Ewa A.

Zimt und Sandelholz


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Joan lachte nun wieder und in Gedanken an Paul verdrehte sie die Augen. »Leider sah er das anders, wenn er unter der Dusche stand und lautstark seine Arien schmetterte.« Verlegen entfernte sie meine Hände von ihren Wangen, ließ sie jedoch nicht los. »Aber er war mir ein guter Vater. Zumindest bis er die Scheidung einreichte.«

      »Ja, das war er«, nickte ich niedergeschlagen. »Es tut mir leid, Joan.«

      Empört schaute sie zu mir auf. »Nein, Mama!«

      Schluckend kämpfte ich gegen die Tränen an, die mir aus Augen quellen wollten. Ich durfte jetzt nicht schwach werden, ich musste stark bleiben, für uns beide.

      »Doch«, murmelte ich. »Ich habe so viele Fehler in meinem Leben gemacht und du musstest immer darunter leiden. Es tut mir so leid.«

      Vehement schüttelte Joan den Kopf. »Mama, nein! Sag doch sowas nicht. Ich hatte immer ein schönes Leben. Und das hier ist ... ein Abenteuer, das wir gemeinsam bestehen. Wir werden wieder glücklich werden. Mach dir keine Sorgen.«

      »Ja«, hauchte ich und atmete durch. Verstohlen wischte ich meine Augenwinkel trocken. Eine erbärmliche Mutter war ich, die auf den Zuspruch ihrer Tochter angewiesen war. Stattdessen sollte es doch andersherum sein. Mit dem Vorsatz, keine Schwäche mehr zuzulassen, straffte ich die Schultern.

      »Komm, bringen wir unsere Kosmetiktaschen ins Bad. Dann vertrödeln wir morgen früh keine Zeit damit. Schließlich solltest du an deinem ersten Schultag pünktlich sein.«

      Maulend erhob sich Joan und folgte mir mit bedrückter Miene in den finsteren Flur.

      »Sieh es von der Seite: neue Schule, neues Glück und ... neue Jungs.« Ich wollte sie aufmuntern und vielleicht auch mich selbst beruhigen. Denn erneut hatte mich das Unwohlsein eingefangen. Das kleine Fenster im Rücken, ruhte der schmale, lange Gang in Schwärze nun vor uns. Mir war, als lauere in der Dunkelheit etwas auf mich, als wolle mich eine unbekannte Gefahr verschlingen. Die Furcht war auf einmal da. Stark. Nicht zu ignorieren. Ich zwang mich zum Weitergehen, denn ich wusste, dass an der Wand neben dem Treppenaufgang ein Lichtschalter wartete. Mit klopfendem Herzen schritt ich voran und streckte schon von weitem meine Hand aus, um den Drehschalter so bald wie möglich ertasten zu können. Ich fand ihn schließlich und mit einem leisen Knacksen erhellte eine Deckenleuchte den Flur.

      Hier säumten keine Möbel den Gang, der rot-schwarz gemusterte Teppich war die einzige Zierde.

      Mit Joan im Schlepptau, strebte ich auf das Ende zu, wo das Badezimmer lag. Schon immer hatte ich die geschwungene Messingtürklinke bewundert, die sich in meine Hand schmiegte. Ich öffnete die Türe und als ich das grün-weiße Fliesenmuster sah, erfasste mich schlagartig ein Schwindel. Ich taumelte benommen und konnte mich gerade noch an der Tür festhalten. Zugleich presste es mir die Luft aus den Lungen und ich glaubte, zu ersticken. Panik erfasste mich und die gefliesten Wände begannen, sich um mich zu drehen. Mein letzter Gedanke war, dass ich das Bewusstsein verlieren würde und im nächsten Moment verschlang mich die Schwärze.

      5. Gefangenes Herz

      »Sie kommt wieder zu sich.«

      Eine Männerstimme drang durch das nebelhafte Nichts zu mir. Ich wollte meine Lider aufschlagen, aber sie waren so schwer. Ein unerwarteter Schmerz schoss durch meinen Hinterkopf und ich stöhnte gepeinigt auf.

      Erneut sprach der Mann. »Geh bitte zu Sophie und sag ihr, ich brauche ein Glas Wasser.«

      Nach einem Moment entfernten sich Schritte und mir gelang es, die Augen zu öffnen.

      Ich fand Lennhart Karlsons bärtiges Gesicht vor meiner Nase. Seine Brauen hatten sich zusammengezogenen, während sein Blick grimmig über mich hinwegschweifte. Irgendwie glaubte ich, Sorge in ihm zu erkennen. Die satte Farbe seiner Augen erinnerte mich an geschmolzene, dunkle Schokolade.

      »Wie geht es Ihnen? Alles okay?«

      »Ich denke schon. Mein Kopf tut nur ein bisschen weh«, sagte ich und wollte vorsichtig die Stelle abtasten, die schmerzte.

