Eduard Schnitzer Emin Pascha

Emin Pascha: Reisetagebücher aus Zentralafrika aus den 1870-80er Jahren


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Tausendfüße kommen zum Vorschein.

      24. August, Sonnabend. Nur-Bey ist mit Soldaten nach Gbl. Kélen und Fadjelȗ (Fadjelȗ, äußerste Gruppe der Bri in der Richtung auf Makraka) abgereist. Es kommt ein Mann, der durchaus eine syphilitische Frau heiraten will. Hübsches weibliches Exemplar von Andrea ardesichca zubereitet.

      25. August, Sonntag. Ich habe an Nur-Bey tragbare Barke zum Überschreiten des Chors gesandt.

      26. August, Montag. Es ist verzweifelt einförmig, doch mehren sich meine Sammlungen durch allerlei Gewürm, Fledermäuse usw., über die hier jeder lacht. Die Fledermaus wird als religiös unrein gehalten. Arden ardsichca lebt hier In kleinen Gesellschaften von zwei bis drei Individuen auf überschwemmten Feldern von Würmern, Fischen usw. Mit ihr oft vereint ein gelblichbrauner Reiher, den ich bis jetzt nicht erlegen konnte. Männliche Exemplare von Plectropterus gambensis haben völlig befiederten Kopf, rot marmorierten Schnabel, schiefergraue Iris, Oberseite rehbraun, sehr zart gestrichelt, Unterrücken und Schwanz schwarz. Kein Sporn! Sehr viele Federläuse.

      27. August. Dienstag. Skorpione, die früher Selten, sind jetzt häufig; heute ein Paar erhalten, Männchen und Weibchen, wie ich vermute. Es ist nicht die Khartumer Art (E. quinquestrichzus), sondern gehört wohl zu Buzus. Auch Tausendfüße, sowohl Scolopendra- als Julus-Arten, sind sehr häufig.

      Das Wasser ist heute in die halbe Seriba gekommen, und dürfte dies wohl der höchste Stand für dies Jahr sein. Alles Gewürm, Schlangen usw., hat sich vor dem Wasser in die Häuser geflüchtet, wo es jetzt Ausbeute genug gibt. Sehr bemerklich ist in den letzten Tagen das dumpfe Gurgeln der Rohrdommeln (Nycticorax!), und jeden Abend bei Sonnenuntergang das scharfe Geschrei eines vereinzelten Cursorius aegyptichcus. Auch Balearica pavoeina (hier Standerogel), viele Lamprotornis, sehr zahlreiche Ceryle rudis, Lagonosticta austma (brütet), Motacilla Vielua und ein paarweiser Vogel (Pycnonozus?), den ich nicht erlangen konnte, lassen sich häufig sehen und vernehmen.

      28. August, Mittwoch. Immer noch bin ich mit Unterbringen der Überschwemmten beschäftigt, für die ich kaum Häuser zu beschaffen weiß. Auch heute habe ich ein Exemplar von Arden ardesica und eines von Hophoploterus taczus (letzteres unbrauchbar) erhalten und präpariert. A. ardesichca wieder Weibchen. Abends ist der Mond nicht sichtbar geworden, also das Ramadán-Fest verzögert.

      29. August, Donnerstag. Während alle Ägypter im Beachten des Fastens sehr lax sind, bilden die Sudanesen mit ihrem Sinn für bloß Äußerliches dazu einen scharfen Gegensatz.

      In meinem Hause Uraeginthus phoezucotis, jetzt nistend.

      Der Protopterus (Protopterus, Lungenfisch, der sich in der Trockenzeit im Schlamm eingräbt und dann seine in eine „Lunge“ verwandelte Schwimmblase atmet) ist jetzt hier häufig, wird bis zu zwei Meter lang und gibt, wenn man ihm nahe kommt, einen knurrenden Ton von sich. Die Neger benutzen dies, verfertigen eine Art Klapper und klappern damit über dem Orte, wo sie einen Protopterus eingegraben vermuten; dieser knurrt und wird aus seinem Versteck geholt. Man speert den Fisch hier, fürchtet jedoch seinen Biss.

      30. August, Freitag. Gestern Abend wurde der Neumond sichtbar, wir haben also heute Ramadán.

      Nachts nach klarem Abend war starker Sturm aus Westen und Gewitter mit Regenguss, Tag regnerisch, besonders gegen Abend.

      Täglich kommen neue Geschichten von Diebstählen — ich kann sie nicht anders nennen — meines Vorgängers an öffentlichem und Privateigentum (!) zum Vorschein.

      Der Wasserstand ist noch immer hoch täglich ereignen sich Erdstürze durch Unterwaschungen; ich werde eine völlig neue Uferlinie herstellen müssen. Infolge der Feuchtigkeit und des Regens, gegen welchen sie nicht geschützt sind, sterben die Rinder in Menge; sobald ich Stroh und Heu erübrige, soll eine Art Stall für sie gebaut werden, ebenso für das Kleinvieh, Ziegen und Schafe. Meine großen Schafe von Faschóda halten sich gut.

      31. August, Sonnabend, (An diesem Tage schrieb Emin folgenden Brief an Herrn Dr. A. Petermann in Gotha:

      Ladó, den 31. August 1878

      Verehrter Herr!

