Jörn Holtz

Paradies am Teich


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immer noch finster dreinblickenden Ladenbesitzer zu, bevor er sich anschickte ihr zu folgen. Der brummte nur etwas Unverständliches und wandte sich wieder seiner Tageszeitung zu, die er zur Seite gelegt hatte, als Ole seinen Laden betreten hatte.

      Dann musste Ole sich beeilen, da er Sophia gerade noch hinter einem der hohen Regale verschwinden sah.

      „Keine Angst, mein Vater ist eigentlich recht umgänglich! Nur hadert er jedes Mal mit Gott, wenn jemand oben aus der Kommune hier auftaucht und dies hier bestellt“, empfing sie ihn auf dem Boden kniend, während sie eine Palette mit der bestellten Gleitcreme aus einem der hintersten Regale zog und sie direkt vor seinen Füßen auf den Boden knallen ließ. Dann zog sie eine goldene Kette mit einem Kruzifix als Anhänger aus ihrem Dekolleté und küsste es sanft, bevor sie es zurücksteckte. „Dabei verdient er gar nicht schlecht an euch!“, sah sie zu Ole hoch und lächelte erneut, während sie kurz überlegte. „Bei einem muss ich meinem Vater allerdings Recht geben! Du siehst wirklich gar nicht so aus wie die Typen, die hier sonst reingeschlichen kommen, und verschüchtert einen Zettel von Leonora auf den Tisch legen. Und schon gar nicht tauchen diese Typen in so einem noblen Camper hier auf!“, nickte sie höhnisch in die Richtung, in der sein recht neuer VW-Bus mit Campingausstattung stand, der frisch poliert in der Sonne glänzte.

      „Oh, tun sie nicht. Was für Typen sind das denn sonst?“, stutzte er, da ihm gerade auffiel, dass Sophia fast akzentfrei Deutsch sprach, weshalb er neugierig zu ihr hinuntersah.

      „Na, so schlaksige Typen eben!“, erhob sie sich mit einer abfälligen Handbewegung. Dabei wanderte ihr Blick langsam seinen Körper hinauf, bis sie ihm direkt in die Augen sah.

      „Oh, das tut mir leid“, stotterte Ole verlegen, weil er es nicht schaffte ihren Blick zu deuten oder standzuhalten. „Und den Rest, wo habt ihr den versteckt?“, stammelte er schließlich.

      „Versteckt ist wohl der richtige Ausdruck!“, grinste sie ihn verschwörerisch an. Dann wand sie sich bewusst ungeschickt, im engen Durchgang zwischen den Schwerlastregalen, sehr dicht und betont langsam an ihm vorbei. Dabei versuchte er noch nach hinten auszuweichen, doch hinderten ihn die Regalböden daran, die nun schmerzhaft in seinem Rücken drückten.

      Während er sich noch irritiert fragte, ob er ihr vielleicht folgen sollte, kam sie jedoch schon mit einer Leiter in der Hand zurück. Die Leiter lehnte sie dann direkt neben ihn an das Regal, bevor sie diese hinaufstieg. „Eure tolle Gleitcreme kann er dem Pfarrer ja notfalls noch als Badezusatz verkaufen. Doch mit dem hier…,“, warf sie ihm einen mittelgroßen Karton mit Kondomen hinunter, „käme er in ernsthafte Erklärungsnot!“, lachte sie erneut herzhaft.

      „Wieso?“, schaute Ole überrascht zu ihr hinauf.

      „Na, weil sein oberster Hirte immer noch gegen jegliche Verhütung ist. Was für ein Quatsch, in Zeitalter von AIDS und der ganzen Überbevölkerung!“, verzog sie kritisch das Gesicht, bevor sie sich erneut ins Dekolleté griff, ihr goldenes Kruzifix hervorzog und es küsste.

      „Das klingt ja ziemlich aufgeklärt. Ich meine ja nur, da es ja auch scheinbar dein oberster Hirte ist“, betrachtete er sie eingehend von unten.

      „Ja, das scheint wohl so!“, stieg sie weiterhin lachend die Leiter hinunter und sah ihm dann erneut tief in die Augen.

      „Nun gut, lassen wir das Thema“, wich Ole nicht nur verbal aus, denn ein anderes Thema brannte ihm gerade mehr auf der Zunge, welches ihm auch etwas unverfänglicher erschien: „Doch sag mal, wieso sprichst du eigentlich so verdammt gut Deutsch?“.

      „Oh, wieso sollte ich nicht? Ich habe doch zur Hälfte deutsches Blut in mir. Okay, ich weiß das sieht man mir nicht unbedingt an, da ich sehr viel von meinem Vater geerbt habe. Mal abgesehen von meinen wunderschönen grünen Augen,“, himmelte sie ihn damit an, „sowie meinem Faible für große, starke Männer mit blauen Augen und blondem Haar“, dabei kam ihr Gesicht noch näher an ihn heran, wobei sich ihr Kopf etwas zur Seite neigte.

