Wolfgang Quest

Mörderwelt


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führen hier eigene Untersuchungen“, blaffte Baranoff ihn an.

      „Wer ist ‚wir’?“

      „Die Detektei Okulus.“

      „Aha“, sagte Meffert, „ist die eventuell auch für die manipulierte Telefonanlage verantwortlich, mit der die Gäste hier abgehört werden?“ Er blickte Beifall heischend zu Paulsen, der sich eine Reaktion verkniff.

      Baranoff ließ sich nicht beirren.

      „Ich frage noch mal: Haben Sie das Mädchen gekannt?“

      Meffert schnaufte verächtlich. „Sie können mich mal.“ Er wickelte den Schuh in ein Seidenpapier und verstaute ihn im Koffer.

      „Sie müssen sie gekannt haben! Sie waren mindestens einmal bei ihr.“ Baranoff schlug ein kleines Notizbuch auf. „Hier, am Freitag, den sechzehnten. Sie haben bei ihr geklopft und gerufen: Mach auf, ich weiß, dass du da bist!“

      Meffert tat gelassen. „Möglich. Kann sein, dass ich sie irgendwas fragen wollte.“

      „Um zwei Uhr nachts?“

      Meffert setzte eine listige Miene auf. „Mal angenommen, ich war an ihrer Tür. Aber woher wissen Sie das?“

      Baranoff blickte einen Moment bedeppert. Dann fing er sich.

      „Ich stelle hier die Fragen. Also, was wollten Sie von dem Mädchen?“

      Meffert trat dicht an den Schreibtisch.

      „Erst beantworten Sie mir meine Frage: Woher wissen Sie, dass ich an ihrer Tür war?“

      Baranoff fummelte an seinem Hemdkragen, als sei er ihm zu eng geworden und sagte wie ein trotziges Kind: „Ich habe zuerst gefragt.“

      Meffert zeigte mit dem Finger auf ihn.

      „Ich will Ihnen sagen, woher Sie das so genau wissen.

      Weil Sie bei dem Mädchen im Zimmer waren.“

      Baranoff lehnte sich schnaufend im Sessel zurück.

      „Blödsinn!“

      „Also frage ich Sie: Warum waren Sie in ihrem Zimmer?“

      Baranoffs Augen verengten sich. „Packen Sie ihren Ramsch zusammen und verschwinden Sie.“

      Meffert lachte. „Sie sind noch nicht aus dem Schneider, Baranoff.“ Er klappte den Musterkoffer zu, klemmte ihn unter den Arm und ging hinaus.

      Baranoffs Halsadern schwollen an.

      „Sie schon lange nicht“, schrie er ihm nach. „Halten Sie sich für weitere Ermittlungen zur Verfügung.“ Der Vertreter knallte die Tür zu.

      Kapitel 4

      „Unglaublich!“

      Baranoff zog ein großes schmuddeliges Taschentuch hervor und wischte sich den Nacken. Dabei schielte er zu Paulsen, als wollte er sich vergewissern, wie er das Ganze aufgenommen hatte. Paulsen verzog keine Miene.

      „Wenn der Meffert glaubt, er könnte sich mit irgendwelchen Tricks herauswinden, dann hat er sich geschnitten. Mich legt der nicht rein. Auf meiner Liste bleibt er ganz oben. Cognac?“

      „Ich hatte vor, schlafen zu gehen.“

      „Einen zum Feierabend. Ich habe unten in der Küche noch einen guten Tropfen in petto.“

      Paulsen hatte eine Idee und gab nach. Als Baranoff das Zimmer verlassen hatte, sah er sich um. Die Behausung war eine Kombination aus Büro, Küche und Wohnzimmer. Zur Büroabteilung gehörten Schreibtisch, Aktenregal und an der Wand darüber ein gerahmtes Detektiv-Diplom, ausgestellt auf Baranoffs Namen von einem ‚Council of International Investigation‘ aus den USA. Vermutlich im Internet gekauft. Als Küche diente eine Anrichte mit Elektroplatte neben einer kleinen Spüle, in der sich schmutziges Geschirr stapelte. Gegenüber der Kochnische führte eine Tür ins Nebenzimmer, eine spärlich eingerichtete Kammer mit Schlafcouch und zerwühltem Bettzeug. Der Boden mit leeren Flaschen übersät.