      Im Begriff, nach Süden zu gehen, sende ich anbei den Schluss meiner Notizen über Unyóro. Eine längere Reihe Von Psychrometerablesungen mit anderen meteorologischen Beobachtungen für Ladó folgt mit nächstem Dampfer: Einer Abzweigung von kompetenter Seite, mit welchen Instrumenten am einfachsten und besten die Elektrizitätszustände der Luft beobachtet werden können, wäre mir sehr erwünscht. Alle mir hier zu Gebote stehende Literatur enthält darüber nichts.

      Der hohe Wasserstand des Stromes dauert fort: Weit und breit überschwemmtes Land; sogar unsere doch meist hochgelegenen Seriben haben darunter zu leiden. Dazu wollen die Regen dieses Jahr nicht aufhören, die ohnehin schwierigen Straßen sind unpassierbar geworden und alle Post vom Süden fehlen uns.

      Von Magángo oder Mrúli aus hoffe ich Ihnen neue Nachrichten geben zu können.

      Genehmigen Sie den Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung und glauben mich

      Ihren ergebenen Diener

      gez. Dr. Emin Bey.

      Eine für mich neue, nur weinrot überflogene, sonst meist graue Lagonosticta mit gelbem Augenrande ist seit gestern hier eingezogen, ein munteres hübsches Vögelchen, etwas größer als L. minima. Ganze Nacht hindurch und ebenso frühmorgens leichter Regen; Blitze und Donner in Nordost. Alle meine Vogelbälge verderben vor Nässe, selbst Kisten schützen sie nicht.

      Um Mittag ist Dampfer „SCHIBBIN“ von Schambé mit Post von Gessi gekommen, der jetzt schon unterwegs sein dürfte. Sklavenkonfiskationen in Schambé das Geschäft scheint doch ziemlich einträglich.

      1. September, Sonntag. Nachts starker Regenguss; mein armes Aneroid ist nass geworden. Korrespondenzen geordnet. Viele Klagen über Bor. (Klagen über Bor, siehe Vita Hassan I, S. 40) Ich habe heute dem Pascha meine Meinung über meine hiesige Stellung gesagt und erwarte nun, falls ich mich nicht sehr irre, meine Abberufung. Tags kein Regen.

      2. September, Montag. Übermorgen soll „SCHIBBIN“ von hier fort, wenn ich Holz genug bekommen kann. Anona senegalis (Anona senegalis ist die in Afrika wildwachsende Cremefrucht; vieleicht hat es sich hier um eine der fremden Kulturarten (Anoa mussicata A. aquamosa, A. usw.) gehandelt.) gedeiht hier sehr gut und setzt viele Früchte an, während Puzuca Granazum (Puzuca Granazum, Granatapfel) auffälligerweise stets kümmerlich aussieht: Vermutlich des zu vielen Regens halber. Kleine Schlange und Dacelo lebend erhalten. Post von Magúngo mit Said-Aga und Cajaten zum Aussähen gekommen.

      3. September, Dienstag. Rekruten von Kiróta, aus Leuten Rionga‘s, des einigen uns treuen Scheichs.

      Alcedo (Alcedo, ein Eisvogel) cristata ist ziemlich häufig; die verlängerten Federn der Beine, deren vier bis sechs beinahe aufrecht stehen, sind schön malachitblau und schwarz gestreift; Kehle und zwei flecken an den Selten des Hinterkopfes weiß, Hinterkopf ultramarin, schwärzlich gebändert. Rücken, kleine Flügeldeckfedern, Decken des Schwanzes ultramarin auf schwarzem Grunde, ganze Unterseite rotgelb (fuchsig); Schwingen schwärzlich, ebenso Steuerfedem. Schmale Füße korallenrot; Auge dunkelbraun.

      Ebenso habe ich heute drei Exemplare von Malapterus electricus, arab. Ráad (Blitz), dem bekannten Zitterwels des Nil, erhalten, alle drei jung; die schön olivenbraune Färbung ist im Spiritus sofort verblasst. Sie teilen ganz anständige Schläge aus. Ein Exemplar von Eriinaceus coronazus (?).

      4. September, Mittwoch. Seit Mitternacht Regen und Gewitter. Es will dies Jahr nicht mehr aufhören zu regnen. Post für Dampfboot „SCHIBBIN“ (Vergl. oben Brief vom 31. August): Aifmed Gabil-Efendi, Bor; Gessi (mit Einlage Dr. Zucchinetti), Schambé; Gordon-Pacha, Khartum; Postdienst in Khartum (einliegend Lombroso, Hausal 2 Otto Marno, Ernst Marno). An G. Istanbul vermittels Tahami-Bey; an Halib-Pascha in Zagazig. Wegen Hunden und Tieren nach Kana geschrieben mittels Halil-Efendi Nessim. Mohammed-Efendi Feradj's famosen Angriff gegen Gessi an Gordon mit meiner Post gesandt.

      5. September, Donnerstag. (Brief von Emin an Dr. Junker im Besitze von Geheimrat Prof. Dr. Haus Meyer in Leipzig.

      Lagó, den 5. September 1878.

      Verehrter