J.D. David

Sternenglanz


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„Es ist unabdingbar, dass die junge Kriegerin bestraft wird. Doch ein Ausschluss aus unserer Mitte für die Ewigkeit erscheint mir ein unangemessenes Urteil.“, fügte er hinzu, doch schaute nicht in den Rat zu den anderen Fürsten, sondern nur zu Yatane. Fast schüchtern lächelte diese leicht und nickte dem Fürsten dankend zu. Dann blickte sie sich im Rat um, wartete auf weitere Reaktionen.

      Der Rat des heiligen Reiches bestand aus den fünfzehn Fürsten der Elfen, die seit Anbeginn der Zeit über diese Welt wachten. Doch nun saßen nur zwölf der Fürsten vor Yatane. Das Fehlen einiger Fürsten hatte gravierende Gründe. Jeder Elf kannte sie. Fast jeder der Fürsten hatte sich vor ihr zu ihrem Fall geäußert, nachdem sie detailliert ihre Verfehlungen eingestanden hatte. Lediglich der dritte Fürst, Richter des Rates, wartete auf das Votum der anderen. Und ein Fürst schwieg beharrlich: Elian, Herr der Stürme. Sein Blick war stoisch auf Yatane gerichtet, selbst als jeder der anderen Fürsten sprach. Sie versuchte den Blick zu deuten. War es Enttäuschung? Verachtung? Trauer? Doch sie vermochte die Gedanken des Elfen nicht zu entschlüsseln.

      „Ich habe eure Worte vernommen, Fürsten.“, setzte dann der Richter zum Spruch an, der dritte Fürst und mit seinen Geschwistern Herrscher Alydans. „Eine Kriegerin wurde auf den falschen Weg geführt, und hat schwere Verbrechen begangen. Gegen das heilige Reich, gegen jeden Elfen, und gegen unsere Welt selbst. Ihre Schuld steht außer Frage, doch auch ihre Reue ist nicht zu bestreiten.“, begann er zu sprechen. Yatane spürte ihren Herzschlag. Egal welcher Spruch folgen würde, sie würde das Urteil akzeptieren müssen. „Doch die Umstände mildern die Schuld. Ich bin nicht bereit, sie aus unserer Mitte zu vertreiben. Sie ist und bleibt Teil unseres Volkes, mit allen verbundenen Rechten und Pflichten. Doch ich verfüge, dass Yatane Alydan nie wieder verlassen darf. Sie soll in diesem Land in alle Ewigkeit verweilen, um es zu schützen, und der Gemeinschaft zu dienen, auf dass sie ihre Verfehlung nicht mehr wiederholen kann.“

      Alle Fürsten nickten. Auch wenn einige der Elfen eine andere Meinung vertreten hatten, fügten sie sich ohne Widerspruch dem Urteil. Es war endgültig. Yatane atmete erleichtert aus.

      Wasser umspülte ihre Füße, als sie am Strand saß und die Wellen beobachtete, die auf das Land trafen. Es war ein warmer Tag. Es waren stets warme Tage hier in Alydan. Während in vielen Ländern der Menschen die Jahreszeiten wechselten, war es hier im heiligen Reich der Elfen stets Sommer. Yatane hatte schon viele Länder bereits, und wusste, dass sie es mit ihrem ewigen Aufenthalt in Alydan nicht schlecht getroffen hatte. Eine Erkenntnis, die sie über die letzten Monate aufgebaut hatte. Sie versuchte dabei auch sich selbst zu überzeugen. Doch immer, wenn sie wie jetzt am Strand saß und auf das Meer schaute, bekam sie auch ein bisschen Fernweh. Neue Länder zu sehen. Weit weg von dem heiligen Reich der Elfen im Schatten des Weltenbaumes. Und auch um ihre eigentliche Heimat wieder zu sehen. Doch das Urteil war eindeutig gewesen. In alle Ewigkeit.

      Sie ließ sich fallen und sank in den feinen Sand des Strandes. Seufzend atmete sie aus und blickte in den Himmel. Viele Menschen würden Alydan wohl als Paradies bezeichnen. Sie würden nie verstehen, dass man auch in einem Paradies seiner Freiheit beraubt sein konnte. Wie schön wäre es wohl fliegen zu können. Dann könnte sie überall hinreisen, wo sie wollte. Denn in dieser Hinsicht war Alydan das ideale Gefängnis: ohne ein Schiff konnte man überhaupt nirgendwo hin. So hatte man Yatane auch keinen Bewacher zur Seite gestellt. Es war nicht nötig.

      „Los Anna, komm schon.“ Die fröhliche Stimme eines Kindes riss Yatane aus ihren Gedanken. Denn es war in der Tat ein ungewöhnlicher Klang, den man in Alydan nicht oft hörte. Elfen hatten auch Kinder, doch aufgrund ihrer langen Lebensdauer gab es auf die Bevölkerung bezogen deutlich weniger Kinder als bei Menschen. Doch Yatane hatte eine andere Vermutung, um wen es sich handeln konnte. Sie stand auf und klopfte sich den Sand von der Kleidung, um zur Quelle der Stimme zu gehen. Sie musste nicht lange suchen.

