Christian Jesch

Renaissance 2.0


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dieser unnützen Behüter der Metamenschen."

      "Wer sind diese Sturmredner?"

      "Stimmt. Hatte ich vergessen. Wie sollten Sie etwas über diese Leute gehört haben. Die Sturmredner sind eine Gruppe, die vor Jahren angefangen haben, Metamenschen aus den Anstalten der Regierung zu befreien, nur um sie dann an irgendwelchen geheimen Orten vor der Außenwelt zu verstecken. Oder anders ausgedrückt, die Mutanten wurden von einem unfreiwilligen in ein freiwilliges Gefängnis gebracht. Und alle fanden es toll." Ysana verzog die Miene, als müsste ihr übel werden. "Bis ich kam."

      "Dann hätten wir doch in Akeḿ weitere Mutanten fragen können, ob sie sich uns anschließen wollen", bemerkte Neyton vollkommen ernst. Ysana blieb abrupt stehen. Sie betrachtete den Mann völlig verständnislos, als wäre er schwachsinnig. Dann fing sie lauthals an zu lachen und konnte sich nicht mehr einkriegen. Neyton hingegen verstand überhaupt nicht, warum sie so reagierte und wendete sich an Tenju, der ebenfalls mit sich rang.

      "Was habe ich denn falsches gesagt?", erkundigte der Mann sich bei dem Jungen. Der musste erst einmal tief Luft holen.

      "Man geht nicht so einfach zu den Sturmrednern und fragt, ob sich ihre Mutantenschützlinge für einen Rachefeldzug gegen die Menschheit anschließen wollen. Ganz im Gegenteil. Man bekämpft die Obersten und die Ältesten der Sturmredner, weil sie einfach zu weich in der Birne sind, um zu begreifen, was sie den Metamenschen antun. Wenn sie könnten, würden sie Ysana versuchen aufzuhalten. Wie Ysana schon sagte, wenn wir genügend Zeit hätten, wären wir nach Akeḿ gegangen, hätte die Stadt in Schutt und Asche gelegt und die Metamenschen aus der Gefangenschaft dieser Idioten befreit. So müssen wir das erste einmal auf später verschieben."

      Die Anführerin der Liga hatte sich mittlerweile auch wieder beruhigt und nickte fleißig zu dem, was Tenju ausführte. Der Leiter der Waldmenschen hingegen schien nicht ein Wort zu begreifen. Dafür dämmerte es ihm langsam, auf was er sich hier eingelassen hatte. Und es fing an, ihm zu gefallen. Nach und nach begriff er, was die Primitiven den Metamenschen schon seit vielen Jahren vorenthielten. Die Freiheit. Nicht nur die Regierung tat dies. Auch selbsternannte Hilfsorganisationen taten nichts anderes. Nur verpackten diese es in einer anderen Umschreibung. Schutz. Doch was nutzte Schutz, wenn man sich nicht frei bewegen konnte? Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam die Erkenntnis. Endlich war er bereit, diesem jungen Mädchen und ihrem Ziel zu folgen. Was der Rest seiner Gruppe darüber dachte, war ihm in diesem Moment vollständig egal. Ysana erkannte daran, wie sich Neytons Gesicht langsam aufhellte, dass er jetzt endlich zu einem der ihren geworden war. Ihr Blick glitt über den Rest der Truppe, von der sie weniger überzeugt war. Überraschend zog etwas Neues ihre Aufmerksamkeit auf sich. Drei große, schwarze Punkte, die sich weit hinten am Himmel abzeichneten. Sie bewegten sich schnell in verschiedene Richtungen. Einer davon auf die Gruppe zu.

      "Wir müssen hier sofort verschwinden", sagte Ysana tonlos, während sie sich nach Deckung umschaute.

      "Was ist los?", fragte Neyton überfordert.

      "ProTeq", war ihre einzige Antwort.

      "Was ist ProTeq?"

      "Die Jagdsaison wurde gerade eröffnete", nahm Ysana ihre Worte von vorhin auf. "Deckung!", brüllte sie so plötzlich, dass sich der Führer der Waldmutanten erschrak. Doch er begriff schnell.

      "Morell!", brüllte er. "Tarnmodus!"

      "Tarnmodus?", fragte Ysana.

      "Warte ab", grinste Neyton lediglich.

      "Ich habe mich mit der ProTeq in Verbindung gesetzt", eröffnete der Gottkaiser das Gespräch mit dem Ältesten. "Sie werden sich an der Suche beteiligen."

      "Haben Sie ihnen auch mitgeteilt, dass sie sich nicht mit der Hexe anlegen sollen."

      "Natürlich habe ich das. Die ProTeq wird drei Hover starten, welche dann die entsprechenden Routen zu den Anlagen abfliegen. Sie werden aber nicht aus der Luft angreifen."

