Caroline Sehberger

LEBENSAUTOBAHN


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      Prolog: „Carolines eigene, kleine Erklärung des Lebens“

      Wir Menschen sind Statisten auf der Bühne des Lebens und begeben uns mit dem ersten Atemzug auf die individuelle Reise unserer Lebensautobahn. Wir schreiben eine Geschichte, kreieren den persönlichen Lebensweg. Mit jedem Jahr wird der Einfluss, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, selbständig Entscheidungen zu treffen, zunehmen. Hierbei bietet die Autobahn uns diverse Möglichkeiten. Es sind Abfahrten zu Stationen, die wir ansteuern, ausprobieren und sie bereichern im gegebenen Moment das Leben. Eines Tages ist womöglich eine hiervon genau die Richtige und der Mensch ist an seinem Bestimmungsort angekommen. Manche Abfahrten sind zum Verweilen aber nicht so erfüllend, um es freundlich auszudrücken. Diese „Irrtümer“, so habe ich sie genannt, sind weniger bereichernd. Sie sind im besten Fall lehrreich, auf der Fortsetzung unserer Reise. Vorsorglich hat die Lebensautobahn hierfür Autobahnauffahrten geschaffen, die dazu dienen, den sogenannten Irrtum zu korrigieren und auf seiner Straße des Lebens wieder in neue und aufregende Richtungen weiterzufahren. Im Laufe dieser Reise trifft der Mensch individuell genau diese Entscheidungen. Für ein kleineres Kind übernehmen das die Eltern, die in puncto Kindergarten und Schule nur das Beste anvisieren. Ab dem Erwachsenenalter entscheidet Mann und Frau dann eigenständig. Kein anderer, weder Eltern oder der spätere Partner, nehmen einem die wichtigsten Wahlen ab. Abfahrten für das Studium oder die Ausbildung, die erste eigene Wohnung, die erste oder gar zweite Liebe. Und genau die Liebe ist die Autobahnausfahrt, die unsere rationale Ebene in die Emotionale hebt. Es gesellt sich ein uns bis zu dem Moment unbekannter Mensch hinzu. Das ist der Zeitpunkt, der die individuellen Entschlüsse in gemeinsame Entscheidungen wandelt, was den Idealfall darstellt. Und genau hier fängt es an, das Experiment Leben, das Abenteuer Liebe. Nicht immer ist die erste Liebe, sagen wir, die „Richtige“. Für manche Menschen, und hierzu zählen Caroline und Thomas, brauchte es eine Debütausfahrt, eine Debütliebe, eine erste Ehe, um die „wahre Liebe“, wenn sie später vor einem steht, schon eingangs am Blick zu erkennen, und sie dann für den Rest seines Lebens wert zu schätzen und festzuhalten.

      1: „Millennium – Ein Sommer, den man nie mehr vergisst“

      Es war Sommer im neuen Jahrtausend und es sollte ein unvergleichlicher Samstagmorgen im Juni werden. Die Vorfreude auf Thomas war riesengroß. Wir hatten uns verabredet, für ein Picknick im Grünen. Er entschloss sich, mir seinen Lieblingsplatz zu zeigen, an dem er immer wieder in Ruhe Kraft tankte. Ich war gespannt. Sonniger Samstagmorgen, ausgezeichnet geschlafen, Vorfreude auf Thomas, schon gut gelaunt im Bad, erst recht nach dem ersten Kaffee am Morgen. Meine Einkaufsliste für das Liebespicknick hatte ich schon im Kopf. Auf dem Weg zu Thomas nahm ich mir vor, im nahegelegenen Markt einzukaufen: Brot, Käse, Erdbeeren. Alle Leckereien, die wir so brauchten. Logischerweise durfte der vollmundige Wein nicht fehlen. Das Kribbeln im Bauch setzte ein, je näher die Abfahrt rückte. Meine beiden Kinder spielten vergnüglich, ausgelassen im Garten, hatten gute Laune und planten, ihr Frühstück bei Oma und Opa auf der Terrasse einzunehmen. Das Essen bei Oma und Opa am Wochenende war den beiden heilig. Bei allen im Hause herrschte Wochenendstimmung. Glücklich über das sonnige Wetter, meine Kinder und der langsam in mir aufsteigenden Sehnsucht, verabschiedete ich mich von allen mit dem Zauberwort: „Freundinnentreffen“ und schlenderte in die Garage zu meinen Traumwagen, das Cabrio. Eine geraume Zeit vor dem beruflichen Wiedereintritt im vergangenen Jahr, nach der berühmten Babypause, hatte ich vom eigenen Auto geträumt. In der Zwischenzeit stand er in der Garage: Mein langersehnter Traum. Mitternachtsblau, mit schwarzem Verdeck, ausgezeichneter Ausstattung, rundum perfekt. Nachdem ich den Einkaufskorb im Wagen verstaut hatte, stieg ich ein. Die Autotür zog ich leise zu. Den Zündschlüssel ins Schloss steckend, ließ ich den Motor an. Auf Knopfdruck öffnete sich das elektrische Verdeck und der Wagen fuhr mit mir rückwärts aus der Garage. Allen winkend, die lang gezogene Einfahrt hinunterrollend bis zum großen, zweiflügeligen Holztor, das unseren Garten vor Unbefugten schützte. Ich drehte das Radio an, lauschte der Musik und fuhr Richtung Einkaufsmarkt. Alle Sachen waren rasch besorgt und verstaut. Doch bis es zu meinem Liebespicknick mit Thomas an diesem sonnig warmen Junitag kam, war einiges im Rückblick in unseren beiden Leben passiert. Wir schauen zurück.

