Wolfgang Quest

Mörderwelt


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Euro abgeknöpft. „Dass das Backpulver war, habe ich bei der Übergabe nicht bemerkt.“

      Paulsen grinste sich eins und ließ ihn weitererzählen.

      Er habe das Zeug im guten Glauben fürs Doppelte weiterverkaufen wollen, beteuerte Meffert, was der Kunde im Musikbunker ihm allerdings nicht geglaubt hatte. Statt die vereinbarten Dreißigtausend auf den Tisch zu legen, hatte der Rocker ihm das Pulver um die Ohren gehauen und ihm zusätzlich eine Abreibung verpasst. In den Deal, mit dem er den Einstieg ins große Geschäft beginnen wollte, hatte Meffert seine gesamten Ersparnisse investiert und im wahrsten Sinne des Wortes verpulvert. „Alles futsch.“ Er machte eine Miene, als sei er Opfer eines ungerechten Schicksalsschlags geworden.

      Nachdem Mefferts Wunden verarztet und keine ernsthaften Verletzungen festgestellt worden waren, lud Paulsen ihn auf einen Kaffee in die Krankenhaus-Cafeteria ein. Jetzt, im ramponierten Zustand, war von Mefferts windigen Großspurigkeit nichts mehr geblieben, als habe ihn der Schock zur Vernunft gebracht. Paulsen nutzte es, ihn nach seinem Kontakt zu der Nigerianerin zu fragen. Nach kurzem Zögern gab Meffert zu, ihr ein paar Mal ein bisschen Koks verkauft zu haben, auch für eine ihrer Freundinnen. Erst da sei ihm die Idee gekommen, das Ganze größer und geschäftsmäßig aufzuziehen.

      „Gab es mal Streit mit dem Mädchen wegen Geld?“

      „Nein. Es ging ja nur um geringe Mengen.“

      Das stimmte oder auch nicht.

      Meffert merkte, dass Paulsen argwöhnisch blieb.

      „Angenommen, ich hätte das Mädchen umgebracht, meinen Sie, dann wäre ich im Hotel geblieben? Ich wäre doch längst über alle Berge.“

      „Damit hätten Sie sich auf jeden Fall verdächtig gemacht.“

      „Ich habe sie aber nicht umgebracht.“

      „Wer denn? Etwa Baranoff?“

      „Wieso nicht? Dem trau ich alles zu.“

      Kapitel 6

      Nach einem kurzen Imbiss fuhr Paulsen zur Prärieblume, setzte sich ins Foyer und machte ein paar Notizen. Student Aschhoff war immer noch im Einsatz. Blass wie ein Engerling kauerte er hinter der Rezeptionstheke und starrte auf den Computerbildschirm. Kurz darauf kam Baranoff von draußen hereingestürmt, tat so, als bemerkte er Paulsen nicht und humpelte zum Aufzug.

      Aschhoff beugte sich über die Empfangstheke.

      „Hallo, Herr Baranoff! Falls Sie den Reporter suchen, der sitzt da in der Ecke.“

      Wie ertappt blieb Baranoff stehen und schickte Aschhoff einen finsteren Blick zu, dann setzte er ein breites Lächeln auf und ging auf Paulsen zu.

      „So einen Lenz müsste man haben! Wann arbeitet ihr Reporter eigentlich mal?“

      „Wir arbeiten immer, auch wenn man es uns nicht ansieht.“

      Baranoff lachte übertrieben. „Siehst du, da sind sich unsere Berufe gar nicht so unähnlich.“

      Paulsen gab sich ahnungslos. „Wie ist die Jagd im Bahnhof ausgegangen?“

      Baranoff blickte mürrisch. „Noch nicht spruchreif. Ich bin noch mitten in den Ermittlungen.“

      Paulsen wartete, bis er sich gesetzt hatte.

      „Jemand hat erzählt, die Polizei hätte Sie geschnappt.“

      „Was heißt geschnappt? Ich habe denen kurz die Lage erläutert. Die sind ja so blind, dass sie nicht mal mitkriegen, wenn direkt vor ihren Augen mit Drogen gedealt wird.“

      „Ist der Vertreter aufgetaucht?“

      „Natürlich. Und der Libanese. Darum ging’s ja. Leider sind mir die beiden entwischt.“ Er stand auf. „Wie sieht’s aus mit einem Feierabendbierchen?“

      Paulsen winkte ab.