      Vom Flur ertönten Schritte, Paulsen schloss die Tür und setzte sich zurück in den Sessel. Baranoff kam mit einer Flasche Cognac zurück, goss zwei bauchige Schwenker bis zum Rand voll und prostete ihm zu.

      „Auf den ganzen Ärger!“

      Er kippte den Cognac runter wie Wasser und schenkte sofort wieder nach.

      Paulsen lehnte sich zurück, streckte die Füße unter den

      Couchtisch und stieß dabei auf etwas Hartes. Er hob einen Schuh auf – ein auf Hochglanz poliertes Musterexemplar.

      „Gehört dem Mörder“, sagte Baranoff.

      „Welchem Mörder?“

      „Dem Meffert. Der Irre mit den Schuhen. Hast du gesehen, wie ihm die Nerven geflattert haben? Und weißt du, warum? Der Klinkenputzer handelt nicht nur mit Schuhen, er hat noch anderes im Sortiment – nämlich Koks.“

      „Und was hat das mit dem Mädchen zu tun?“

      „Kann ich dir sagen: Der hat sie abgefüttert mit dem Zeug, und sie stand bei ihm bis über beide Ohren in der

      Kreide.“

      „Und deshalb soll er sie umgebracht haben?“

      „Hundertprozentig. Für mich war es so: Sie schuldet ihm ein paar Riesen, er will das Geld aus ihr rausprügeln, gerät in einen Blutrausch und macht sie kalt.“

      „Irgendeinen Beweis dafür?“

      Er sah Paulsen mit listen Augen an. „Noch nicht. Aber morgen weiß ich mehr. Dann blas ich zum Halali. Wenn

      Meffert den Libanesen trifft.“

      „Welchen Libanesen?“

      Baranoff grinste und gab zu, dass er über die Hausanlage Mefferts Telefongespräche abgehört hatte. Dabei habe er was von einer Verabredung mit einem Libanesen am Bahnhof mitbekommen, und er sei sich sicher, dass es um einen größeren Drogendeal gehe.

      „Vielleicht will er nur Schuhe verkaufen.“

      Baranoff lachte. „Unfallverhütungsschuhe, wie? Die können sie im Libanon vielleicht gut gebrauchen, aber ich glaube nicht, dass die heimlich im Bahnhof übergeben werden müssen.“

      Allmählich spürte Paulsen den Alkohol, die Augenlider wurden schwer, und er hatte Mühe, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Die Gedanken schwirrten. War Baranoff ein Schwätzer, oder wollte er ihn auf eine falsche Fährte locken? Woher wusste Baranoff überhaupt, dass Meffert … Paulsen musste ihn danach fragen, am besten sofort.

      Er zuckte zusammen und öffnete die Augen. Wie lange hatte er geschlafen? Er setzte sich auf und blickte zu Baranoff.

      Der lag mit dem Kopf auf der Sessellehne und schnarchte.

      Als Paulsen am Morgen in seinem Zimmer erwachte, drang schwüle Luft durch das offene Fenster herein. Von der kümmerlichen Buche, dem einzigen Baum im Hinterhof, erklang dünnes Vogelgezwitscher. Paulsens Schädel pochte schmerzhaft. Zehn Uhr, u noch über eine Stunde bis zu Baranoffs geplanter Drogenjagd im Hauptbahnhof. Unter der Dusche ließ er die Nacht Revue passieren. Baranoff hatte versucht, aus dem Schuhvertreter eine Art drogensüchtigen ‚Jack the Ripper‘ zu machen. Selbst wenn es ein Hirngespinst war, Tatsache blieb, dass Meffert und das ermordete Mädchen auf irgendeine Weise Kontakt gehabt hatten.

      Einigermaßen erfrischt machte Paulsen sich auf zum Bahnhof, gespannt, ob Baranoff und Meffert tatsächlich auftauchten. Auf dem Weg nach unten rief er Sascha an, seinen Whistleblower vom Polizeirevier Mariental, die verlässliche Quelle, wenn er schnell und unbürokratisch eine Information brauchte. Paulsen bat ihn nachzuforschen, ob es etwas über Winfried Baranoff im Polizeicomputer gab.

      Unten im Foyer traf Paulsen auf Hotelchef Kohlhammer, den knorrigen Westernhelden. Mit den scharfen Mundfalten