      „Ach so, ja dann“, starrte er wie gebannt in ihre unergründlichen Augen, die weit auseinander in einem ebenmäßigen, sonnengebräunten Gesicht ruhten. Als sich ihr Mund leicht öffnete und Ole deutlich ihr Pfefferminzkaugummi riechen konnte, wandte er sein Gesicht reflexartig zur Seite und flüsterte: „Aber, du kannst doch nicht…!“

      „Ich kann was nicht?“, ließ sie eine Kaugummiblase direkt vor seinem Gesicht platzen und lachte erneut. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich hier im Laden meines Vaters…? Na, du bist mir ja einer!“, zog sie ihren Kopf ruckartig zurück, ehe sie ihm kokett zu zwinkerte. Dann nahm sie die Leiter in die Hand und ging mit ihr wortlos davon. Als sie kurz darauf ohne sie wieder erschien, lachte sie immer noch und betrachtete ihn eingehend, wie ihr Vater zuvor. „Du bist Ole, richtig?“, umarmte sie ihn plötzlich freundschaftlich und hauchte ihm einen Kuss auf jede Wange, bevor sie ihn versonnen angrinste: „Schön, dich endlich persönlich kennenzulernen. Lotta hatte mir ja schon so viel von dir vorgeschwärmt!“.

      „Was, du kennst Lotta?“, sah er sie erstaunt an.

      „Na klar kenne ich Lotta!“, sagte sie lachend, ehe sie sachlich anfügte: „Denn so groß ist la Gomera ja nun auch nicht. Außerdem sind wir richtig gute Freundinnen. Und wenn sie auf der Insel ist, treffen wir uns regelmäßig im Restaurant ihrer Eltern“, hielt sie plötzlich inne und betrachtete Ole eingehend: „Heilige Göttin, so verliebt und glücklich habe ich sie lange nicht mehr erlebt und nun weiß ich auch wieso, auch wenn sie mir Anne immer noch vorenthält. Zum Glück kann ich mich auf Tia verlassen. By the way, hat Leonora dir auch etwas für uns mitgegeben?“, sah sie ihn auf einmal fragend an.

      „Ach ja, stimmt!“, kratzte er sich daraufhin verlegen am Kopf, denn das hatte er glatt vergessen.

      „Klasse, dann lass uns mal die Sachen hier zu deinem Wagen bringen!“, nahm sie ihm den Karton mit den Kondomen ab und nickte hinunter zu der Palette mit der Gleitcreme und den anderen Sachen, die Leonora bestellt hatte.

      Bei seinem Camper angekommen, war Ole froh, dass er die nun langsam schwer werdende und unhandliche Palette einfach ins hintere Ablagefach fallen lassen konnte, aus dem er dann einen großen, noch schwereren Karton herauszog: „Was ist das eigentlich für ein Zeug hier?“, fragte er sich dabei laut.

      „Oh, das sind Kräutermixe und Salben, die die Kommune herstellt und die wir mit großem Erfolg auf dem Festland verkaufen“, öffnete sie den Karton und zeigte auf die Gläser, dessen Deckel alle mit dem frechen Smiley verziert waren. „Dies hier zum Beispiel ist ganz neu und hilft gegen Regelschmerzen, dass hier gegen Fieber und dass hier bei Arthritis“, hob sie dabei unterschiedliche Gläser hoch.

      Dann las sie sich einen kleinen Zettel durch, den sie zuvor aus dem Karton genommen hatte. Daraufhin machte sie eine kurze Wareneingangskontrolle, bevor sie die Preise der verschiedenen Positionen aufsummierte. Während sie die Positionen noch einmal im Kopf nachrechnete, kramte sie ein kleines Portemonnaie aus ihrer engen Daisy Duke heraus und hielt ihm 120€ hin. „Hier, stimmt so und bestell Leonora bitte einen schönen Gruß von uns. Wir bräuchten Anfang nächster Woche eine neue Lieferung. Was genau sage ich Lotta am Dienstagabend, okay?“, dabei hob sie ohne Mühe den Karton hoch und lächelte ihn noch einmal an. „Gut, ich muss dann mal wieder. Ciao, wir sehen uns!“, küsste sie ihn zum Abschied auf jede Wange, bevor sie in Richtung des Ladens entschwand.

      „Ja, tschüss!“, steckte er das Geld ein, während er ihr versonnen hinterher sah, da sie gekonnt, im Takt des Knallens ihrer Flipflops, die Hüfte hin und her wackeln ließ.

      Am Abend fuhr Ole mit Anne zu Lotta ins Restaurant. Dieses lag direkt unten an der Playa de la Calera und hatte sich mit der Zeit zu einem wahren Geheimtipp bei den Freunden der vegetarischen Küche gemausert. Auf dem Weg dorthin erzählte er ihr von seinem delikaten Auftrag, den er am Morgen von Leonora erhalten hatte.

      Dabei beschrieb er sehr anschaulich Oswaldos skeptische Art und ließ sich über seine Vorbehalte gegenüber der Kommune aus, so dass Anne währenddessen öfter lauthals lachte. Sophia jedoch sparte er gänzlich aus seinen Erzählungen aus, obwohl er noch sehr deutlich ihr Kaugummi riechen konnte.

      Als