      Direkt vor ihr lief das Mädchen aus dem Wald hinaus auf den Strand und schnell hin zum Wasser. Ihr folgte eine etwas ältere Magd, die einen Korb trug. Beide waren, wie Yatane vorher vermutet hatte, Menschen. Wohl zwei der einzigen drei Menschen, die zurzeit in Alydan weilten.

      Das Mädchen hatte das Wasser fast erreicht, als sie Yatane bemerkte. Sie hielt inne und drehte sich zur Elfe. Yatane musterte das Kind. Sie war acht, vielleicht neun Jahre alt, hatte hellblonde Haare, die allerdings durch eine schwarze Strähne durchbrochen wurden. Und sie blickte Yatane mit großen Augen an.

      „Hallo.“, sagte das Mädchen.

      „Hallo.“, erwiderte Yatane lächelnd. „Dann bist du wohl die junge Königin Valoriens, von der man so viel hört.“, fügte sie hinzu.

      „Ja. Ich bin Luna.“, antwortete das Mädchen stolz und stützte die Hände in die Seiten.

      „Luna, wo bleiben deine Manieren.“, maßregelte sie die Amme, als sie die beiden erreichte.

      „Tut mir leid.“, sagte Luna leise mit gesenktem Kopf zu Anna gerichtet. Dann drehte sie sich wieder zu Yatane, machte einen leichten, etwas unbeholfenen Knicks, und begann dann nochmal von vorne.

      „Es ist mir eine Ehre Euch kennen zu lernen. Ich bin Luna I. Amalia von Valorien, Königin von Valorien in den Reichen der Menschen. Mit wem habe ich die Ehre?“, spulte sie dann eine Vorstellung ab, die sie sowohl des Öfteren vortragen musste. Yatane erwiderte mit einem Grinsen, tat der Königin dann aber den Knicks nach.

      „Es ist mir eine Ehre Euch kennen zu lernen, königliche Hoheit. Mein Name ist Yatane. Ich bin allerdings nur eine einfache Kriegerin Alydans, also besteht nicht die Notwendigkeit gehobener Etikette.“, antwortete sie. „Außerdem wollte ich Euch natürlich nicht von eurem königlichen Bad abhalten.“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.

      „Was machst du hier?“, fragte Luna dann die Elfe. Eine wohl berechtige Frage, denn die meisten der Elfen hatten klare Aufgaben, denen sie diszipliniert nachgingen.

      „Ich denke, dass gleiche wie du, junge Königin. Ein bisschen Durchatmen von den Zwängen und Regeln, die in der Stadt gelten. Hier fühlt man ein bisschen Freiheit.“

      „Das ist schön.“, antwortete das Mädchen und zeigte dann auf den Korb, den die Amme trug. „Willst du mit uns essen? Geron hat mich den heutigen Tag von Lektionen freigestellt, nachdem ich alle Könige der letzten 200 Jahre aufzählen konnte.“, sagte sie mit nicht zu verleugnetem Stolz.

      „Das würde ich sehr gerne, wenn es deine Wächterin erlaubt.“, sagte Yatane und blickte zu Anna, die nur freundlich nickte.

      „Natürlich. Es ist genug da.“

      „Und um mir mein Mahl zu verdienen, will ich dir gerne einige Geschichten aus deiner Heimat erzählen.“, sagte Yatane, als sie sich wieder in den Sand setzte. Luna schaute sie mit großen Augen an. Den ursprünglichen Plan, ein Bad im Meer zu nehmen, schien sie bereits wieder verworfen zu haben.

      „Du kennst Valorien? Warst du dort? Kennst du meinen Vater?“

      Yatane schüttelte den Kopf. „Nein, ich kenne ihn nicht. Aber Valorien und die umliegenden Reiche kenne ich gut. Denn ich weilte einige Jahre in diesem Land. Lass mich dir die Geschichte von Fürst Tanatel erzählen, der einst über Valorien als Elfenfürst wachte.“, sagte sie und wollte gerade zu erzählen beginnen, stockte dann aber kurz. Dann fügte sie leiser hinzu. „Du darfst nur Geron nicht erzählen, dass wir uns getroffen haben. Versprochen?“, sagte sie mit einem Zwinkern.

      Luna nickte. „Versprochen.“

      Es war eine klare Nacht. Trotz des Neumondes war das Land hell durch das glänzende Licht der Sterne erleuchtet. Yatane atmete ruhig, während sie in den Himmel blickte. Hoch oben, auf einem der Türme Alydans konnte man ungestört in die Nacht schauen, ohne dass der Blick von Dächern oder Baumkronen verdeckt wurde.

      „Hast du schon einmal die Sterne gezählt?“ Yatane lächelte ob der Frage der jungen Königin. Das Mädchen stellte häufig derlei Fragen. Ihre Neugier war eine der herausragendsten Eigenschaften des aufgeweckten Kindes. Das hatte die Elfe in den letzten Monaten schnell festgestellt. Auf den einen Tag am Strand waren weitere gefolgt, in denen sie sich getroffen hatte. In denen Luna von ihren Lektionen bei Geron, Elian, Lioras, und Siliva