Larissa Schwarz

Zauberhaft - Victoria


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Frage.

      KATZE, bloß nicht noch mehr Gassigehen müssen!

      Pastafari.

      »Und jetzt?«, fragte sie ihn, zurückhaltend, unbestimmt und fast kleinlaut.

      »Gute Frage«, antwortete er ebenso vorsichtig. »Wenn ich dich in der Buchhandlung vorhin richtig verstanden habe, musstest du eigentlich gerade los?«

      »Jein, das bezog sich darauf, dass ich noch etwas essen wollte und theoretisch noch bei meinem Vater vorbei muss und es mir dann mit einem Glas Wein und dem dicken Wälzer gemütlich machen wollte. Wobei ich meinem Vater auch absagen kann und soweit ich mich erinnere, haben gedruckte Lettern den Vorteil, dass ihnen nicht der Akku ausgeht ... Also ...«

      »Weißt du, das klingt jetzt vielleicht nach einer miserablen Ausrede, aber ich bin heute Nacht um vier mit meinem Umzug fertig geworden, habe zwei Stunden geschlafen und im Laufe des Tages vier Aspirin genommen. Ich fürchte, je später der Abend wird, desto desolater wird mein Zustand und irgendwann sitze ich nur noch lallend und schlimmstenfalls abstoßenderweise sabbernd neben dir, rede noch wirreres Zeug als ohnehin schon und bekomme gar nicht mehr mit, wie zauberhaft ich dich finde ...« Beim letzten Teil des Satzes hatte er ihre Hand gegriffen und sah ihr traurig in die Augen.

      Victoria strich mit einem Finger über seinen Daumen und antwortete: »Eigentlich würde ich ja jetzt eine spitze Bemerkung machen. Ein zynisches ›Dann eben nicht, du wirst es noch bereuen‹, aber um ehrlich zu sein: ich hatte auch eine zermürbende Nacht und bin ziemlich müde. Ich habe also nichts dagegen, wenn du mir, als Wiedergutmachung für heute früh, noch das Buch zum Auto bringst und mir dann hoch und heilig versprichst, dass wir uns wiedersehen.«

      Magnus blickte zur Seite, dann wieder hoch zu ihr. »Von mir aus trag ich dich samt Buch zum Auto ... Und darauf, dass wir uns wiedersehen, gebe ich dir mein Ehrenwort.« Er ließ ihre Hand nicht los, als sie aufstanden, auch nicht, als er das Buch aufnahm und sie das Lokal verließen. An der Fußgängerampel vor »Mutti« lehnte Victoria ihren Kopf an seinen Arm, beide sahen zur anderen Straßenseite hinüber. Grün.

      »Kinderriegel oder Duplo?«

      »Duplo.«

      »Erdbeere oder Kirsche?«

      »Erdbeere. Aber wenn es um Eis geht, am liebsten Schokolade.«

      »Fußball oder Eishockey?«

      »Definitiv Eishockey. Dafür war ich zu lange in Berlin. Die wissen dort gar nicht, was Fußball ist.«

      »Audi oder BMW?«

      »Aktuell fahre ich Audi. Aber eigentlich ist mein Traumauto ein Ford Mustang. So wie der, der da vorne steht, auf dem Parkpl- »

      Im selben Moment hatte Victoria auf den Autoschlüssel gedrückt, die Lichter des Wagens leuchteten auf und sie sah zu ihm hoch. Magnus war, trotz ihrer schwindelerregend hohen Schuhe, noch gut einen Kopf größer als sie.

      Sie blieb stehen, hielt ihn an der Knopfleiste seines Hemdes fest und zog ihn näher zu sich heran. »Duplo, Erdbeeren, Schokoladeneis, Eishockey und Audi. Ford Mustang Shelby GT 500. Ich hab langsam wirklich Angst.«

      »Angst?«, fragte er und lehnte seine Stirn gegen ihre, sah ihr direkter denn je in die Augen und legte schüchtern seine Arme um ihre Taille.

      »Angst!«, antwortete sie und stupste seine Nase mit ihrer an. »Aber das ist nichts, was wir hier und heute angehen sollten.«

      »Schon okay«, flüsterte er, stupste ihre Nase zurück und verlor sich im Funkeln der kleinen goldenen Sprenkel ihrer braunen Augen.

      In der Sekunde, als sie einander losließen, wurde beiden klar, dass sie gerade einen dieser One-in-a-million-Momente erlebt hatten und es für den Augenblick keiner weiteren Worte bedurfte.

      »Wo kann ich dich absetzen? Oder willst du selber fahren?«

      »Das ist tatsächlich deiner ... Für eine Sekunde hab ich noch an einen Zufall geglaubt, aber klar. Muscle-Car ...« Er betrachtete prüfend den schwarzen Mustang. »V8, 5,8 l, 325 km/h Spitze!?«

      »Exakt. Nur das beantwortet meine Frage nicht«, tadelte sie ihn gespielt.