      Baranoff tat beleidigt. „Komisch, gestern konntest du den Hals nicht voll kriegen.“

      Paulsen klappte das Notizheft zu. „Gestern war gestern. Und morgen ist morgen. Und dann stehe ich um Punkt elf bei Ihnen auf der Matte. Samt Kamerateam.“

      Baranoff grunzte und verzog sich zum Aufzug. Paulsen erhob sich, ging zur Rezeption und stützte sich auf das Empfangspult.

      „Hallo, Tilman. Doppelschicht?“

      Aschhoff grinste, als sei er noch immer oder schon wieder bekifft.

      „Nur bis zwei, dann kommt der Kollege.“

      „Seit wann im Dienst?

      „Seit gestern Abend um elf.“

      „Mein lieber Mann, das sind ja mehr als sechzehn Stunden.“

      „Merk ich gar nicht, wenn ich im Spiel bin.“

      „Scheint ja ein tolles Spiel zu sein.“

      „World of Warcraft.“

      „Und welche Rolle spielst du?“

      „Ich bin ein DiDi, Damage Dealer, ein Schadensverursacher. Ich kann jedem Gegner maximalen Schaden zuzufügen.“

      Paulsen tat beeindruckt. „Toll. Wie lange machst du den Job eigentlich schon?“

      „Als Damage Dealer?“

      „Als Nachtportier.“

      „Seit vier Wochen.“

      „Das heißt, du kannst abends praktisch nie ausgehen, mit Freunden oder so. Hast du keine Freundin?“

      „Doch, die Svenja.“ Er tippte auf der Tastatur herum, als müsste er seine Behauptung schnellstens beweisen. „Hier.“

      Von einer Facebook-Seite lächelte Paulsen ein dunkelblondes Mädchen mit schmalem Gesicht entgegen. ‚Svenja Strelitz’ stand unter dem Bild.

      „Nett. Und was hält sie von deinem Job?“, fragte Paulsen.

      Tilman wich seinem Blick aus. „Für sie ist das okay.“

      Paulsen hatte Glück. Eine Svenja Strelitz gab es im Telefonverzeichnis nur einmal, mit Festnetz- und Handynummer. Er rief sie an, stellte sich vor und fragte, ob sie sich zu einem kurzen Gespräch treffen könnten.

      Sie klang reserviert. „Worum geht’s denn bitte?“

      „Um Tilman Aschoff, der im Hotel Prärieblume arbeitet.“

      „Ist ihm was passiert?“

      „Nein, nein, alles okay. Ich bin ein Bekannter von ihm. Alles Weitere würde ich Ihnen dann gleich erklären.“

      „Tja, ich weiß nicht. Ist es denn so dringend? Ich bin im Dienst und hab’ höchstens zehn Minuten Zeit.“

      „Das wird reichen. Ich kann in ’ner Viertelstunde da sein.“

      Sie nannte die Adresse des Seniorenheims, wo sie als Pflegerin jobbte. Das Heim am Morillenhang war ein schmuckloser Neubau aus Glas und Beton. Die Cafeteria hatte gerade geöffnet und war, abgesehen von den beiden Küchenfrauen hinterm Tresen, noch menschenleer. Paulsen schlenderte an der Theke entlang und besichtigte die Speisen in den Vitrinen, gummiartige Brötchen, die unter Zellophan schwitzten, und staubtrockener Sandkuchen. Dafür war sein Hunger nicht dramatisch genug.

      Svenja tauchte auf, und er lud sie zu einem Kaffee ein. Sie war kleiner und zierlicher als sie auf dem Facebook-Foto gewirkt hatte. Sie nahmen ihre Tassen und setzten sich auf die Terrasse. Sie lag zwischen den beiden Flügeln des U-förmigen Gebäudes, grau und trostlos, wie aus Verzweiflung aufgehübscht mit ein paar Blumenkübeln aus Beton.

      Paulsen stellte sich Svenja vor und, damit sie ein bisschen warm wurden, erkundigte er sich nach ihrer Arbeit im Heim. Sie antwortete aufgeschlossen, geriet ins Plaudern und meinte, sie arbeite eigentlich gerne als Pflegerin, doch sie mache den Job nur vorübergehend. Wie Tilman habe sie vor, Medizin zu studieren,