Jörn Holtz

Paradies am Teich


Скачать книгу

wand sich eine weiße Mercedes E-Klasse Limousine den Berg zum El paraíso en el charco hinauf. Denn es war das erste Mal, dass Sebastian Gommez Sanches diesen schmalen, kurvigen Weg hinauffuhr und dass will schon was heißen. Immerhin fuhr er schon seit fünfzehn Jahren Taxi auf dieser Insel. Daher dachte er bisher, dass er sie wie seine eigene Westentasche kennt. Doch hierhin hatte es ihn noch nie verschlagen und wäre die junge Frau an der Fähre nicht in sein Taxi gestiegen, dann hätte sich daran vermutlich auch nichts geändert.

      ‚Diese Frau ist echt merkwürdig!‘, dachte er erneut, als er sie mittels des Rückspiegels betrachtete. Nicht im Sinne von hässlich oder etwas Ähnlichem, ganz im Gegenteil sie war sogar äußerst attraktiv, wenn auch etwas zu dürr für seinen Geschmack. Nur hatte ihr Blick etwas, was man am besten mit Gebieterisch und Durchdringlich beschreiben konnte, und dieser verunsicherte ihn. Ohne es zu merken, wischte er sich zum wiederholten Male mit seinem Unterarm den Schweiß von der Stirn, während er sie eingehend betrachtete.

      Neben einen wallenden schwarzen Rock trug sie ein hautenges ebenfalls schwarzes Spagetti-Top, unter dem sich deutlich zwei kleine Ringe abzeichneten, und zwar dort, wo er sie normalerweise nicht vermuten würde. Zudem trug sie noch weiteren äußerst merkwürdigen Schmuck. Das Amulett, dass sie an einer feinen, aber massiven Kette um den Hals trug, sah aus wie ein chinesisches Ying/Yang Symbol, nur war dieses dreigeteilt und der einzige Ring, den sie an ihrer rechten Hand trug, hatte eine Art Ringschelle vorne dran.

      All dass, sowie ihre langen, schwarzen und scheinbar seit längerem nicht gewaschenen Haaren, und ihre blasse Haut, ließ ihm als streng gläubiger Katholiken an einem gefallenen Engel denken. Mittels eines Kopfschüttelns versuchte er sich, von diesem Gedanken zu befreien, während er zum hellen Vollmond hinaufsah. ‚Mist, dass auch noch!‘, fluchte er daraufhin leise, während er hastig ein Kreuz schlug und dann sein Kruzifix berührte, dass er an einer einfachen Kette um den Hals trug.

      Während er noch ein stummes: Vater unser, betete, nahm er erleichtert zur Kenntnis, dass hinter der nächsten Kurve eine Lichtung mit einer Ansammlung von einfachen Häusern und Hütten auftauchte und überglücklich vernahm er kurz darauf, dass die geheimnisvolle Frau hier ihre gemeinsame Fahrt beenden wollte.

      Abrupt stoppte er sein geliebtes Taxi vor dem nächstbesten Haus und kassierte schnell das Fahrgeld. Nachdem er sich für das üppige Trinkgeld bedankt hatte, mit dem er, wenn er ehrlich war, nicht gerechnet hatte, stieg er eilig aus. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich nach hinten, öffnete schnell den Kofferraum und stellte ihr Gepäck, das lediglich aus einer Tasche und einem Rucksack bestand, einfach neben seinen Wagen ab. Erst dann sah er wieder hoch und bemerkte, dass die junge Frau noch im Wagen saß. Vor Unlust schnaufend ausatmend, ging er daraufhin zum Fond und öffnete die Tür auf der Beifahrerseite.

      „Wenn Sie so nett wären?“, streckte ihm die junge Frau ihre rechte Hand entgegen, wodurch sein Blick unwillkürlich auf ihren merkwürdigen Ring fiel. Diesen schien sie noch dadurch zu betonen, indem sie ihren Ringfinger etwas von den anderen ab streckte.

      „Hm, ja!“, räusperte er sich noch einmal verlegen, bevor er ihre Hand ergriff, woraufhin sie zufrieden lächelnd aus den Wagen stieg.

      „Oh nein, nicht schon wieder!“, schreckte Martin mitten aus einem dieser sich endlos wiederholenden Alpträume herausgerissen hoch, wobei er seinen rechten Oberschenkel krampfhaft umklammert hielt. Denn wie immer völlig unvorhersehbar schoss ihm ein unangenehmes Stechen mit solcher Wucht durch sein rechtes Bein, dass er sich ohnmächtig vor Schmerz auf seiner Schlafstatt hin und her wälzte.

      Später, nachdem diese wahnsinnige Pein endlich abgeklungen war, lag er völlig verschwitzt und außer Atem, noch eine Zeitlang apathisch auf den Rücken, während er einen Satz von Ernest Henley wie ein Mantra vor sich hin betete. Dieses Mantra mit dem Wortlaut: „Ich bin der Meister meines Schicksals und meiner Seele Kapitän“, hatte ihn ein Psychologe, am Ende seines einjährigen Klinikaufenthalts, mit auf dem Weg gegeben, damit er es aufsagt, wenn es ihm wie eben erging. Mechanisch rieb er dabei mit seiner rechten Hand kreisförmig über seine linke Brust, während sich langsam seine Atmung wieder beruhigte.

