Isabella Kniest

Right in your heart


Скачать книгу

ließ mich fallen, zielte auf seinen Oberschenkel und drückte ab.

      Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch das Foyer. Im Anschluss daran folgte ein Schmerzschrei – und der Typ brach zusammen.

      »Sandro, hast du die Polizei informiert?«

      Ich rappelte mich auf, stürmte zu dem sich am Boden windenden und schreienden Jugo-Sack, kickte die neben ihm liegende Glock zur Seite, sicherte meine Waffe und steckte sie weg.

      »Sandro?«

      Zum Glück führte ich auch außer Dienst stets meine Achter mit mir. Jedoch nicht aufgrund irgendwelcher Sexpraktiken meinerseits. Derlei kranken Scheiß konnten sich diese Fifty-Shades-Of-Grey-Groupies geben. In meinem Fall war diese Gewohnheit alleine meinem Sicherheitsbewusstsein geschuldet.

      Mit diesem heutigen Tag hatte sie sich bezahlt gemacht!

      Ha!

      Seit Jahren hatte ich mir deshalb blöde Meldungen seitens Dan anhören müssen.

      Nun würde die Retourkutsche folgen!

      Mit geübter Eleganz zog ich die Handschellen aus der Innentasche meiner Lederjacke hervor und legte sie dem winselnden Balkan-Deppen an.

      Dieser begann tatsächlich zu schluchzen.

      »Na, da haben wir wohl einen ganz Harten.«

      Erst auf Achtzigerjahre-Badboy machen und dann zum Heulen anfangen … das waren mir die Liebsten!

      »Ich brauche doch gar keinen anzurufen«, vernahm ich Sandro endlich. »Schließlich bist du eh schon da.«

      Ich riss dem Bankräuber die Sturmhaube vom Schädel. »Mach keine Witze und melde das der Zentrale.«

      Der Kriminelle zeigte mir eine hässliche Visage – zusammengewachsene Augenbrauen, wulstige Lippen sowie eine rattenähnliche Gesichtsform –, welche sich durch die Schmerzen ungleich hässlicher verzog.

      »Hab ich schon«, kam es von hinten. »Bin ja nicht blöd.«

      Gott, die jungen Leute heutzutage!

      »Fotze«, würgte mein neuer Freund wimmernd hervor. »Du blöde Fotze.«

      Ich zog den Arsch hoch – und er stieß einen neuen Schmerzschrei aus.

      Der Typ war unerwartet leicht. Hatte wahrscheinlich mit der geringen Körpergröße von nicht einmal einem Meter sechzig zu tun.

      Waren heutzutage eigentlich sämtliche Männer so groß wie Frauen aus den Siebzigern?

      »Halt einfach deine Fresse.« Ich verstärkte meinen Griff. »Sonst breche ich dir überdies einen Arm, Hurensohn.«

      »Hey! Keine Kraftausdrücke!«, schimpfte Sandro merklich angepisst. »Du bist Polizistin – und kein Assi. Du hast eine Vorbildfunktion.«

      Wie bitte?!

      Ich drehte mich zu dem hübschen Jüngling. »Alter, was ist eigentlich los mit dir? Du hättest erschossen werden können. Hast du das schon kapiert?«

      Und der regte sich über meine Umgangsformen auf?!

      »Klar.« Sichtlich unberührt zuckte dieser die Schultern. »Aber es ist ja nichts passiert.«

      Ich wollte etwas erwidern, da wurde ich von vertrautem Sirenengeheul unterbrochen. Und keine zehn Sekunden später flutete Blaulicht das weiß gestrichene Foyer.

      »Ist ja nichts passiert«, wiederholte ich Sandros irrsinnige Meldung und schleppte den Jammerlappen eines Kriminellen nach draußen. »Die Jugend heutzutage spielt definitiv zu viele Ballerspiele.«

      Ich trat vor die Tür – und konnte bloß den Kopf schüttelnd.

      Die gesamte Polizeistation stand vor mir – mit teils glücklichen, teils leicht verängstigten Gesichtern.

      Das passierte, wenn eine Polizeidienststelle an permanentem Arbeitsmangel litt.

      Dieser Anblick bestätigte meine Vermutung, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man unseren Posten aus Kostengründen dichtmachen würde.