      Bei mir entfachte die Liebe zum Cabrio zwei Sommer zuvor, bei einer Ausfahrt mit dem neuen Wagen meiner damaligen Freundin Claudia. Wir fuhren an einem sonnig warmen Sonntagmorgen los und hegten die Absicht, um die Mittagszeit herum zurück zu sein. Der gute Vorsatz der frühen Rückkehr am Mittag blieb aber ein gutgemeinter Vorsatz. Es kam völlig anders. Fasziniert von der Cabrio Fahrt war dieses Erlebnis so überwältigend, dass ich mir vorkam wie Grace Kelly bei einer Ausfahrt über die grünen Hügel von Monaco. Ich erinnere mich noch genau, was ich anhatte. Ein langes, dunkelgrünes, Figur betontes Kleid. Einen weinroten Seidenschal, der galant umschmeichelnd den Kopf vor Fahrtwind schützte. Hinzu gesellten sich die betörenden Gerüche, die von den frisch gemähten Weiden, gepaart mit den Blütendüften der Blumen, den Weg in meine Nase fanden. Das war der Tag, an dem ich beschloss: So einen Wagen werde ich kaufen! Für diesen Traumwagen aber war es erforderlich, zu allererst den Wiedereinstieg in den Beruf zu erlagen, da ich mir das Leben und den Luxus bis heute immer eigenständig finanziert hatte. Das hat für mich klar den Vorteil, nie in Abhängigkeit zu geraten, grundsätzlich selbst zu entscheiden und ein Stück Unabhängigkeit zu leben. Egal, wie einvernehmlich eine Partnerschaft, eine Ehe ist. Solange aber ein neuer Job und das nötige Kleingeld nicht in Sicht waren, blieb es bei einem Zukunftstraum. Ich stehe auf dem Standpunkt: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum, weil Träume und Ziele sind da, um verfolgt und gelebt zu werden“. Dass mir das Hausfrauen- und Mutterdasein auf Dauer nicht genügte, war mir schon immer klar. Für mich, im Gegensatz zu meiner Mutter, kamen nur Familie, Kinder und Beruf in Frage. Der göttliche Zufall war es, dass unsere Cousine in genau diesem Sommer zur Stippvisite mit Kind und Kegel vorbeikam. Sie erzählte mir, dass sie einen Mitarbeiter in der Verwaltung für ihre Firma suchen. Sofort stand mein Entschluss fest, diesen Job hole ich mir. Die Bewerbung war erfolgreich und mir gelang der Wiedereinstieg. Zwar vorerst halbtags, aber mit eigenem Verdienst. Ziel 1 war erreicht und das zweite, mein Cabrio, glasklar anvisiert. Im Februar des laufenden Jahres, nach Karneval, trat ich den Dienst an, 11 Monate vor dem Millennium. Das erste Halbjahr verging, dank Einarbeitung und dem Erlernen der firmenspezifischen Software wie im Fluge. Die Zeit glitt förmlich durch meine Finger. Ich fühlte mich rundum glücklich und leistete wieder etwas für das frauliche Ego. Die Familie, sprich Großeltern und die Kinder, zogen ebenfalls problemlos mit. Beide Omas passten nach Schule und Kindergarten für die Zeit bis zum Nachmittag auf die Kleinen auf. Sie vermissten Ihre Mutter, so glaube ich, nicht existenziell oder wenn, dann nur äußerst selten. Mit ihren Spielkameraden aus dem benachbarten Umfeld hatten sie keine Zeit, mich zu vermissen, zu ausgefüllt war ihr Alltag. Bei jedem nach Hause kommen gab es für die arbeitende Mutter eine stürmische Begrüßung. Sie waren bester Laune und das stimmte mich glücklich. Bestätigte mir gleichzeitig, dass Muttis das Recht auf ihren eigenen beruflichen Lebensweg haben, trotz oder gerade wegen der Kinder. In sich ruhende Mütter haben ausgeglichene kleine Erdenbürgerin. Mein damaliger Mann Martin war ebenfalls mit seinem Job voll ausgelastet, so dass er morgens um 06.00 das Haus verließ, und nicht von 19:00 Uhr zurückkam, trotz Gleitzeit. Ergo genug Freiraum für den Job, den Rest der Familie und mich. Die neue Anstellung komplettierte mein Inneres ich und das Gefühl, nur ein Heimchen am Herd zu sein und gepflockt zu Hause auf jeden zu warten, kam nicht mehr auf, obwohl ich das Mutterdasein liebte und liebe. Jedwede Aktivitäten habe ich mit meinen Kindern erlebt: Schwimmkurse, Radfahren lernen, Fußball, Laternenbasteln, St. Martinszüge und vieles mehr. Habe für die wichtigste Zeit der Erziehung, bis zum Kindergarteneintritt und der Einschulung, gerne auf meinen Beruf verzichtet. Es heißt nicht umsonst: „Wer liebende Erwachsene mit Rückgrat, Selbstvertrauen, Respekt, Liebe und Menschlichkeit gegenüber anderen aus dem Elternhaus entlässt, der verzichtet für sie und bringt ihnen in den ersten, wichtigen Jahren alles das bei, was einen liebenswerten Menschen ausmacht.“ Erziehung heißt Vorbild leben. Die Regeln kommen da ganz von alleine. Genauso habe ich es in der eigenen Kindheit erfahren. Dafür bin ich meinen Eltern äußerst dankbar und habe es, so hoffe ich, beiden Kindern vermittelt. Im April des darauffolgenden Jahres, im Millennium, war es dann endlich so weit. Die Kasse stimmte, das Autohaus war gefunden, in dem mein Traumwagen stand. Mitternachtsblau