Isabella Kniest

Right in your heart


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wurde er hellhörig.

      Er setzte sich auf. »Tatsächlich? Ich habe noch nie eine Entschädigung erhalten … wenn ich ehrlich bin.«

      Weshalb hatte er das gesagt? Da wirkte er ja wie ein kleines Kind, das um Aufmerksamkeit und Mitleid bettelte!

      Anscheinend benötigte er einen etwas längeren Urlaub, als vier Tage in einem Wiener Hotel und anschließendem Flug nach Dubai, um dort einen verdammten Bericht abzuliefern, welchen sein Boss – und Gott hab ihm gnädig, wenn er zurück war – dem Botschafter per E-Mail locker flockig hätte zukommen lassen.

      Aber nein.

      Da Theo den terroristischen Anschlag durch stundenlange Recherche und ebenso lange Verhöre aus diesem Abschaum von IS-Drecksfotzen herausgekitzelt und den Einsatz in Dubais Flughafengebäude angeführt hatte, musste er persönlich auftauchen und Bericht ablegen, und zu allem Überfluss diesen schweißtreibenden langen Aufklärungsgang absolvieren.

      »Dann wird es höchste Zeit,« entgegnete der Botschafter und griff nach einem Kuvert, um es ihm über den wuchtigen Mahagonitisch zu reichen. »Machen Sie sich ein paar schöne Tage.«

      Theo runzelte die Stirn.

      Vielleicht hatte diese ganze Sache doch etwas Gutes.

      Er griff danach und öffnete es: ein Ticket und Bargeld.

      »Mit Ihrem Einsatz und Engagement haben Sie dutzende, ja wenn nicht hunderte Menschenleben gerettet und darüber hinaus einen weltweiten Skandal verhindert. Terrorwarnungen in Dubai hätten dem Scheich nicht sonderlich gut gefallen.«

      Ungläubig schüttelte Theo den Kopf. »Ich habe lediglich meinen Job gemacht. Das ist wirklich nicht nötig.«

      Durfte er das Geschenk überhaupt annehmen? Womöglich wollte der Botschafter ihn bestechen? Womöglich wollte die Abteilung ihm etwas anhängen?

      Nein.

      Er befand sich doch nicht in einem Agentenfilm der Neunzigerjahre!

      »Vielen Dank.« Er warf dem Diplomaten ein ehrliches freundliches Lächeln zu. »Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.«

      Der alte Mann erwiderte das Lächeln. »Nichts zu danken. Und ich hoffe, wir sehen uns nicht mehr.« Es trat eine Pause ein. »Sie wissen, wie ich das meine, oder?«

      Theo grinste. »Absolut. Keine Sorge.« Damit erhob er sich. Der Botschafter tat es ihm gleich.

      Sie schüttelten sich die Hände, dann verließ Theo die Botschaft.

      Urlaub.

      Weiber, Strand, Meer und Sauferei! Yes!

      Das Meer. Unendliche Weiten. Und mittendrin eine kleine unscheinbare Insel mit neunzehn Hotelzimmern, einem Restaurant und derart viel Ruhe … allmählich wurde es mir unheimlich. Ich saß auf meiner kleinen Terrasse und beobachtete die funkelnden Sterne. Ein zarter, die Seele liebkosender Duft von Holz und Meerwasser lag in der Luft.

      Seufzend strich ich mir das Haar aus dem Gesicht und ließ die letzten Stunden Revue passieren: Erst hatte ich mir die Rochenfütterung angesehen. Dadurch war es mir möglich gewesen, ein paar wunderschöne Aufnahmen dieser anmutigen Tiere zu machen. Nach dem Abendessen fing ich noch ein paar Fotos der untergehenden, von cremefarbenen Schleierwolken eingehüllten Sonne ein. Alsbald sich die Nacht über die Insel legte, war ein Lagerfeuer entzündet worden, dessen hektisch in den schwarzen Himmel züngelnde Flammen mich unweigerlich in meine Kindheit zurückversetzt hatten. An mein erstes Osterfeuer. Knapp für Jahre alt war ich gewesen. Dennoch muteten die Bilder solchermaßen klar an wie eben erst erlebt.

      Vaters warme Hand, die meine hielt. Eine Hand, die Sicherheit, Schutz und Liebe bedeutete … gleichermaßen wie Einsamkeit, Verlust und Strenge.