      Warum er immer und immer wieder diesen Satz runter betete, war ihm mittlerweile schleierhaft. Denn einen Sinn ergab dieser Ausspruch für ihn keinen. Da er weder das Gefühl hatte der Meister seines Schicksals noch der Kapitän seiner Seele zu sein. Beides entsprang vielmehr einem Wunschdenken. Während er weiter bewusst tief ein- und ausatmete, sah er sich unsicher um, wobei er zufrieden feststellte, dass Roswita wohl schon gegangen war, um ihre Kneipe zu öffnen. Was bedeutete, dass er allein war in ihrem kleinen Einzimmerapartment.

      Früher wäre es Martin niemals in dem Sinn gekommen, sich mit einer älteren Frau einzulassen. Doch vermittelte Roswita ihm das Gefühl, ein vollständiger Mann zu sein. Und auch wenn sie ein wenig einfach gestrickt war, musste er ihr doch immer wieder zugestehen, dass ihre Ansichten seinen eigenen Weltanschauungen einiges voraushatten. Auch, so fand er, konnte man sie nicht mit anderen Frauen in ihrem Alter vergleichen. Was wohl nicht zuletzt daran lag, dass er noch nie zuvor einer Hippie-Frau begegnet war.

      Nach zwei weiteren tiefen Atemzügen rollte er sich aus dem Bett und startete auf den Bodenfliesen liegend sein allmorgendliches Trainingsprogramm. Denn wenn er schon nicht mehr ein ganzer Mann war, dann wollte er zumindest den Rest nicht vernachlässigen. So war er nach den selbst auferlegten 100 Liegestütze und der gleichen Anzahl von Klappmessern erneut außer Atem und noch stärker verschwitzt als vorher.

      Noch auf dem Rücken liegend, sah er sich weiterhin keuchend nach einer Möglichkeit um, die ihm die noch fehlenden 100 Klimmzüge ermöglichte. Jedoch fand er keine. Daher beschloss er noch einen weiteren Moment auf den Boden, neben dem Bett liegen zu bleiben, damit sich seine Atmung und Puls wieder normalisierten.

      Dabei befühlte er sein Geschlecht, das schlapp und fast schon ein wenig Wund zur Seite hing. Denn Roswita hatte ihn in der vergangenen Nacht hart rangenommen und war selbst nach dem zweiten, lange nach hinten herausgezögertem Orgasmus noch nicht vollends befriedigt, als er eigentlich nur noch schlafen wollte.

      Deshalb beschlich ihn kurz das Gefühl, dass er auch in dieser Situation mal wieder jemanden ohnmächtig ausgeliefert gewesen war, wenn auch auf eine wesentlich angenehmere Art als sonst. Doch grämte er sich nicht lange darüber, da Roswita die erste Frau war, mit der er intim war, seitdem ihm diese unvorstellbare Gewalt angetan worden war.

      Der geflieste Boden, auf dem er lag, war zwar hart jedoch angenehm kühl, ebenso wie der große Raum, der mit von außen angebrachten Fensterläden abgedunkelt war, um die Kraft der Sonne draußen zu halten. Und diese angenehme Kühle genoss er mit jedem Atemzug, bis er nicht mehr in der Lage war, seine Augen noch länger offen zu halten.

      Ein paar Minuten später riss Martin seine Augen jedoch wieder überrascht auf, als ein Geräusch ihn weckte. „¡Holà! ¿Alguien en casa?", vernahm er kurz darauf eine nicht unsympathische, ihm jedoch unbekannte Stimme.

      „Was?“, brummte er daraufhin verschlafen, bevor er seine Augen öffnete und eine fremde, junge Frau anstarrte, die in der offenen Eingangstür stand und ebenfalls überrascht zurückstarrte.

      Erst dann registrierte sein noch lahmes Hirn, dass er noch immer nackt, vor ihr auf dem Fußboden lag und sein schlaffes Glied in der Hand hielt, mit der er es sofort schamhaft bedeckte.

      „¡Holà, soy Martin!“, stammelte er verlegen, während er sich so hilflos vorkam, wie ein Käfer, der auf dem Rücken lag.

      „Oh, dann bist du wohl der neue Lover von meiner Mutter!“, antwortete die junge, südländisch wirkende Frau im nahezu akzentfreien Deutsch, während ihr Blick unverdrossen auf seinen frisch gestählten Körper ruhte. „Na, da hat sie sich ja mal was Junges und Knackiges geangelt!“, sagte sie bewundernd, bevor sie die Tür hinter sich schloss und auf ihn zu kam. „Kann ich dir vielleicht helfen?“, sah sie ihn fragend an, als sie unmittelbar vor ihm stand.

      „Ähm, wie meinst du denn das?“, bemühte er sich freundlich zu bleiben, und nichts Abwertendes in ihre Frage hineinzuinterpretieren. Dabei betrachtete er sie eingehend, wobei ihm nicht nur ihre attraktiven körperlichen Attribute auffielen, sondern auch, dass sie nur wenig jünger