Jörn Holtz

Paradies am Teich


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war. Nur hatte er mittlerweile eine Abneigung gegen diese gemeinen Touristen entwickelt, die vor seiner Höhle immerzu dieselben Geschichten aus irgendeinem billigen Reiseführer vorlasen: ‚Ja, ja dies hier ist die legendäre Schweinebucht, mit dem noch gut erhaltenen Kackfelsen bla, bla, bla…‘. Als ob eine öffentliche Latrine eine Touristenattraktion sein könnte?

      Und tatsächlich hörte er wieder jemanden diese Geschichte erzählen. Nur war die Geschichte dieses Mal viel lebendiger als sonst, so als ob die Erzählerin diese längst vergangene Zeit selbst miterlebt hatte. Doch nein, das konnte nicht sein, denn dazu hörte sich diese Stimme viel zu jung an. Deshalb erhob er sich neugierig von seiner Lagerstätte und schleppte sich zum Ausgang, um zum Strand hinunterzuspähen.

      Geblendet von der schon tiefstehenden Sonne, kniff er zunächst einmal blinzelnd die Augen zusammen, dann betrachtete er die Gestalt der drahtigen, mittelalten Blondine im Gegenlicht, welche gerade diese Geschichte sehr anschaulich zwei anderen Personen erzählte, die ebenfalls nicht genau zu erkennen waren. Dabei stellte er ärgerlich fest, dass die Sonne gleich unter gehen würde.

      Denn der Sonnenuntergang war eins der schönsten Dinge, was diese Bucht zu bieten hatte. Dies schienen wohl auch die Fremden zu wissen, da diese gerade ihre mitgebrachten Strandmatten ausrollten. Als die Blondine auch noch eine Gitarre vom Rücken nahm und anfing mitgebrachtes Holz aufeinander zu schichten, wurde er noch ungehaltener, da dies seinen Plan für den Abend wohl gänzlich vereitelte. Daher blieb ihn nichts anderes übrig, als im Schatten seiner Höhle zu verharren, wobei er die schmächtige Blondine des Trios beobachtete, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

      Sie schien anders zu sein, als ihre beiden Begleiter und das lag nicht nur an ihrer äußeren Erscheinung. Denn sie trug eine braune Culotte, ein passendes lilafarbenes, nabelfreies Top, ein gleichfarbiges Tuch, dass ihre Haare zusammenhielt sowie eine lange Holzkette, die aus mittelgroßen Kugeln bestand, dessen Ende ein Amulett aus Bernstein schmückte. Was in etwa seiner Vorstellung von den Freaks entsprach, die hier irgendwann einmal gehaust haben mussten.

      Nachdem er sie eine Zeitlang beobachtet hatte, war er endgültig davon überzeugt, dass sie von dieser Insel stammen musste, auch wenn sie nahezu akzentfrei Deutsch sprach. Ihre beiden Begleiter hingegen, waren eindeutig deutsche Touristen.

      Nachdem die Sonne endgültig im Meer versunken war und die zarte Blondine die Gitarre zur Seite gelegt hatte, erstarrte er überrascht. Denn plötzlich fing sie an sich auszuziehen und das nur knapp zwanzig Meter von ihm entfernt. Gut beleuchtet, durch das helle Licht des nahezu vollen Mondes, konnte er nun deutlich ihren sehnigen Körper erkennen, den sie völlig ungeniert vor ihren Begleitern präsentierte.

      Er konnte sein Glück noch gar nicht richtig fassen, da folgte die athletische Brünette ihrem Beispiel und ließ ihr Kleid einfach in den schwarzen Sand hinuntergleiten, was ihm endgültig den Atem verschlug.

      Denn auch ihren Körper konnte er nun deutlich im silbrigen Mondlicht erkennen und diesen konnte man auch einfach nicht übersehen, da unter ihrem weiten Sommerkleid ein, für eine Frau ungewöhnlich muskulöser Rücken auftauchte, der wohl nur von jahrelangem exzessivem Training herrühren konnte.

      ‚Oh, man!‘, lechzte er leise, während er kurz neidisch auf ihren Begleiter starrte. Der jedoch unternahm zu seiner Überraschung keinerlei Anstalten, sich ebenfalls seiner Kleidung zu entledigen. Weshalb Martin verwundert seinen Kopf hin und her schüttelte. Denn wenn er an seiner Stelle wäre, würde er sich nicht zweimal bitten lassen. Aber er war nicht an seiner Stelle und wird es wohl auch nie sein, gestand er sich einen Augenblick später enttäuscht ein. Dabei glitt sein Blick an seinem bei weitem nicht makellosen Körper hinunter.

      Missmutig und wieder mal mit seinem Schicksal hadernd, wollte er sich gerade von dem romantischen Schauspiel unten am Strand abwenden, da drehte sich die Brünette plötzlich zu ihm ins Profil und erregte so wieder seine Aufmerksamkeit.

