J.D. David

Sonnenfeuer


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ab, um wieder zum Lager zurückzukehren, und ließ Lumos alleine in der Nacht stehen. Dieser schaute dem Urben hinterher. Hass sprach aus seinen Augen. Doch er wusste, dass er die Situation nicht mehr ändern konnte. Noch nicht.

      Kapitel 10

      Die Sonne senkte sich bereits über Kargat, als die kleine Truppe aus Reitern die ersten Palisaden und Barrieren erreichten, die das große Räuberlager umgaben. Aus der Ferne waren diese unscheinbar gewesen, meist hatte man Büsche oder Bäume wahrgenommen. Aber als sie sich Dornat näherten, bemerkte Taskor die verborgenen aber wohl effektiven Verteidigungsringe. Überall waren kleine Fallen und andere Verteidigungsanlagen aufgebaut. Falls eine Reihe überwunden war, konnten sich die Verteidiger zur nächsten zurückziehen. Genauso wurden die weitauslaufenden Ruinen der einst mächtigen Feste genutzt und in das Konzept integriert. Im Falle eines Angriffs würde es dem Nachtrudel nicht schwer fallen, die Ruinen zu verteidigen. Ein Angreifer müsste mit großen Verlusten rechnen. Doch gerade aufgrund dieser Anlagen war es Taskor schleierhaft, wie sie all die Jahre das Hauptlager der Räuber hatten übersehen können. Der Blick des Königs war in andere Richtungen gegangen. Nun, da diese nicht mehr der Hauptfeind waren, fand sich Taskor im Lager des Nachtrudels wieder. Was für eine Ironie des Schicksals.

      „Sagt, königliche Majestät, was haltet Ihr von unserer kleinen Festung?“, hörte Taskor Rufus‘ Stimme und schaute zu dem Anführer, der die Königin angesprochen hatte. Gerade wollte er sich zwischen ihn und Hega schieben, als diese antwortete.

      „Es ist sehr beeindruckend, Rufus. Obwohl ihr gegen meinen Mann und die Krone Kargats in den Kampf gezogen seid, bin ich ergriffen, was ihr aus den alten Ruinen des Königreiches gemacht habt. Es erfordert Mut sich dem Fluch Dornats zu stellen, und hier zu übernachten. Und es erfordert Geschick, Können, und militärischen Verstand, eine solche Anlage anzulegen. Zumindest erkenne ich deren Wert, wenn ich den Blick meines Generals richtig deute. Nicht wahr, Taskor?“, erwiderte die Königin mit einem aufrichtigen Lächeln. Taskor war kurz verwirrt von der Freundlichkeit Hegas, erkannte darin aber einen klugen Schachzug. Es gab kaum etwas zu verlieren. Grobheit und Arroganz würde sie kaum weiterbringen. Und da das Kaiserreich der eigentliche Feind war, gab es keinen Grund, auch noch diese Räuber zu verärgern.

      „Ich kann nicht sagen, dass ich gerne in Fesseln in euer Lager einreite. Aber ich bin froh, dass ich nicht versuche, es mit erhobenem Schwert zu betreten.“, antwortete Taskor diplomatisch, als sie gerade den letzten Ring der Mauern erreichten.

      Die Feste von Dornat lag auf einem erhöhten Plateau, dessen vordere, flache Seite sie gerade hochgeritten waren. Im Rücken der Burg erhob sich der mächtige Kal Dor. Obwohl der Berg an sich nicht so hoch war wie andere Gebirge, erschien er dadurch mächtig, dass er scheinbar einsam in weiten Ebenen stand. So war seine Spitze schon aus großer Entfernung zu sehen. Die Festung war einst direkt an den Berg gebaut worden, doch wie der große Teil waren auch die Türme, die am Berg gestanden waren, zu Ruinen von geschwärztem Stein verfallen. Man sagte, dass die alten Könige Kargats einst den Berg untergraben hätten, um ein riesiges System aus Gängen und Hallen anzulegen. Doch mit der Zerstörung der Festung waren auch die Eingänge zu diesen Stollen verschlossen worden, wenn es sie überhaupt gab.

      „Glaub mir Taskor: Du bist nun genau auf der richtigen Seite. Außerdem trägst du doch gar keine Fesseln, schließlich seid ihr unsere Gäste.“, sagte Rufus mit einem falschen Lächeln, als sie nach oben in den Hof einbogen, der einst das Zentrum der Burg gebildet hatte. Die Größe des Innenhofes war beeindruckend. Doch Taskors Aufmerksamkeit richtete sich viel mehr auf das, was sich im Innenhof befand. Dieser war gefüllt von Zelten, provisorischen Hütten, Feuerstellen, Handwerkertischen und sogar einem kleinen Trainingsplatz. Es wirkte wie ein kleines Heerlager. Der General hatte nie realisiert, wie viele Männer dem Nachtrudel angehören mochten. Dafür hatte seine Aufmerksamkeit zu sehr auf den äußeren Feinden Kargats gelegen. Aber sein Eindruck bestätigte sich immer mehr: Es war keine wilde Räuberbande, der sie hier entgegenstanden. Die Truppe schien von Männern mit militärischer Erfahrung, wie Rufus, geführt zu werden.