      Meine Kollegen liefen zu mir – Tom, dieser Idiot, die Waffe gezogen.

      »Bist du verletzt?«, fragte Dan besorgt.

      Ich zeigte ihm ein sarkastisches Lächeln. »Nein, das siehst du doch. Aber der.« Damit übergab ich meinem Kollegen den Ausländer. »Den Bericht kriegt ihr von meinem Urlaub aus per Mail zugeschickt. Ich hab nämlich keine Zeit für ein Aufnahmeprotokoll.« Ich nickte Richtung Bank. »Und das Wichtigste hat sowieso Sandro gesehen.« Wütend schaute ich zu Tom. »Und du, Tom. Steck die Waffe endlich weg, du Depp. Die Drecksarbeit ist längst erledigt.«

      Sein Augenausdruck wechselte von besorgt zu stinkig. »Wir haben nur einen Alarm bekommen. Wir wussten nicht, was los ist, also komm mal wieder runter.«

      Scheiße.

      Er hatte recht. Das war ein wenig übertrieben gewesen.

      Ich rieb mir die Stirn.

      Lagen Dan und Sandro doch nicht komplett im Unrecht, wie ich es mir die ganze Zeit einzureden versuchte?

      Aber womöglich war ich alleine vom harten Training überarbeitet. Jeden Tag fünf Kilometer Schwimmen und eine Stunde Klettern konnte ziemlich an die Substanz gehen.

      »Sorry. Hast ja recht … Tut mir leid … Also.« Damit winkte ich der versammelten Mannschaft. »Ich bin dann mal weg.«

      Und ihr habt wenigstens etwas zu tun, vervollständigte ich im Geiste und eilte zu meinem Wagen.

      Zwar hatte ich die Koffer gepackt, dafür die Wäsche aufzuhängen vergessen. Fuck. Irgendetwas übersah ich andauernd. Somit in Rekordzeit das Gewand aufgehängt, welches für die nächsten Tage friedlich vor sich hin trocknen konnte. Hauptsache sämtliche Elektrogeräte waren ausgeschaltet. Einen Wohnungsbrand wollte ich nicht herbeibeschwören. Apropos Wohnung: Ich bewohnte eine von meinem Arbeitsort exakt zehn Kilometer entfernte sechzig Quadratmeterwohnung. Sie war vielleicht nicht sonderlich groß, dafür punktete sie durch eine sonnige ruhige Lage und freundliche Mieter sowie einen Gratisparkplatz und ein großes Kellerabteil.

      Was wollte ich noch?

      Ja, genau!

      Essen.

      Ich griff nach der durchsichtigen mit Eierreis gefüllten Plastikbox, welche ich mir von meinem Lieblingschinesen mitgenommen hatte, und öffnete diese.

      Ein köstlicher Geruch von Sojasoße, Hühnerfleisch und Ei wehte mir entgegen. Geschickt brach ich die Holzstäbchen auseinander und begann zu essen.

      Es gab kein chinesisches Gericht, das ich ohne Stäbchen aß.

      Weshalb?

      Aus Prinzip. Und um die eigene Komfortzone stets aufs Neue zu durchbrechen.

      Immerhin konnte man – und sollte man auch – ab und zu etwas nicht auf die übliche Weise tun. Das Leben war langweilig genug. Da vermochten ein paar kleine Besonderheiten, wie Stäbchenessen, das Geschirr mit der nicht dominanten Hand abschrubben oder alle drei Monate einen unbekannten Ort besuchen, den Alltag kräftig aufzuwerten. Darüber hinaus erweiterte man seinen Horizont und behielt seine Flexibilität.

      Andererseits konnte diese Macke genauso gut durch mein Singledasein entstanden sein.

      Ich trank einen Schluck Orangensaft.

      Tatsache war: Es gab niemanden, mit dem ich meine Freizeit verbringen durfte. Daher blieb mir gar nichts anderes übrig, als mir ständig neue Freizeitbeschäftigungen auszudenken, zumal mich die meisten meiner Hobbys schnell langweilten: Laufen – obgleich hier ebenso mein gesundheitlicher Aspekt, schmerzende Knie und Fußgelenke, eine Rolle gespielt hatte – Fahrradfahren, Kochen, Basteln, Malen, Stricken.

      Stricken!

      Wie