Wolfgang Quest

Mörderwelt


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Priester, als Taxifahrer …“

      „Oder Bahnschaffner“, erinnerte ihn Paulsen.

      Baranoff ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Kommt mal mit.“

      Er dirigierte das Aufnahmeteam über den Flur in das Zimmer gegenüber, das nicht belegt war, und zeigte die Stellen, wo man versteckte Minikameras installieren könnte, wie er sagte.

      „Und das ist legal?“

      „Ich tue nur, was in solchen Fällen getan werden muss.“

      Der Kameramann grinste und filmte munter drauf los.

      „Erzählen Sie doch mal etwas über Ihren letzten Auftrag oder Fall.“

      Baranoff kratzte sich am Nacken. Die Frage schien ihm nicht zu passen.

      „Ja, nun. Ich will mich hier nicht in Details verlieren …“

      „Nur ganz allgemein.“

      Er fing sich wieder und sagte mit frecher Miene: „Wenn Sie nur ein bisschen Ahnung von unserem Metier hätten, wüssten Sie, dass der Datenschutz der Klienten an erster Stelle steht.“

      Sie gingen zurück auf den Flur.

      „Machen Sie sich durch Ihre Arbeit nicht manchmal Feinde?“

      „Massenhaft.“ Baranoff drehte sich und sprach wieder direkt in die Kamera: „Für mich ist jeder, der hier übernachtet, erst mal ein Feind. Aus einem einfachen Grund: Ich lasse mich nicht gerne überraschen. Meine Devise heißt: vorbereitet sein auf alle möglichen und unmöglichen Fälle. Voraussetzung, um einen so großen Laden im Griff zu behalten.“

      „Sie meinen, wie bei dem Tod des Mädchens?“

      Baranoff nickte. „Mir entgeht hier nichts.“

      „Außer in der Mordnacht. Da haben Sie ja anscheinend nichts mitbekommen.“

      Baranoff zog eine ärgerliche Miene und machte eine unwirsche Geste zum Kameramann. „Schnitt! Schalt mal aus.“

      Baranoff wandte sich an Paulsen. „Das war nicht abgesprochen, mein Lieber. Dass wir hier über den Mordfall reden, stand nicht auf dem Programm.“

      Paulsen versuchte, ihn zu besänftigen. „Das ergab sich so. Kann man zur Not wieder rausschneiden.“

      „Das möchte ich meinen.“

      Er gab dem Kameramann ein Zeichen, weiterzumachen. Der ignorierte es und blickte zu Paulsen. Erst als der ihm zunickte, schaltete er die Kamera wieder an. Die Atmosphäre wurde zunehmend frostiger. Kameramann und Assistent, die nicht wussten, dass Paulsen der ganze Dreh nur als Vorwand diente, gaben sich immer weniger Mühe zu verbergen, dass sie Baranoff für einen ausgemachten Spinner hielten. Erst am Ende des Drehs, als er das ganze Team zu einem Umtrunk in sein Büro einlud, kippte die Stimmung.

      „Scheint doch ganz in Ordnung zu sein“, raunte Lippe seinem Assistenten zu.

      Baranoff war jetzt in seinem Element. Er rief die Pizzeria auf der Straße gegenüber an und gab großspurig eine Bestellung auf: frisch gezapfte Biere, Schnäpse und eine Karaffe Rotwein. Kurz darauf sah man vom Fenster aus einen Mann in weißer Kellnerjacke, der ein vollbeladenes Tablett über die Straße balancierte.

      Der Pendelverkehr mit Nachschub ging zwischen Pizzeria und Hotel noch eine Zeit lang weiter, bis sich Lippe und Wisch leicht angeschlagen verabschiedeten und auf den Weg zurück zum Sendestudio machten.

      Auch Baranoff war angesäuselt. Der richtige Zeitpunkt, ihn mit dem Fund unter der Matratze zu konfrontieren, dachte Paulsen. Gerade als er dazu ansetzte, unterbrach ihn Baranoff.

      „Komm mal mit.“

      Paulsen folgte ihm über den Flur zum Treppenhaus.