      Denn nun konnte er deutlich die Silhouette ihres überaus ansprechenden Busens erkennen, der sich über einen wider Erwarten nicht ganz flachen Bauch erhob. ‚Nanu, das ist ja merkwürdig?‘, stutzte er und kniff seine Augen noch mehr zusammen. Infolgedessen machte sich seine rechte Hand sich selbstständig, weil er augenblicklich seinen lang unterdrückten Gelüsten ergab, während sein Blick auf die athletische Brünette gerichtet blieb.

      Doch als die Brünette plötzlich und ohne ersichtlichen Grund sich zu ihm hindrehte und auf ihn zugelaufen kam, blieb sein Blick zuerst auf ihrem sich geschmeidig hin und her wiegenden Busen hängen, bevor er sich seiner Situation bewusstwurde und innehielt. Dann duckte er sich im nächsten Moment in den Schatten des Felsens hinunter, der neben dem Eingang lag. Dort bemühte er sich vorsichtig seine Hose hochzuziehen, wobei er angestrengt den Geräuschen um sich herum lauschte. Deshalb konnte er deutlich hören, wie die hübsche Unbekannte erst schnell näherkam, bevor sie in seiner unmittelbaren Nähe stehen blieb.

      ‚Ach Martin, du bist ein Spanner und ein echt schlechter noch dazu!‘, ohrfeigte er sich gerade selbst innerlich, als er unerwartet deutliche Würgelaute aus ihrer Richtung vernahm. Verwirrt und neugierig zog er sich daraufhin am Felsen wieder ein Stück hinauf, wobei der noch offene Gürtel seiner Hose ein hörbar kratzendes Geräusch erzeugte.

      ‚Mist!‘, fluchte er leise, wobei er verärgert sein Gesicht verzog und den Felsen wieder hinunterglitt. Dann lauschte er erneut und erbleichte, denn das wenig schicksame Geräusch erstarb augenblicklich und es folgte eine bedrückende Stille.

      Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, siegte bei ihm die Neugier über seine schamhafte Furcht, woraufhin er es abermals wagte, über den Felsen hinweg die gegenwärtige Situation in Augenschein zu nehmen. Dabei war er dieses Mal darauf bedacht, keine verräterischen Geräusche zu machen, während er sich erneut den Felsen hinaufzog.

      Als er schließlich über den Felsen hinweg nach links linste, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass die Aphrodite vor ihm, viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, als dass sie ihn bemerkt haben konnte. Doch dann erstarrte er erneut, als er einen kurzen Blick auf ihr noch leicht rötlich verzerrtes Gesicht erhaschen konnte. Er wusste zwar, dass die Welt ein Dorf sein konnte, doch hätte er gerade sie hier nie erwartet.

      Denn neben ihm im schwarzen Sand kniete seine heimliche Jugendliebe, die er vor über 10 Jahren fanatisch angehimmelt hatte, ohne auf Erwiderung zu hoffen, und die nun, gut dreieinhalbtausend Kilometer von zuhause entfernt, ihm unverhofft ihren unverhüllten Po entgegenstreckte.

      Langsam versank die Sonne vollends im Meer und mit ihr die letzten Akkorde von Cat Stevens: Morning has Broken, die Lotta auf der alten Westerngitarre von ihrem kürzlich verstorbenen Vater gespielt hatte. Nach einem traurigen Seufzer hob sie langsam ihren Kopf und sah ihre Metamours mit leicht verquollenen Augen an. „Und, habe ich euch zu viel versprochen?“, fragte sie leise mit belegter Stimme.

      „Nein, es war wirklich wunderschön“, sah Anne sie mitfühlend an, wobei sie ihrer Geliebten sanft über den linken Unterarm strich, „und irgendwie spürt man noch immer die Magie, die dieser Ort ausstrahlt“. Dabei wanderte ihr Blick den Strand entlang. Erst dann bemerkte sie das Lotta mit den Tränen kämpfte. „Ach Süßen, kann ich vielleicht irgendetwas für dich tun?“

      „Nein, ist schon in Ordnung! Bernd würde es nicht wollen, dass man um ihn weint. Er hatte doch immer eine so positive Lebenseinstellung und vertrat die Meinung, dass wir durch unsere Gedanken und Taten in den anderen weiterleben!“, erwiderte Lotta, bevor sie aufstand, um aufs Meer hinauszublicken.

      Während ihr Blick über die Wellen der Brandung glitt, tauchten vor ihrem geistigen Auge Szenen einer längst vergangenen Epoche auf. In denen hier noch überall am Strand Lagerfeuer brannten, um die sich ihre neu formierte Familie und ihr selbstgewählter Clan, sowie auch fremde Brüder und Schwestern scharrten. Sie alle waren aus ihrem schnöden Alltag ausgebrochen, in der noch prüden und grauen deutschen Nachkriegsgesellschaft, um hierher zu kommen, wenn auch viele nur für kurze Zeit.

      Versunken in den psychedelischen Klang von Trommeln und Gitarren tanzten einige von ihnen in ekstatischen Bewegungen, meditierten, rauchten oder liebten sich hier öffentlich. Diese Bucht war ihnen lange Zeit ein Zuhause, Wohn-, Schlaf- und Badezimmer in einem. Bis eines