J.D. David

Sternenglanz


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die Nacht dunkel, und wenn du erstmal die offene See erreicht hast, bist du verschwunden.“, mahnte Lioras. Yatane blickte in den Himmel. Es war wieder Neumond, wie in der Nacht, als sie mit Luna die Sterne angeschaut hatte. Doch diesmal hingen Wolken vor den Sternen, und führten so in der Tat zu einer tiefen Dunkelheit.

      „Ja. Luna, Lioras, ich danke euch. Wir werden uns wiedersehen.“, sagte sie lächelnd, und schob dann zusammen mit dem Elfenkrieger das Boot ins Meer. Mit dem letzten Schub sprang sie in das Innere und schnappte sich ein Paddel, um die ersten Meter vom Strand wegzukommen. Sie blickte noch einmal zu Luna zurück. Trotz der Dunkelheit erkannte sie, wie die Königin ihr zuwinkte. Ein Abschied, ja. Aber sicher nicht für die Ewigkeit. Dessen war sich Yatane sicher. Dann setzte sie das Segel.

      „Du wusstest es, oder?“

      Die Herrin von Alydan nickte. „Lioras handelte mit meiner Erlaubnis.“ Ihr Bruder nickte. Sie beide bildeten zurzeit die Herrschaft über das heilige Reich, nun, wo ihr gemeinsamer Bruder andere Aufgaben hatte. Doch immer wieder schaffte es die Fürstin, Dinge zu befehlen, ohne ihn einzubeziehen.

      „Ich halte es für einen Fehler.“

      „Ja, ich weiß. Deswegen habe ich dich nicht gefragt. Aber die Welt der Menschen steht vor einem großen Wandel, der das Schicksal von uns allen entscheiden kann. Seit dem Angriff auf Anuriel wissen wir das. Und ich spüre, dass diese Elfenkriegerin das Schicksal entscheiden kann. Deswegen ließ ich sie ziehen.“

      „Gegen mein Urteil.“

      „Gegen dein Urteil.“, bestätigte sie mit einem Lächeln. Dann wandte sie sich ab. „Ich werde mit Elian sprechen.“

      Teil 1:

      Die Jägerin

      Winter 787 St. Gilbert

      Kapitel 1

      Luna zog den dicken Mantel enger zusammen, um sich vor der Kälte zu schützen, als eine erneute Bö über die Hügel zog. Schnee wehte ihr ins Gesicht. Die letzten Tage waren sie einem Schneesturm stets entgangen. Doch diesmal wirkten die Wolken noch düsterer als sonst. Es war noch vollkommen finster, dennoch war Luna bereits wach. Die Tage waren stetig kürzer und kälter geworden. Doch sie hatten noch nicht mal die Wintersonnenwende erreicht. Sie würden also noch kürzer werden. Und noch kälter.

      Unten im Lager der Männer brannte das Lagerfeuer und warf einen leichten Lichtschein bis zu ihrem Stand auf dem Hügelkamm. Es war das einzige Licht weit und breit. Sie schätzte zu dieser Zeit die Dunkelheit und die Einsamkeit. Um darüber nachzudenken, was sie mit ihren Herzögen und Rittern entschieden hatte. Wie es mit Valorien weitergehen sollte.

      Ein Schauer durchzog Luna, als die nächste kalte Böe über sie hinweg zog. Sie mochte den Winter nicht. Es war der zweite Winter, den sie erlebte. Damals, in Alydan, war es stets warm gewesen. Anfangs hatte sie sich in Valorien gefreut, als sie mit Vincent den ersten Schnee ihres Lebens genossen hatte. Doch die dauernde Kälte hatte an ihr gezehrt. Als es schließlich wieder Frühling geworden war, war sie unglaublich erleichtert gewesen. Auch diesen Winter hätte sie am liebsten in den warmen Hallen Eloraths verbracht. Doch ihr Schicksal hatte sie woanders hingeführt. Hier in den Süden, in das Kaiserreich, den mächtigsten Feind Valoriens.

      Sie erinnerte sich wie gestern an den Ritterrat, in dem sie den Entschluss gefasst hatten, hier ins Kaiserreich vorzudringen. Es war einer der ersten Räte in der ganzen Runde der neuen Ritter gewesen. Mit ihr als gekrönter Königin, und ihrem Mann Vincent als König und Ritter an ihrer Seite. Viele waren danach nicht mehr gefolgt, bevor sie aufgebrochen war. Es war nicht um weniger gegangen als die große Frage, wie man das Kaiserreich besiegen konnte, um zumindest Kargat zu befreien. Schnell waren sie sich einig, dass es die Truppen Valoriens allein nicht schaffen würden. Nach dem Sieg gegen die 6. Armee und den Rückzug der Nordmänner hatte Luna deren Anführer, Leon, das Freiherrentum Valor Kath überlassen, als Brücke nach Valorien, um die Völker enger aneinander zu bringen. Und um ein bisschen für die großen Opfer zu entschädigen. Dennoch erhoffte sie sich von dieser Seite keine Hilfe. Sie hatten einige Boten geschickt aber die Antwort war klar gewesen: Niemals würde Leon an der Seite von Herzog Celan seine Männer in die Schlacht führen.

