und ständig High Heels oder wie Victoria es abkürzte: Heels. Er mochte Frauen lieber in Jeans und Kapuzenpullover, gern sehr sportlich, was zu seiner eigenen Natur passte. Und bitte keine langen Haare; er wollte nicht jede Nacht aufpassen müssen, wo er seine Arme und seinen Kopf ablegte. Wann und wo er diese Frau finden würde war ihm noch nicht klar. Aber mit 25 muss man das auch noch nicht genau wissen, sagte er sich, klickte sich durch diverse Seiten der Bilanz eines Kunden und fügte die Essenz davon in einen Onepager für Victoria ein. Nein, sie war definitiv nicht sein Fall. Zu quirlig, zu sehr von dieser Aura umgeben, mit der sie, eigentlich ungewollt aber unvermeidbar, immer im Mittelpunkt stand, egal wohin sie kam. Und vor allem war sie zu alt. Für ihn. Dass sie aber immer noch nicht den Mann fürs Leben gefunden hatte, wunderte ihn hin und wieder. Vielleicht war es ja doch Scheich Hakim? Egal, das alles war nicht seine Baustelle.

      Victoria verfiel in eine stumpfe Grübelei. Bisher hatte sie sich immer auf Dubai gefreut. Hakim und sie verband eine lange Geschichte, die bis in die Anfänge ihrer gemeinsamen Zeit in München reichte.

      Sie hatten sich im Audimax der Uni kennengelernt, notgedrungen nebeneinander auf der Treppe gesessen und einer der langweiligsten Vorlesungen der Menschheitsgeschichte gelauscht. Statistik. Sie blödelten ungezwungen herum, kritzelten sich gegenseitig Unsinn in die Collegeblöcke und bekamen von den Inhalten kaum etwas mit. Zum Ende des Vortrages schrieb Victoria Hakim ihre Handynummer in den Block. »Falls du noch mehr Blödsinn loswerden willst.«

      Noch im Rausgehen wählte er ihre Nummer, als es tatsächlich in ihrer Jackentasche klingelte, grinste er sie unverhohlen an. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich daraus eine Liebelei, von der beide wussten, dass sie nur schwierig bis gar nicht fortzuführen wäre. Victoria wollte nach dem Abschluss nach Düsseldorf zurückkehren, Hakim bereits nach zwei Semestern wieder nach Dubai. Also genossen sie die Zeit, die ihnen blieb, kosteten jeden Moment aus und schoben den Abschied vor sich her. Am Abend vor dem Heimflug jedoch rang Hakim Victoria noch ein Versprechen ab.

      Sie lagen auf dem Bett, in Victorias Wohnung in der Nähe des Campus, Hakim hielt sie im Arm und spielte mit ihren Haaren. Beiden war schmerzlich bewusst, dass sie sich lange Zeit nicht sehen würden, wenn es überhaupt ein Wiedersehen gab und beiden lastete dieser Gedanke schwer auf dem Gemüt. Victoria drehte sich zu ihm um und sah ihm in die Augen. Ohne ein Wort zu verlieren, küsste er sie, wieder und wieder und wieder. Die Sonne war gerade untergegangen und mit dem Wegfall des Tageslichts verdüsterte sich die Stimmung zunehmend.

      »Hakim, was wir hatten ... was wir haben; ich will das eigentlich nicht aufgeben ...«

      »Ich auch nicht ... Aber wir haben so viel darüber gesprochen ... Wir waren uns einig, dass wir die Zeit die Dinge klären lassen. Oder, Hobbi?«

      »Ja, du hast recht ... Ich mag dich einfach nur nicht loslassen.«

      Er zog sie näher an sich heran und küsste ihre Stirn. »Hey, lassen wir es drauf ankommen, jeder geht erst mal seinen Weg. Wo sich unsere Wege kreuzen, gehen wir ein Stück gemeinsam, wo sie sich trennen, lassen wir einander freien Lauf. Und wenn du mit 30 noch nicht den Richtigen gefunden hast, heiratest du einfach mich.«

      Beide lachten, bis sich Victoria auf die Unterlippe biss und ihn forschend ansah: »Okay. Abgemacht.«

      Hakim lachte sie an, küsste sie leidenschaftlich und fiel kopfschüttelnd über sie her. »Du bist soooo verrückt ...«

      Magnus Brandt starrte immer noch auf den Marktplatz. Gute 500 Kilometer lagen zwischen gestern und heute, Berlin und Eschberg, Ilona und – Victoria. Warum um alles in der Welt ging sie ihm nicht aus dem Kopf?