      "Das bedeutet was?", fragte der Älteste neugierig nach, da er das Gefühl hatte, der Gottkaiser hatte noch etwas vergessen zu erwähnen.

      "Jeder Hover ist mit einer Vigintur Suziden besetzt. Die werden vom Boden aus versuchen diese Liga zu stoppen."

      "Suziden?"

      "Eine Spezialeinheit aus weniger rühmlichen Menschen, die sich auf diese Art beweisen können. Wenn sie mehrere Einsätze überleben, erhalten sie ihre Bürgerrechte zurück und dürfen ganz normal in der Stadt leben."

      "Weniger rühmlich?", staunte der Älteste.

      "Kriminelle aller Art und Herkunft. Illegal eingewanderte. Und Ähnliches", erklärte Jachwey. "So haben sie wenigstens noch einen Nutzen für die Bevölkerung von Deusakem."

      Ysana schaute den jungen Mann erwartungsvoll an, doch nichts geschah. Der Hover-Zerstörer kam immer näher und legte einen riesigen Schatten über das Land. Schließlich erreichte er die Gruppe in einem Abstand von etwa einhundert Meter, um dann behäbig weiterzufliegen. Die Ligaführerin war beeindruckt.

      "Wer von denen ist Morell?", wollte sie wissen. Neyton winkte eine junge Frau heran, die sich zu ihnen gesellte.

      "Eine beeindruckende Leistung", sagte sie zurückhaltend begeistert.

      Kapitel 18

      Der erneute Vorfall mit ihrer Erzrivalin brachte Shilané ins Grübeln. Es konnte und durfte nicht so weiter gehen. Sie musste raus aus diesem Teufelskreis. Doch wo sollte sie hin? Vielleicht war es gut, endlich einmal mit Tandra darüber zu reden, wie sie es schon damals vorhatte. Zu dem Zeitpunkt fehlte ihr jedoch noch der Mut und ihre Geliebte war viel zu beschäftigt. Und die Wut auf ihren Vater, der für all dies verantwortlich war, hatte sie ebenfalls davon abgehalten. Dabei wäre es gerade für ihn ein Leichtes gewesen, diesen Zustand zu beenden. Vielleicht nahm Tandra sie ja dieses Mal fort von hier. Wer weiß. Eventuell ließ sie sich sogar zu einer Renegatin ausbilden. Unerwartet meldete sich ihr Comtab. Shilané wurde richtig aufgeregt, als sie die Nummer erkannte.

      "Hey, Tandra", meldete sie sich.

      "Hallo, Shéré. Bis du gerade beschäftigt?"

      "Nicht so wirklich. Und selbst wenn, würde ich alles stehen und liegen lassen, um aus dieser Langeweile zu entkommen."

      "Weißt du, wo die Basis Achtzehn der Renegaten liegt?", fragte Tandra vorsichtig.

      "Nicht so wirklich", gab das junge Mädchen zerknirscht zu. "Hast du eine Adresse?"

      "Ja. Kann ich dir geben. Ich muss nur gleich den Kommandanten fragen."

      "Ist gut. Was kann ich denn für dich tun?", fragte sie hoffnungsvoll.

      "Ich möchte dich bitten Thevog zurück zu deinem Onkel zu bringen. Oder ihr unternehmt etwas zusammen. Wäre das möglich?"

      "Aber natürlich. Gar kein Thema." Shilané ließ sich die Enttäuschung nicht anhören. Eigentlich hatte sie auf ein Treffen mit ihrer Freundin gehofft. Ein bisschen kuscheln und lachen. Einfach eine schöne Zeit. Und eventuell ein Gespräch. "Gib mir die Adresse, ich komme dann gleich."

      "Vielen Dank, mein Liebling."

      Es dauerte nicht lange, bis Shilané in der Basis eintraf. Tandra war bereits unterwegs, weswegen sie ein Renegat vom Tor in den Raum brachte, wo Thevog immer noch die Platine und den Bauplan untersuchte. Er war so sehr in diese Arbeit vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie das Mädchen den Raum betrat. Die Ankilla erkannte seine Konzentration und verhielt sich deswegen still. Neugierig schaute sie über seine Schulter auf den Tisch. Thevog zog mit dem Zeigefinger der rechten und linken Hand gleichzeitig die Leiterbahnen der Platine und der Blaupause nach.

      "Müsste zwischen den beiden Bauteilen nicht eine Verbindung sein?", platzte sie plötzlich heraus und erschreckte den Jungen damit zu Tode. "Wenn man die beiden noch miteinander verbindet, entsteht unter Zuführung von Strom eine Energieebene mit einer vordefinierten Frequenz." Thevog, der sich von seinem Schreck erholt hatte, drehte sich zu ihr um. Dann blickte er erneut auf den Plan. Das Mädchen hatte vollkommen recht. Verband man die beiden