Isabella Kniest

Right in your heart


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ich auf meinem Platz saß, steckte ich mir die Ohrenhörer ein, wählte Slim Man’s Album Thousand Miles Away an und schloss die Lider.

      Die vier Stunden rasten dahin, und mir nichts dir nichts befand ich mich in der Einwanderungsbehörde von Male und füllte ein Formular aus. Und dreißig Minuten später saß ich im Wasserflugzeug Richtung Urlaubsparadies.

      Nachdem wir zwei Inseln angeflogen und Passagiere abgesetzt hatten, war endlich meine an der Reihe.

      Bereits aus der Luft sah Naladhu, das halbmondförmige, südlich gelegene Male-Atoll, schlichtweg traumhaft aus.

      Der Pilot landete und wir wurden aufgefordert, das Flugzeug zu verlassen.

      Mit sanfter Vorfreude setzte ich meinen ersten Schritt auf den ellenlangen magnolienfarbenen Steg. Der Geruch von Meerwasser, Kerosin und Holz stieg mir in die Nase, evozierte erste richtige Urlaubsgefühle.

      Mitreisende folgten: Ein japanisches Pärchen – ich tippte auf Flitterwochen – ein kaukasischer Berufsfotograf und ein weiteres, um die sechzig angesiedeltes hellhäutiges Pärchen.

      Während wir die Koffer ausgehändigt bekamen, richtete ich den Blick zur exotischen Insel, welche sich wie auf den Fotos des Reiseveranstalters präsentierte: azurblauer Himmel, grüne Palmen, strahlend weißer Sandstrand und zwischen all der Schönheit braune Schilfdächer der Bungalows.

      Samt Trolley und Handgepäck setzte ich mich in Bewegung.

      Die zärtlichen Wellen des türkisfarbenen, klaren Indischen Ozeans funkelten in der nachmittäglichen Sonne. Eine warme Brise wehte mir meinen lockigen, kinnlangen Pony ins Gesicht und bewies mir: Ich hätte mir die Haare doch zusammenbinden sollen.

      Ich hasste es, wenn sich meine Mähne verselbstständigte und mir vor die Augen flog. Speziell in solchen Momenten, wenn sich die Natur dermaßen perfektionistisch in Szene setzte.

      Bleib locker, mahnte ich mich. Genieße besser die Aussicht. Was sagt es über dich aus, wenn du dich über verwehende Haare aufregst?

      Auf der Insel angekommen wurde unsere kleine Gruppe von einer dauerlächelnden weiblichen Reiseleitung empfangen, welche uns mit den wichtigsten Informationen betraute: Dass man sich vor neugierigen Haien und Rochen nicht zu fürchten brauche, wann Schnorchelausflüge und andere Touristenattraktionen auf dem Plan stünden – einschließlich der Rochenfütterung, diese wurde täglich um 17:30 Uhr abgehalten – und ein paar administrative Angelegenheiten, die mich im Grunde genommen nicht wirklich interessierten, von meinem Hirn dennoch abgespeichert wurden.

      Wieder mehr Beachtung schenkte ich den Essenszeiten: Gefrühstückt wurde zwischen 7:30 Uhr bis 10:30 Uhr. Mittagessen gab es von 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr. Zwischen 16:00 Uhr und 17:00 Uhr hatte man die Möglichkeit, sich kleine Snacks zu holen. Zu Abend gegessen wurde von 18:30 Uhr bis 20:30 Uhr. Und wen nach all der Fresserei noch immer Hunger plagte, konnte einen Mitternachtssnack an der Bar einnehmen.

      Zum Abschluss erfuhr ich die Lage meines Wasserbungalows. Dieser befand sich fünfzig Meter von der Rezeption entfernt – umringt vom glitzernden Ozean.

      Erschöpft und ausgelaugt betrat ich mein neues Domizil. Ich ließ das Handgepäck auf den Boden fallen, rollte den Trolley dazu und zog mir die Schuhe aus.

      Der Wohnbereich fiel unerwartet groß aus.

      Eine weißgepolsterte Couch zu meiner Linken, ein runder Holztisch mit Glasplatte und dazu passende Stühle, eine Holzkommmode zu meiner Rechten, luftig cremefarbene Vorhänge sowie ein holzähnlicher Duft verscheuchten Stress und Frustration endgültig und beschenkten mich stattdessen mit reiner urlaubsmäßiger Glückseligkeit.