      »Hm. Also, ich wäre sehr glücklich, wenn du mich am Gericht absetzt, ich hoffe, dass mein Auto wieder dort steht. Auch wenn der Mustang echt ein Traum ist, ich bin definitiv zu müde, mich jetzt darauf einzulassen.«

      »Kein Problem. Steig ein, ich lass dich am Gericht raus.«

      Magnus ließ sich in den schwarzen Ledersitz auf der Beifahrerseite fallen und sah sich in dem Auto um. Als sie den Motor anließ, machte sich ein seliges Lächeln in seinem Gesicht breit, der Sound und die Vibrationen übertrugen sich fast 1:1 in den Innenraum.

      »So fühlen sich also 662 PS an? Wow.«

      »Mhm ...«, nickte Victoria lachend und fuhr los.

      Es waren nur wenige Straßen bis zum Gerichtsgebäude und schon aus der Entfernung sah Magnus den weißen A4 wieder an Ort und Stelle stehen. Er atmete auf.

      »Einerseits bin ich ja froh, dass der Wagen wieder zurückgebracht wurde, andererseits ...« Er schmollte und hielt Victorias Hand fest, küsste sie darauf und strich mit den Fingern seiner anderen Hand darüber. »Morgen?«

      »Morgen. Versprochen.«

      »Schreibst du mir noch, wenn du heil zu Hause angekommen bist?«

      »Ja, natürlich.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Jetzt aber raus, bevor ich dich doch noch für eine Spritztour kidnappe ...«

      »Kidnappen? § 239 Strafgesetzbuch. Freiheitsberaubung. Absatz eins: Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Absatz zwei: Der Versuch ist strafbar«, entgegnete Magnus trocken.

      »Ooooooh raus mit dir, Herr Doktor. Du redest Blödsinn ...«, lachte sie und knuffte ihn in die Seite. »Bevor du mir jetzt mit Körperverletzung wegen des Knuffens kommst –« Sie hielt inne und küsste ihn abermals flüchtig auf die Wange: »Abmarsch!«

      Lachend und kopfschüttelnd verließ Magnus das Auto, warf ihr eine Kusshand zu und ging zu seinem Auto.

      Im Rückspiegel sah Victoria ihn in die andere Richtung abbiegen. Ihr fiel auf, dass sie gar nicht gefragt hatte, wo er wohnte. Vielleicht war es besser so, sie hatte zunächst auch wenig Interesse, ihre Adresse preiszugeben. Aber warum eigentlich? Magnus machte den Eindruck, als interessierte er sich tatsächlich für ihre Person, nicht für ihren Lebensstandard. Ihr war das Funkeln in den Augen beim Anblick des Ford Shelby zwar aufgefallen, aber ihr ging es nicht anders, wenn sie ihr »Baby« sah. Der Sportwagen war zwar nicht ihr einziges Auto, aber hatte es Sinn, das zu erzählen? So weit wollte sie beim ersten, ungeplanten Date dann doch nicht gehen. Auch wenn sie Magnus für selbständig und geerdet hielt, die Gefahr, dass er vor Victoria Berg zurückschrecken könnte, war noch nicht gebannt.

      Sie sah auf den Darwin-Fisch an ihrem Schlüsselbund und schickte ein Stoßgebet zum Fliegenden Spaghettimonster, dass Magnus sie nicht googeln würde.

      Magnus bog in die Talstraße ein, stellte den Wagen in Ermangelung eines Parkplatzes drei Häuser weiter ab und ging das letzte Stück zu Fuß. Er hatte Victoria gar nicht gefragt, wo sie wohnte. Na ja, überlegte er, dann fragt sie wenigstens auch nicht nach meiner Adresse.

      Es bereitete ihm Unbehagen, wenn er daran dachte, dass sie ihn dort besuchen könnte. Erstens müsste er dringend vorher aufräumen. Und zweitens. Hm. Eigentlich wird selbst das Aufräumen nicht helfen. Die Wohnung erinnerte eher an eine Studentenbude als an ein Zuhause. Nervös hantierte Magnus mit dem Haustürschlüssel. Der Gedanke, wohin das alles führen würde, ließ ihn nicht los und bereitete ihm erneut Kopfschmerzen. Kaum zur Tür herein, zog er sich aus, stellte sich unter eine eiskalte Dusche und atmete tief durch. Wenig später sah er auf sein Handy. Victoria hatte sich noch nicht gemeldet. Siedend heiß fiel ihm ein, dass ja nur er ihre Nummer hatte, nicht umgekehrt.

      Er