      Also würde es auf die verbliebenen Männer Kargats ankommen. Auf all die gefangenen Soldaten, unzufriedenen Bürger, Männer, Frauen, Greise, die ihre Heimat befreien wollten. In jedem Dorf und jeder Stadt. Denn weitere Verbündete hatte Valorien nicht. Doch egal wie oft sie dann planten, wie ein Feldzug aussehen konnte, stießen sie immer wieder an eine Grenze: die Mönche der Laëa. Egal was sie sich ausdachten, wenn deren Kraft sich erst wieder gegen die Städte und Armeen richtete, würde es keine Hoffnung geben. Die Elfen waren zurück nach Alydan gesegelt, mit Ausnahme von Elian, der allerdings zögerlich war, seine Kräfte noch einmal einzusetzen, nachdem was in Elorath passiert war. Selbst wenn sie ein, zwei Elfenfürsten an ihrer Seite wüssten: die Mönche könnten überall auftauchen. Nein, gegen diese Kraft würde es keinen Sieg, schon gar keinen langfristigen Frieden geben. Das Gleichgewicht der Kräfte musste wiederhergestellt werden. Dies konnte nur im Kaiserreich der Sonne, im Herzen des Feindes, gelingen.

      Sie erinnerte sich an die Gespräche mit Daron, als sie noch in Taarl gewesen waren. Wie gut wäre es nun, den Mönch an ihrer Seite zu haben. Er hätte ihnen mit so vielem helfen können. Informationen, Erkenntnissen, oder eben mit der schieren Macht, die er kontrollierte. Doch er war von dieser Macht selbst verschluckt worden, und stand nun als mahnendes Zeichen am Ufer des Calas. Dennoch war seine Anwesenheit, seine Treue zu Valorien, viel wert gewesen. Vincent hatte sehr viel mehr Zeit mit dem Mönch verbracht. Er hatte ihn vieles ausgefragt, und die Informationen notiert. Über Kloster Sonnfels, den Hauptsitz des Ordens. Den Weg dorthin. Die Struktur des Ordens. Und die Gewohnheit der Mönche. Zu diesen gehörte sich auch, jedes Jahr zur Wintersonnwende in Sonnfels einzufinden. Alle Mönche. An einem Ort. Dies war ihre Chance. Nun war es nur noch darum gegangen, wer auf diese Reise aufbrach, die so viele Risiken barg.

      Arthur hatte sich als Ritter als erstes freiwillig gemeldet. Er und seine Schwarzen Pfeile sollten das Herzstück der Truppe bilden. Eine Aufgabe, die dem Ritter aus Rethas wie auf den Leib geschnitten schien. Auch sein Sohn Arved hatte sich melden wollen, war aber sofort von Luna selbst und Arthur zurückgehalten worden. Rethas brauchte seinen Herzog, der an der Seite von Lerke stand. Nein, aus dem Kreis der Adeligen sollte nur Arthur mit seinen treuesten Kameraden die Reise antreten. Doch ein Problem blieb: gegen die Macht der Mönche war Arthur selbst mit Blutstein in der Hand ohne Chance. Sie hatten auch Fürst Elian gefragt. Doch dieser gab zu Bedenken, dass Daron des Öfteren erwähnt hatte, die Präsenz der Elfenfürsten zu spüren. Obwohl er zugegeben hatte, dass die Präsenz Silivas stärker gewesen war, wäre das Risiko zu groß, entdeckt zu werden. Leon mit seiner Rüstung aus alten Tagen würde sie auch nicht unterstützen. So blieb nur Luna, die das Schwert des Schicksals, Zeitensturm, trug. Sie hatte gegen Firentis bewiesen, dass sie zumindest kurzfristig die Macht der Mönche brechen konnte. Für diesen Angriff, der auf Heimlichkeit und Schnelligkeit basierte, sollte dies ausreichend sein. Obwohl alle Ritter, einschließlich ihres Mannes, gegen ihren Vorschlag protestiert hatten, hatte sie sich durchgesetzt. Sie war die Königin und entschied über das Vorgehen. Außerdem standen mit Vincent, Celan, Forgat, und Arved Valorien ein starker König und drei mächtige Herzöge zur Verfügung. Das Land musste eben einen Winter ohne eine Königin auskommen. Dann waren sie schon bald mit einem kleinen Boot aus Lyth Valor aufgebrochen.

      „Königliche Majestät.“ Die gedämpfte Stimme von Arthur war schon nah, als sie den Ritter bemerkte. Zu vertieft war sie in Gedanken gewesen, und zu sehr hatte sie sich darauf konzentriert, gegen die Kälte zu kämpfen. „Wir müssen gleich aufbrechen. Wir sollten noch mit Fackeln die erste Strecke des Tages zurücklegen, wenn wir es bis zur Sonnenwende nach Sonnfels schaffen wollen.“

      Luna rührte sich nicht. Sie schloss noch einmal die Augen und atmete den kalten Wind ein. Es brannte in ihren Lungen, dennoch wollte sie noch einmal durchschnaufen, bevor der Marsch weiterging. Sie hatten einen einen anstrengenden Weg wählen müssen. Durch das Gebirge und die Hügelländer jenseits des Klosters. Denn die Wege durch die Täler und Städte waren unter den wachen Augen der kaiserlichen Soldaten. Also musste es im tiefsten Winter durch