      Barfuß durchquerte ich den Raum und huschte nach links – in das, meines Erachtens nach, schönste Bad der Welt: Eine Steinwanne, eine Regendusche und einen direkten Abstieg ins Meer wurden mir hier ebenso geboten wie zwei riesige Spiegel, Steinwaschbecken und einen Durchgang zur Terrasse, in der ein rechteckiger Pool mit Meerwasser angelegt worden war. Konkret bedeutete das: Ich konnte im Meer baden, ohne überhaupt ins Meer zu gehen. Sehr praktisch, sollte man sich vor Haien fürchten, welche durch das klare Salzwasser bereits von Weitem zu erkennen waren. Da ich glücklicherweise an keinerlei Ängsten litt, konnten sich diese anmutigen Meeresbewohner sicher sein, mich in den nächsten fünf Tagen des Öfteren in ihrer natürlichen Umgebung anzutreffen.

      Ich trat zur weiß gestrichenen Holzbalustrade und ließ den Blick über den Ozean schweifen – und was sah ich? – einen kleinen hellhäutigen Hai, der quickfidel an meinem Domizil vorbei Richtung Strand schwamm.

      Ich bekam Herzklopfen vor Freude, Glück und Unglauben.

      Diese Insel war tatsächlich ein Paradies auf Erden!

      Kein Wunder, weshalb derart viele Leute ihre Flitterwochen auf den Malediven verbrachten.

      Durch diesen Gedanken legte sich mein überschäumender Gemütszustand, und stets zu vergessen versuchende Erlebnisse drängten von den tiefsten Winkeln meiner Seele empor.

      Verfluchte Scheiße!

      Weshalb hatte ich mich mit diesem Vollidioten eingelassen?

      Wie blöd war ich gewesen, mich von seinem Aussehen blenden zu lassen?

      Sowie seinem Gemaule: »Du bist so hübsch. Du bist so klug. Du bist eine echte Traumfrau.«

      Ja ne, is’ klar!

      Deshalb betrog er mich ja mit einer Putzfrau – kaum fünf Monate später.

      Klasse.

      Die Überlegungen auf die Seite schiebend ging ich zurück ins Bad und weiter ins Schlafzimmer. Ein schneeweißes Himmelbett war inmitten des sonnendurchfluteten Raumes platziert worden. Zahllose Fenster boten mir einen atemberaubenden Blick aufs Meer und die Insel. Dennoch wollte sich eine neue Freude nicht mehr wirklich einstellen.

      »Verdammt!«, fluchte ich laut. »Jetzt lässt du es noch zu, von diesem Arschloch, das du schon seit vier Jahren nicht mehr gesehen hast, deinen Urlaub zu verhunzen!«

      Ich atmete einmal tief durch.

      Ändern konnte ich nichts mehr daran. Es war passiert. Weshalb? Ich wusste es nicht, und ich verstand es nicht. Ich hatte keinen blassen Dunst, was ich falsch gemacht hatte. Tausendmal hatte ich mir dieselben Fragen gestellt: War ich nicht sein Typ? War ich zu hässlich? War ich nicht gut im Bett? War ich zu introvertiert? Zu extrovertiert? Zu aufbrausend?

      Nun, erfahren würde ich es nie mehr. Und ständig darüber nachzudenken half mir ebenso wenig, wie mir durch diese Sache diesen teuren Urlaub komplett verderben zu lassen.

      Bedauerlicherweise gab es da einen weiteren Grund, welcher mich dieses Drama nicht aufarbeiten ließ: Dieser Drecksack war mein Erster gewesen. Mein erster Freund.

      Dabei hatte ich bis achtundzwanzig gewartet, mich davor erst gar nicht auf irgendwelche Idioten eingelassen – in der Hoffnung, den Richtigen zu begegnen. In der Hoffnung, glücklich zu werden.

      Und was passierte?

      Ich musste mich in diesen verlogenen Bastard verlieben!

      Mit Beziehungen hatte ich im Allgemeinen kein sonderliches Glück: Entweder wurde ich von fürchterlichen Unsympathlern angesprochen, meine Versuche nette Männer näher kennenzulernen, wurden mit Ignoranz beantwortet oder aber, die Objekte meines Begehrens waren verheiratet, schwul oder anderweitig vergeben.

      Diese Umstände schmerzten und demonstrierten mir auf unmissverständliche Weise, dass ich alleine besser dran war.

      Eines war nämlich klar: Solange ich alleine durchs Leben schritt, konnte mich niemand verletzen.

      Wie sagte Sherlock so treffend: »Alone protects me.«

      Und dann meinten meine Kollegen und Bekannten, ich solle sesshaft werden!

      Ernsthaft?

      Was denn, heiraten? Und Kinder kriegen? Sich mit noch mehr Sorgen überladen? Ich hatte genügend Stress mit meiner eigenen Psyche. Sollten diese taktlosen, gefühllosen, verfluchten Männer