Wolfgang Quest

Mörderwelt


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den Mittelfinger entgegen und ging Hüften schwingend zurück an ihren Platz. Er fuhr weiter, verfolgt von den misstrauischen Blicken der anderen Mädchen. An der nächsten Kreuzung entdeckte er ein Stehcafé, parkte den Wagen und ging hinein.

      ‚Bei Udo‘ war halb Kiosk, halb Imbissbude. Drei weißlackierte Stehtische mit Hochstühlen, links ein Regal mit Keksen und Bonbons, auf der anderen Seite ein großer Kühlschrank mit Getränken und unterhalb des Tresens eine Glasvitrine mit verschiedenen Salaten, Frikadellen und Rollmöpsen. Die großen Spiegel an den Wänden ließen den Laden größer erscheinen als er war.

      Hinter der Theke stand Udo, ein dickbäuchiger Mann in weißem Kittel, mit einem Vollbart, der beinahe das ganze Gesicht überwucherte. Er bediente gerade den einzigen Kunden, einen Junkie, der Mühe hatte, das Kleingeld für eine Cola abzuzählen.

      Paulsen stellte sich an und wartete geduldig. Ein Pappschild, das seitlich an der Wand baumelte, erleichterte dem Wirt das Kassieren, in ungelenker Kinderschrift stand geschrieben: 1 Flasche Bier = 1 Euro 50, 2 Flaschen = 3 Euro und so weiter, bis: 10 Flaschen = 15 Euro. Als Udo Paulsens Schmunzeln bemerkte, drehte er das Schild um.

      Paulsen bestellte einen Kaffee, verschanzte sich hinter einem Stehtisch nahe am Fenster und blickte durch das fettige Glas, das wie ein Weichzeichner wirkte und die Menschen und Dinge draußen zu aquarellartigen Farbflächen verschwimmen ließ. Ein Tupfer nahm jetzt Gestalt an, wurde größer, und herein kam eine junge Schwarze in kurzem Rock und Tigerjacke, trat an die Theke und bestellte einen ‚Coffee to go’. Als sie ihren Pappbecher hinaustrug, folgte er ihr.

      „Haben Sie einen Moment Zeit?“

      Sie blieb stehen und blickte ihn an, halb amüsiert, halb ironisch.

      „It’s my job.“

      Er deutete zu seinem Wagen auf der anderen Straßenseite. Kaum waren sie eingestiegen, kam ein BMW herangerauscht und stellte sich dicht hinter sie. Hinter der Frontscheibe machte Paulsen die Silhouetten zweier Gestalten aus. Die junge Prostituierte neben ihm schien nichts zu bemerken.

      „Kann ich erst meinen Coffee trinken?“

      „Klar, ich habe nur ein paar Fragen.“

      Sie lachte, vielleicht weil sie ihm nicht glaubte oder weil sie sich darüber freute, für ein paar Minuten unbelästigt Pause machen zu können. Paulsen nahm den Umschlag aus dem Handschuhfach und zeigte ihr die Fotos von Fayola.

      „Kennst du das Mädchen?“

      Sie nippte an ihrem Becher, blickte auf die Bilder und verzog keine Miene.

      „Fayola Mafuto“, sagte er.

      „No.“

      Er hatte das Gefühl, dass sie nicht die Wahrheit sagte, holte den kleinen Knochen mit den Glasperlen hervor und hielt ihn ihr hin. Wie elektrisiert zuckte sie zurück.

      „Hast du eine Ahnung, was das ist?“

      Sie schwieg. Er hörte ein Geräusch und blickte in den Rückspiegel. Eine Gestalt sprang aus dem BMW, kam nach vorn und riss die Beifahrertür auf. Ein Schwarzer mit Ballonmütze beugte sich herein und schnauzte das Mädchen in einer Sprache an, die Paulsen nicht verstand. Ohne Widerspruch kletterte sie aus dem Wagen und verschwand. Der Schwarze hielt weiter die Tür auf und starrte Paulsen angriffslustig an.

      Der startete den Motor und fuhr mit einem Ruck los, worauf der Zuhältertyp die Wagentür zuklappen ließ und gegen den Kotflügel trat, dass es krachte. Paulsen fuhr weiter und winkte zum Dank. Der Typ hatte genau die Autoseite bearbeitet, auf der zu einem gleichmäßigen Beulen-Look noch eine Delle gefehlt hatte.

      Die Dachterrasse war Paulsens Zufluchtsort. Von hier überblickte er die Nachbarschaft, sah auf altertümliche Dachgauben, Pflanzen umrankte Balkone, Terrassen mit Sitzbänken und Liegestühlen. Nichts Mondänes, eher Kleine-Leute-Idylle.

      Wenn er mit Vera hier abends gesessen hatte, bei Bier oder Wein, hatten sie sich vorgestellt, über den Dächern von Paris zu leben. Allerdings nur, wenn es gut lief zwischen ihnen, in den kurzen Phasen, die immer kürzer geworden waren. Daran hatte auch die Geburt ihrer Tochter nichts geändert. Lena, die Frucht einer kurzen intensiven Liebe. Er verscheuchte die Gedanken an die Vergangenheit und beschloss, Lena anzurufen und zu fragen, ob sie Zeit und Lust hatte, mit ihm essen zu gehen. Nach all den verlorenen Gestalten heute sehnte er sich nach etwas Positivem, Hoffnungsvollem. Er erwischte sie, was schon ein kleines Wunder war, und sie hatte tatsächlich Zeit. Sie verabredeten sich im Café Extrablatt. Wie immer kam sie zu spät. Mit geschultertem Rucksack, aus dem eine Wasserflasche ragte, stürmte sie herein wie der kleine Häwelmann, in komplett schwarzem Outfit, von den halbhohen Stiefeln über den am Knie zerrissenen Jeans bis zum Sweatshirt.

      Lena war mittlerweile neunzehn. Sie sahen sich regelmäßig, wenn auch jeder sein eigenes Leben führte. Zu ihrer Mutter hatte er nur noch sporadischen Kontakt, doch es gab keinen Groll mehr zwischen ihnen, die Streitigkeiten lagen lang genug zurück.

      Sie holten sich Essen vom Buffet und suchten einen Platz mit Blick nach draußen. Bei Rührei, Lachs und Kaffee ließen sie es sich schmecken, und je länger sie plauderten, umso weiter rückten die Bilder des Straßenstrichs in den Hintergrund.

      Er fragte, wie es an ihrer Kunstschule liefe, und sie erzählte begeistert von ihrem neusten Semester-Projekt, der Verfilmung einer Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe. In der Geschichte ginge es um einen Studenten, der eine Nervenanstalt besucht, und von der neuen Klinikleitung beeindruckt ist. Erst als er auf Ärzte trifft, die geteert und gefedert worden sind, begreift er, dass die Irren die Macht in der Anstalt übernommen haben.

      Paulsen ging nicht weiter darauf ein und hoffte, dass er Lena damit nicht verletzte. Sie konnte nicht wissen, dass er zurzeit von Geschichten, in der es um den schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Normalität ging, die Nase voll hatte.

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