      „Immer besser, wenn ein Zeuge dabei ist“, meinet Baranoff. „Sonst heißt es nachher noch, ich hätte was geklaut.“

      Er hinkte die Treppe hinunter zur zweiten Etage, hielt vor Zimmer 13 und klopfte. Als sich nichts rührte, zog er seinen Generalschlüssel hervor und schloss auf.

      „Wer wohnt hier?“

      Baranoff stieß die Tür auf. „Der Meffert.“

      Das Zimmer mit Bett, Kleiderschrank, Fernseher und Minibar unterschied sich kaum von der Einrichtung der anderen Zimmer. An der Schranktür baumelten mehrere Kleiderbügel mit Oberhemden, auf den Lehnen der beiden Cocktailsessel hingen ein halbes Dutzend Tennissocken zum Trocknen. Es roch nach Aftershave, Duftnote ‚Kiefernadeln‘, und nach Schweißfüßen.

      „Behalt mal den Flur im Auge.“

      Baranoff schob Paulsen aus dem Zimmer. Der wartete auf dem Flur und hörte ihn im Zimmer rumoren. Nach einer Weile ertönte ein raues Lachen, und Baranoff kam zur Tür.

      „Jetzt habe ich ihn. Guck mal, was ich gefunden habe.“

      In der einen Hand hielt er einen Umschlag, in der anderen den Bogen mit Fayolas Passfotos.

      „Weißt du, wer da drauf ist?“

      Paulsen wartete ab.

      „Du wirst es nicht glauben: Fayola Mafuto.“

      „Wo haben Sie das her?“

      Baranoff warf einen Blick über den Flur. „Gefunden, in ’ner Schuhschachtel unterm Schrank.“

      Für einen Moment verschlug Paulsen die dreiste Lüge die Sprache. Es waren dieselben Fotos, die er am Abend zuvor und Baranoffs Bett gefunden hatte.

      Baranoff grinste. „Da ist der Sensationsreporter platt, wie?“

      Er zog die Zimmertür zu und schloss ab. Auf dem Rückweg zum Büro spielte Paulsen weiter den Ahnungslosen.

      „Aber warum hat Meffert Passfotos von dem Mädchen?“

      Baranoff öffnete die Tür und ließ ihn vorgehen.

      „Psychopathen lassen immer irgendetwas von ihren Opfern mitgehen. Als Trophäe sozusagen.“

      „Und was wollen Sie jetzt damit machen? Zur Polizei?“

      Baranoff schüttelte den Kopf. „Später.“

      Er ging zum Couchtisch und prüfte, ob die Flaschen noch Reste enthielten. Sie waren leer. Er trat ans Fenster und blickte auf die nächtliche Straße.

      „Jetzt ist der Meffert bestimmt wieder auf Tour. Man weiß doch, wie diese Bestien ticken. Haben sie einmal angefangen zu morden, können sie nicht mehr aufhören.“ Er starrte hinaus, als sähe er dort den Unhold auf der Pirsch.

      Paulsen versuchte, ihn auf eine andere Idee zu bringen. „Was ist mit dem Studenten, dem Nachtportier? Er hatte an dem Tag Dienst. Laut Aussage der Polizei hat das gerichtsmedizinische Gutachten ergeben: Fayola ist zwischen 17 und 20 Uhr getötet worden. Das heißt, der Portier könnte als Täter durchaus in Frage kommen.“

      „Vergiss es. Er war’s nicht.“

      „Wieso sind Sie sich so sicher?“

      „Weil er bei mir war.“

      Paulsen blickte ihn überrascht an.

      „Auf meiner Bude. Wir haben schon am Nachmittag angefangen, einen zu picheln.“

      „Mir hat er was anderes erzählt. Er sagte, er hätte nur kurz die Rezeption verlassen, als Sie besoffen waren und er sie aufs Zimmer geschleppt und ins Bett gebracht hätte.“

      „Schwachsinn. Er darf natürlich nicht zugeben, dass er stundenlang nicht an seinem Arbeitsplatz war. Ist doch logisch, oder?“ Baranoff blickte wieder auf die Straße. „Verdammich, die Pizzabude macht zu.“

      Doch er hatte eine Idee, wo er noch etwas Trinkbares auftreiben konnte, und machte sich auf den Weg.

      Kapitel 8

      Paulsen