      Es war eigenartig, wie unwichtige Kleinigkeiten dich an längst vergangene Erlebnisse erinnerten. Ob ein Feuer, ein Auto, ein Kleidungsstück, ein Duft oder ein Song.

      Ich erhob mich.

      Es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Schließlich wollte ich morgen zeitlich aufstehen, um Bilder vom leeren Strand einzufangen.

      Erschöpft, dafür mit leichtem Herzen legte ich mich ins weiche Himmelbett und blickte hinaus auf das dunkelblaue Meer.

      In diesem Moment fühlte ich mich behüteter als in den Armen meines vermaledeiten Ex in unserer ersten Nacht.

      Das musste ein gutes Omen sein.

      Ehe ich einschlief, ging mir nur noch ein Gedanke durch den Sinn: Ich will für immer hierbleiben.

      Sonnenstrahlen weckten mich, kitzelten meine Nase, sodass ich erst einmal Niesen musste. Noch etwas benommen drehte ich mich zum Nachtkästchen und warf einen verschwommenen Blick auf das Handy: 10:00 Uhr. Damit nahm mein Verstand seine Arbeit auf. Fuck. Ich wollte doch den Sonnenaufgang fotografieren!

      Nun, dann eben morgen.

      Mit bleiernen Schritten stolperte ich ins Bad, entleerte meine Blase und richtete mich fürs Frühstück her. Dazu stellte ich mich unter die Dusche, putzte mir die Zähne und zog mir eine lange weiße Leinenhose und ein gleichfarbiges kurzärmeliges Hemd über. Meine Haare band ich locker zusammen. Ich griff nach meinem Zimmerschlüssel und rauschte Richtung Restaurant.

      Da es auf der Insel bloß neunzehn Hotelzimmer gab – zehn davon stellen Wasserbungalows dar – traf man dementsprechend wenig Urlauber an. Das wiederum bot den größten Genuss überhaupt! Keine Kinder, alleine einige Pensionisten und ein paar verliebte Pärchen, die ich weitestgehend ignorierte.

      »Good morning!«, begrüßte mich der Berufsfotograf.

      Ach ja, der Fotograf. Den gab es auch noch.

      Mit ihm hatte ich gestern einen kurzen Plausch geführt. Er war vierzig, lebte in London und arbeitete für ein Reisemagazin, das sich auf Inselparadiese spezialisiert hatte. Michael, so sein Name, hatte ebenfalls für fünf Tage gebucht. Der einzige Unterschied zu mir: Er musste nichts bezahlen. Ich hatte mein komplettes Erspartes hingeblättert.

      So war das Leben.

      »Did you sleep well?«

      Ich schenkte ihm ein Lächeln. »I couldn’t remember a night I have slept that peacefully before.«

      Bereits gestern hatte er mir einige unterschwellige Avancen gemacht. Beim Rochenfüttern zum Beispiel war er äußerst nahe zu mir getreten, um mir bei den Kameraeinstellungen zu helfen. Des Weiteren lächelte er stets eine Idee zu viel. Darüber hinaus suchte er ständigen Blickkontakt.

      Ich musste zugeben, ich fühlte mich geschmeichelt. Immerhin sah er überaus passabel aus: grünblaue Augen, eine normale Figur – mit einem angedeuteten Wohlstandsbäuchlein – und diese umwerfende einladende Art gepaart mit seinem strahlenden Lächeln.

      Dennoch.

      Ich war nicht aus auf einen One-Night-Stand oder eine Fernbeziehung. Überdies zeugte ein weißer Rand an seinem Ringfinger von einem Ehering, welchen er mit ziemlicher Sicherheit in seinem Koffer versteckt hielt.

      Darauf hatte ich absolut keinen Bock. Niemals würde ich mit einem Mann ins Bett springen, dessen ihn inniglich liebende Ehefrau zu Hause sehnsüchtig wartete.

      Ein wenig Flirten allerdings – das ging immer. Außerdem lenkte es ab. Sonst wäre es mir ohnehin langweilig geworden.

      »May I ask you if you want to sit with me?«

      »Yes, that’s nice. Thank you.« Ich setzte mich zu ihm – und er warf mir ein breites Lächeln zu.

      »You are looking incredible today.«

      Typischer englischer Charmeur. »Thank you.«

      »What do you want to drink?«, unterbrach uns ein