      Doch Lennhart brummte. »Lassen Sie mich nachschauen!«

      Sanft hob er meinen Kopf an und rückte dabei noch näher an mich heran, sodass mein Gesicht fast seine Schultern berührte. Ein Duft stieg mir in die Nase. Er war ganz angenehm. Unbewusst atmete ich tiefer ein. Es war ein pfeffriges Aroma, das zugleich etwas Zitronenartiges an sich hatte. Sehr sinnlich. Oh Gott, wie kam ich denn darauf? Lennhart Karlson und sinnlich?!

      Schweigend hielt ich still und spürte, wie seine Finger behutsam unter meine Haare fuhren und sanft über meine Kopfhaut glitten. Bis ein stechender Schmerz mich zusammenzucken ließ.

      »Aah, verdammt«, zischte ich.

      »Tut mir leid«, nuschelte er. »Fester ging es nicht. Aber immerhin sehe ich kein Blut. Scheint nur eine Beule zu werden.« Er ließ meinen Kopf wieder auf das Kissen zurücksinken. »Sie hatten Glück, dass Joan Ihren Sturz abgefangen hat. Wäre sie nicht gewesen, hätten Sie Schlimmeres davongetragen.«

      »Ja«, murmelte ich und wich Lennharts durchdringenden Augen aus.

      Endlich richtete er sich auf und gab mir damit Raum zum Atmen.

      »Wenn die Schmerzen bleiben, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen.«

      Noch immer seinen Blick meidend, nickte ich, hielt vor Schmerz jedoch kurz die Luft an.

      »Weshalb sind Sie zusammengebrochen?«, fragte Lennhart. »Haben Sie es etwa mit Ihrer Diät übertrieben, um besser in ihren schmalen Haute-Couture-Rock hineinzupassen?« Seine Stimme triefte vor Hohn.

      Wütend schaute ich ihn an und musste feststellen, dass er sich königlich amüsierte. Der verfilzte Kerl genoss es, mich zu verärgern.

      »Nein!«, empörte ich mich. »Ich halte keine Diät. Ich habe heute Morgen ...« Betreten verstummte ich, denn mir wurde klar, dass ich seit dem Brötchen zum Frühstück tatsächlich nichts mehr gegessen hatte. Während Joan bei einem Zwischenstopp in einer Bäckerei eine Brezel vertilgt hatte, war ich mit einer Tasse Kaffee zufrieden gewesen. War mein Zusammenbruch wirklich auf eine Unterzuckerung zurückzuführen? Ich hatte doch schon oft eine Mahlzeit übersprungen, warum sollte ich deswegen auf einmal umkippen? Vielleicht war dieser kleine Ohnmachtsanfall nur eine Folge der Aufregungen der letzten Tage gewesen. Allerdings erklärte es nicht, weshalb ich den Eindruck hatte, zu ersticken.

      Indessen ich grübelte, grinste Lennhart selbstgefällig. »Ja, das dachte ich mir.«

      Der mir mittlerweile bekannte Ausdruck von Geringschätzung auf seinen Zügen, verriet mir allzu deutlich, dass er seine Meinung über mich nicht so schnell ändern würde. Warum störte mich das? Einen feuchten Dreck sollte ich mich darum scheren, was dieser Typ von mir dachte!

      Zu meiner Rettung erschien Joan und brachte das Glas Wasser, um welches Lennhart sie gebeten hatte.

      Er stand auf und tauschte mit ihr den Platz. Derweil rappelte ich mich auf, bis ich mich gegen das Kopfende des Bettes lehnen konnte, in dem man mich abgelegt hatte. Ich schaute mich um. Offensichtlich hatte Lennhart mich ins Schlafzimmer meiner Eltern getragen, das sich direkt gegenüber vom Bad befand, denn es war eindeutig ihr altes Ehebett.

      Die Maserung des Palisanderholzes, in seinem rötlichen und dunklen Braun, umgab mich von jeder Seite. Ob Bett, Kommoden oder die Türen des begehbaren Schrankes, das polierte Holz war allgegenwärtig. Golden hoben sich eingeprägte Schnörkel von dem noblen Untergrund ab. Wie Schlangen ringelten sie sich mir aus jedem Winkel entgegen.

      Ein seltsam dumpfes Gefühl erfasste mich bei ihrem Anblick und ich griff nach dem Wasser, das Joan mir reichte.

      Ihre Miene spiegelte die Sorge wider. »Geht es dir gut? Du bist ganz bleich.«

      »Ja, danke«, erwiderte ich und schenkte ihr mühevoll ein Grinsen. In kleinen Schlucken leerte ich das Wasser und reichte ihr das Glas zurück.

      Lennhart hatte sich noch nicht entfernt. Mit verschränkten