      „Als Gäste wünschen wir mit deinem Anführer zu sprechen, Rufus.", antwortete dann die Königin vor ihm, nun in etwas schärferem Ton.

      „Wie königliche Majestät wünschen“, antwortete der Angesprochene mit einer angedeuteten Verbeugung und zeigte dann auf das Gebäude, das wohl einst die Haupthalle gewesen war. Obwohl auch hier die Wände zum Teil eingestürzt und verbrannt waren, erinnerte diese noch am ehesten an ein intaktes Gebäude. Aus verschiedenen Materialien war das Dach provisorisch wieder aufgebaut und die eingestürzte Westwand teilweise neu errichtet worden.

      „Nach euch!“, sagte Rufus, als sie aus den Sätteln gestiegen waren, und deutete auf den offenen Eingang, dem eine Tür fehlte. Taskor erkannte, wie ihre weiteren Begleiter unsicher schauten: Florenzo, Sinja und Gilmar wirkten noch verlorener, als er selber. Obwohl die drei doch am ehesten zu dieser Räuberbande passten. Andererseits hatten sich die drei, und insbesondere der gefallene Eggbert, als verlässlich erwiesen.

      „Dann wollen wir mal“, sagte Taskor und deutete der Gruppe, ihm zu folgen.

      Das Innere der Halle war nur spärlich von einigen Fackeln beleuchtet. Sonya musste sich kurz orientieren, bevor sie die Gestalten am Ende des Raumes sah. Obwohl die Prinzessin nur die Umrisse sehen konnte, machte sie drei Männer aus, die an einem Tisch saßen.

      „Hauptmann, wir haben wahrlich hohe Gäste in der Wildnis angetroffen.“, rief Rufus zur Begrüßung. Die Männer erhoben sich von ihren Plätzen und traten in das Licht der Fackeln. Sonya musterte diese. An der linken Seite stand ein kleiner Mann, vielleicht sogar nur ein Junge, der kurze, schwarze Haare hatten, die wild zu allen Seiten wegstanden, und am Gürtel eine kleine Axt trug. Der Mann auf der rechten Seite schien deutlich älter. Wie bei Rufus war sein Haar bereits von grauen Strähnen durchzogen. Trotz des schlechten Lichtes erkannte Sonya, dass sein linkes Auge vollständig bleich und somit wohl blind war. Doch beide Gestalten wurden von der Statur des Hauptmanns vollkommen überragt. Dieser war bestimmt über zwei Schritte groß und hatte mächtige Schultern und Oberarme. Sein ebenfalls ergrautes Haar war kurz, soldatisch geschnitten, der Bart zu kurzen Stoppeln geschoren. Der Blick hatte etwas Herrschaftliches und dennoch Kaltes. Doch am auffälligsten war seine linke Hand. Oder eben das Fehlen jener, denn wo die Hand sein sollte, endete der Arm stattdessen in einem eisernen Haken, der den sowieso schon beeindruckenden Mann wahrlich furchteinflößend machte.

      „Hauptmann“, sprach Rufus ihn dann weiter an und machte eine Verbeugung mit einem schelmischen Lächeln, die offenbar mehr Ironie denn echter Respekt war. „Darf ich vorstellen: Königin Hega von Kargat, ihre Tochter Prinzessin Sonya von Kargat und der legendäre Schwarze General, Taskor Graufels. Naja, und ein paar mehr, die wir nicht vor der Halle hatten stehen lassen wollen.“, fügte er mit einem Grinsen hinzu.

      Der Hauptmann machte keine Anstalten, Sonya oder Hega Respekt zu erweisen. Die Prinzessin spürte, wie sich Benno erneut halb vor sie stellte. Immerhin Mut baute der Junge langsam auf, wenn man den Mann ansah, der dort auf sie hinabschaute. Doch es war Taskor, der das Wort ergriff.

      „Nun kennst du unsere Namen. Wie dürfen wir denn den Hauptmann des Nachtrudels ansprechen?“, sagte er und blickte fest zu dem Hünen. Dieser blieb erst regungslos, lächelte dann aber.

      „Dann will ich meine Gäste in Dornat begrüßen. Willkommen in den verfluchten Hallen, die ihr Adeligen so gerne meidet. Ein Glück für uns, fürwahr. Nun, was kann ich für meine Gäste tun, bevor ich euch der Gnade des Kaiserreiches überlasse?“ Die Stimme des Mannes war trotz seines Alters stark und tief und hallte durch den Raum.

      „Ein Name, für den Anfang.“, erwiderte Taskor kalt.

      „Berlan.“, antwortete der Hauptmann ohne Zögern. Taskor stockte, bevor er antwortete. Er musterte den Hauptmann näher, bevor sich dann seine Augen weiteten.

      „Berlan? Berlan von Fendron aus Valorien?“, sagte er fragend.

      „Der war ich einst. Nun bin ich Berlan, Hauptmann des Nachtrudels und Beschützer des Volkes von Kargat.“

      „Beschützer des Volkes? Das ist wohl ein schlechter Scherz.“,