      »Da hat es aber jemanden erwischt ...« Zeilingers dunkle Stimme ließ Magnus zusammenfahren und er fühlte sich ertappt, seine Ohren wurden heiß und seine Wangen röteten sich.

      »Auweia, so schlimm?«, fragte Zeilinger.

      »Nein. Ähm. Hm. Ich weiß nicht. Die Begegnung war irgendwie – prägend. Es tut mir leid, wie ich zu ihr war und dass ich das nicht richtiggestellt habe, das ist so gar nicht meine Art. Unrecht mag ich nicht und ich möchte das so nicht stehen lassen.« Er seufzte.

      »Unrecht ist Ihnen unlieb«, schmunzelte Zeilinger. »Ganz recht. Sonst hätten Sie auch definitiv den Beruf verfehlt ... Mein Lieber, wenn Ihnen so viel daran liegt, werde ich Ihnen gleich Victorias Nummer geben und Sie können Ihre Entschuldigung selbst vortragen.«

      »Hm. Hat sie nichts dagegen, wenn Sie einfach so die Nummer weitergeben?«

      »Nein, ich denke nicht. Und bevor Sie sich das Hirn zermartern: es gibt auch sonst niemanden, der etwas dagegen hätte.«

      Magnus überlegte für einen Moment, was Zeilinger ihm nun damit sagen wollte. Victoria war Single? Fast nicht vorstellbar. Zeilinger tippte und wischte auf dem Display seines Handys herum.

      »Ich gebe Ihnen die Nummer im Büro bei ECG, dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie Ihnen die Handynummer gibt.«

      »ECG?«

      »Engwald Consulting Group. In Düsseldorf.«

      »Ah, okay. Unternehmensberaterin? So, so ...«

      »Ja, genau. Fragen Sie nach Victoria Berg, falls sie nicht selbst drangeht.«

      »Danke.«

      »Immer wieder gern ...«

      Wieder im Büro angelangt begann der Marathon im Merken von Namen und Gesichtern, Händeschütteln und Post lesen für Magnus. Gegen fünf Uhr am Nachmittag hämmerte es zunehmend in seinem Kopf und er fühlte sich nicht mehr aufnahmefähig. Und erst recht nicht in der Lage, entschuldigende Worte gegenüber Victoria zu finden. Und schon gar nicht, sie um ein Date zu bitten. Ein Date? Allein der Gedanke daran ließ ihm die Knie weich werden. Wie ging das noch mal? Er hatte bei seiner Hochzeit eigentlich damit abgeschlossen, jemals wieder in diesen Prozess einzutreten; Aufmerksamkeit erregen, anbandeln, Achterbahnfahren, annähern und abschleppen.

      Nein, abschleppen passte nicht. Das war vor 10 Jahren vielleicht die Masche, aber erstens war Victoria sicherlich keine Frau für eine Nacht und schon gar nicht für die Erste und zweitens war es auch nicht das, was er wollen würde. Zwar wollte er auch nicht von einer Beziehung in die nächste stolpern, aber der Sicherheitsabstand zu Ilona war in jedem Detail inzwischen groß genug. Insbesondere in seinem Herzen hatte sie seit geraumer Zeit keinen Platz mehr. Heimlich, still und leise hatte sich dort aber seit dem Morgen ein gewisses Lächeln eingenistet, das es schneller schlagen ließ, sobald er es sich wieder vor Augen rief.

      Zwei Aspirin und einen Stapel Briefe später packte er das Tablet und seinen Dienstausweis in die Aktentasche, schloss die Bürotür hinter sich und eilte ins Freie.

      Die Sonne stand schon tiefer am Himmel, es war aber immer noch herrlich warm und er fragte sich, wie er den Abend ausklingen lassen könnte.

      Seine Vorzimmerdame hatte ihm den Tipp gegeben, dass es bei »Mutti« in der Fontanestraße eine echte Berliner Currywurst gab, für den Fall, dass er Heimweh hätte. Sehnsucht nach Berlin hatte Magnus definitiv nicht, aber Hunger. Und keine Ahnung, wo die Fontanestraße war. Er googelte kurz die Wegbeschreibung und stellte fest, dass sie an einer Buchhandlung vorbeiführte. Es war kurz nach sechs, bis sieben könnte er dort noch schauen, ob die neueste Ausgabe von Bike verfügbar war.

      Victoria blickte auf die Uhr, Viertel nach sechs. Es war doch wieder später